Читать книгу Mach's dir leicht, sonst macht's dir keiner - Heidi Wahl - Страница 9
Trecker fahren statt Party machen
ОглавлениеTiere und Technik. Das waren damals meine Favoriten. Neben Skifahren, Handball und Lesen. Unseren hellblauen Traktor konnte ich schon als Grundschülerin auf dem Acker durch die Heuballen steuern – ohne mit den Füßen aufs Gaspedal zu reichen. Das war kein Problem, denn Opa (»Ene«) legte den ersten Gang für mich ein und ich grinste breit hinterm Lenkrad. Als Teenie lernte ich unter Ahnas Aufsicht mit der Hand melken und an meinem Geburtstag im September war immer Kartoffeln auflesen angesagt statt Party. Das hat mich damals natürlich unendlich genervt. In der Landwirtschaft mithelfen war ziemlich uncool, denn meine Freunde spielten stattdessen Fußball oder schauten fern.
Urlaub auf dem Bauernhof ist heutzutage für Kinder der Renner. Ich hatte das damals ständig, ungewollt und unfreiwillig. Doch zugegebenermaßen gab es auch viele schöne Momente, etwa wenn das Heu kurz vor dem Gewitterschauer trocken in der Scheuer war oder die Vesperpausen auf dem Feld, im Schatten von Bäumen. Mit selbstgebackenem Brot, Hausmacher-Leberwurst, Most und Dutzenden von Schmetterlingen. Sie beim Essen zu beobachten, war einfach toll. Und manchmal ließ sich sogar einer auf meinen Füßen nieder. Das waren dann ganz besondere Momente. In denen ich absolut ruhig sitzen konnte. Meine Oma erklärte mir die einzelnen Schmetterlinge. »Das da ist ein Kohlweißling und der da drüben heißt Pfauenauge.« Ich war fasziniert. Wie unterschiedlich die Schmetterlinge doch waren. Und wie fragil, verletzlich. Im Gegensatz zu den robusten Kühen, Schweinen und Hühnern im Stall.
Auch wenn ich damals gelegentlich genervt war von der Landwirtschaft: Im Nachhinein profitiere ich von dem, was ich en passant in Stall, auf Acker und Wiesen über Tiere, Pflanzen und Jahreszeiten gelernt habe. Zwar kann ich in unserer Münchner Stadtwohnung weder Hühner noch Schweine halten, aber Gärtnern ist inzwischen meine große Leidenschaft. Sie erdet mich, macht Kopf und Gedanken frei. Nach den »Eisheiligen« im Mai lege ich los im Schrebergarten um die Ecke, säe Radieschen und Blumen, pflanze Salat, Kohlrabi, Fenchel, Gurken und Rucola. Und freue mich über jedes neue Blatt und jede neue Blüte. Beim Gärtner meines Vertrauens kaufe ich stets eine italienische Zucchinipflanze, die ich täglich besuche und ungeduldig auf die erste Frucht warte! Den grünen Daumen habe ich von Oma und Mama geerbt. Und auch mein Interesse für Tiere und Pflanzen, deren Entwicklung und Gedeihen übers Jahr hinweg, wurde in meiner Kindheit geweckt. Schon in der Grundschule habe ich Heimat- und Sachkunde geliebt und nach dem Abitur wollte ich Biologie studieren. Letztlich entschied ich mich aber für ein Germanistik- und Sportstudium an der Uni Tübingen zum Start meiner beruflichen Laufbahn – mit dem Ziel Gymnasial-Lehrerin zu werden.