Читать книгу Mach's dir leicht, sonst macht's dir keiner - Heidi Wahl - Страница 19
Offen bleiben, Überleben sichern
ОглавлениеSchmetterlinge gibt es seit rund 135 Millionen Jahren. In der Zeit haben sie sich zu wahren Überlebenskünstlern gemausert: So leben bei uns in Mitteleuropa Raupen von Bläulingen in Symbiose mit Ameisen und machen sich so das Leben gegenseitig leichter. Die Schmetterlingsraupen spenden den Ameisen Nektar, während die Ameisen wiederum als eine Art Abwehrtruppe fungieren und die Raupen vor ihren größten Feinden, den Brackwespen und Raupenfliegen, schützen. Auf Eichen, Pappeln oder Weiden, also auf ihren Nahrungspflanzen, tummeln sich manchmal Raupen von über 100 Arten. Manche Pflanzenarten können nur von Schmetterlingen bestäubt werden, weil nur sie so einen langen Saugrüssel haben, der in die tiefen Blütenkelche reicht. Apropos Nahrung: Nur Flüssiges wie Blütennektar, Pflanzensäfte, Honigtau von Läusen, Tränenflüssigkeit oder Blut von Säugetieren und Menschen können Schmetterlinge mit ihrem Saugrohr aufnehmen. Ja, Sie haben richtig gelesen, Blut vom Menschen. Doch das können nur subtropische Arten wie der Eulenfalter. Bei uns können die Vampire unter den Schmetterlingen nicht leben, es ist einfach zu kalt und ungemütlich.
Weil die Umweltbedingungen teilweise so widerwärtig sind und es in manchen Gegenden kein Wasser gibt, haben manche Schmetterlinge ungewöhnliche Trinkgewohnheiten entwickelt: Einige Falter in Brasilien, Ostasien und Afrika trinken Tränenflüssigkeit von Schildkröten oder Krokodilen, um ihren Flüssigkeitsbedarf zu decken. Wie die Tiere, so die Menschen: Auch Völker, die in Wüstengegenden in Afrika oder Australien leben, wissen, wie man einen Kaktus anschneiden muss, um ein paar Tropfen Saft zu gewinnen oder bei welchen Pflanzen man graben muss, um an Wasser zu gelangen.
Auch was die Nahrung anbelangt, haben sich die Fluginsekten spezialisiert: Die einen lieben Orchideennektar, und die Yuccamotte, wie der Name schon sagt, bevorzugt Yuccapflanzen. Bienenwaben aussaugen kann der darauf spezialisierte Totenkopfschwärmer, und manche Falter ernähren sich ausschließlich von Tierexkrementen, Urin oder Schweiß. Sie ernähren sich eben von dem, was verfügbar ist, um zu überleben. Mit ihren Fühlern – vergleichbar mit der menschlichen Nase – können sie riechen, schmecken, tasten und Temperaturen erspüren. Extrem sensibel reagieren die Insekten auf Bewegungen. Daher eignen sie sich nicht als Streicheltiere, und wer das Glück hat, einen Schmetterling auf seinem Arm zu haben, sollte ganz ruhig sitzen bleiben, die Luft anhalten und den Moment genießen.
Manchmal leichter gesagt als getan. Vor allem in Zeiten, wo man das Gefühl hat, die Welt dreht sich schneller und man ständig damit beschäftigt ist, irgendwelchen Dingen oder Zielen hinterherzuhecheln. Perfekter zu werden, schneller und leistungsfähiger. Da ist schon eine gehörige Portion Stärke oder seelische Widerstandskraft gefragt (Resilienz oder die Toleranz eines Systems gegenüber Störungen), um auf dem eigenen Weg zu bleiben. Dennoch benötigen Menschen zugleich eine gewisse Aufgeschlossenheit für neue Dinge, Pläne oder Wege. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Leute, die offen sind für Neues und nicht an Bewährtem kleben bleiben, leichter durchs Leben kommen. Sie switchen – wenn Plan A, warum auch immer, nicht funktioniert – auf Plan B um. Ihre optimistische Einstellung lautet: Es gibt immer eine Lösung! Der Postkarten-Spruch »Umwege fördern die Ortskenntnis« bringt diese Flexibilität und Offenheit auf den Punkt.
In jeder Stellenanzeige werden von Bewerberinnen diese Eigenschaften gefordert. Auch wenn meist nicht näher umrissen wird, was genau darunter zu verstehen ist. Erwartet der neue Chef, dass Sie sich schnell in neue Themengebiete und Aufgaben einarbeiten können? Oder wird das Unternehmen gerade umstrukturiert, Abteilungen neu aufgeteilt und damit auch die Zuständigkeiten sowie Vorgesetzte? Es könnte aber auch sein, dass Flexibilität meint, dass sich die Angestellten ihr Büro nicht mit zwei oder drei Kollegen teilen, sondern im Großraumbüro sitzen mit 50 anderen. Das spart nicht nur Platz, sondern senkt auch die Fixkosten. Dank des technologischen Fortschritts sind feste Büroarbeitsplätze nicht mehr zwingend notwendig: Arbeiten ist mit der richtigen und sicheren Computertechnik problemlos im Homeoffice, im Café, im Park, am See, im Zug oder am Flughafen möglich. Besonders jüngere Arbeitnehmer oder Eltern mit kleinen Kindern sind an solchen modernen Lösungen interessiert.
Die Konsequenz daraus: Immer mehr Firmen sparen an der Zahl der Büros und Arbeitsplätze. Willkommen neue Arbeitswelt! Man teilt sich also nicht nur das Zimmer mit bekannten und fremden Kollegen, sondern auch noch den Schreibtisch. Konkret bedeutet dies, dass morgens die Suche nach einem freien Platz beginnt und abends die Platte wieder leer sein muss – für den nächsten Morgen und den nächsten Schreibtischsuchenden. Also heißt es nach getaner Arbeit, sein gesamtes Zeug einpacken, im Schrank verstauen oder mit nach Hause nehmen. Mit dem Programm »Clean Desk« kommen viele Arbeitnehmer nicht zurecht. Als Gewohnheitsmenschen mit festen Ritualen und Abläufen sollen sie jetzt plötzlich täglich Arbeitsplatz-Flexibilität beweisen. Mehr noch: Es gibt keine angestammten Territorien mehr und damit fehlt auch der Platz für die allseits beliebten und gängigen Büroaccessoires, die individuelle Gestaltung des Arbeitsplatzes. Denn wohin mit Pflanzen, Lieblingstasse, Wandkalender, Kaffeemaschine und Fotos von den Liebsten?
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Manche Arbeitgeber haben Verständnis für ihre Angestellten und lassen sie beim Dekorieren walten und gestalten. Etwa die Stadt München. Die Wartezeit im Großraum-Bürgerbüro beim Buchstaben S bis W lässt sich wunderbar überbrücken mit der Analyse von Postkarten, vergilbten Postern, Post-its am Computer, Motiven der Kaffeetassen, Pflanzen, Plüschtieren und Nippes aller Art. Da ist geschmackliche Flexibilität gefragt! Freiberuflerinnen und Selbstständige haben es in dieser Hinsicht gut: Sie können ihren Arbeitsplatz einrichten, gestalten wie sie wollen und so oft neu und den aktuellen Trends bzw. Jahreszeiten entsprechend dekorieren und verändern, wie ihnen der Sinn danach steht.