Читать книгу Mach's dir leicht, sonst macht's dir keiner - Heidi Wahl - Страница 8
1. Mariposa oder Faszination Schmetterling
ОглавлениеWer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken …
(Carlo Karges)
Blut rühren war mein erster Ferienjob. Eine verantwortungsvolle Aufgabe für eine Siebenjährige. Das rotbraune Schweineblut mit beiger Schaumkrone im weißen Plastikeimer musste immer in Bewegung bleiben, damit es nicht gerann. Also rührte ich immerzu. Einmal linksherum, einmal rechtsherum. Immer abwechselnd. Meine Mutter fand das alles sehr eklig. Das Blut, der Geruch, die Borsten, die vollen Schweinedärme. Für mich war es einfach nur aufregend, ein Highlight in den Herbstferien, auf das ich mich schon wochenlang vorher gefreut habe. Mich faszinierte der ganze Ablauf der Schlachtung, die einzelnen Schritte, die fette Speckschicht unter der Haut und besonders das Innenleben der Schweine. Ich bekam große Augen beim Anblick von Herz, Hirn, Nieren, Darmschlingen und Leber. Wie unterschiedlich doch die einzelnen Organe waren! Hinsichtlich Form, Farbe, Aufbau und Struktur. Und natürlich durfte ich die Innereien auch anfassen. Natürlich erst nachdem ich Stein und Bein geschworen hatte, meine Hände vorher gründlich gewaschen zu haben. Während sich die Leber eher labberig anfühlte, war das Herz kompakt, der Darm glitschig und zart zugleich. Und niemand hat es gestört, dass ich ’zig Fragen stellte und alles genau wissen wollte. Hauptsache, ich stand nicht im Weg herum und behinderte die Erwachsenen.
Wir haben früher zuhause auf der Schwäbischen Alb bei uns im Haus, besser gesagt, in der Garage geschlachtet. Die Schweine züchteten meine Großeltern, Metzgermeister Gerhard tötete, zerlegte und verarbeitete die Tiere und danach hatten wir in der Gefriertruhe Unmengen Schnitzel, Braten und Rouladen. Leber- und Blutwürste wurden in Därme oder Dosen gefüllt. Klassische Selbstversorgung, alles biodynamisch und wahnsinnig lecker.
Als Kind war ich nicht nur beim Schlachten dabei, sondern ständig im Stall von Oma und Opa. Ich fütterte Schweine und Hühner, streichelte Katzen, Kälber und Kühe. Sie kennen das Gefühl einer rauen Kuhzunge auf der Hand? Herrlich. Wahnsinnig traurig war ich jedoch, als ich eines Morgens das sehnsüchtig erwartete, in der Nacht zuvor geborene Kalb sehen wollte: es war tot. Der Kadaver lag zugedeckt unter einer Decke in der Scheune, auf dem kalten Steinboden. Abholbereit für den Tierverwertungs-Laster. »Warum musste das Kälbchen sterben?«, fragte ich meine Oma. »Es war einfach zu schwach. Das passiert halt manchmal. Das gehört dazu zum Leben.« Ich fand das nicht gut, nahm das aber kommentarlos hin. Denn wenn das die Oma sagt, dann ist das so. Meine Oma – ich nannte sie auf gut schwäbisch »Ahna« – kannte alle Facetten von Freud und Leid im Stall.