Читать книгу Logos Gottes und Logos des Menschen - Heiko Nüllmann - Страница 33
3.3 Die innere Schau des Logos
ОглавлениеNeben diesen durch die Schönheit der Natur und der Kunst vermittelten Arten, die Wahrheit der Schöpfung zu erkennen, kennt Ratzinger aber auch eine dritte Weise, die Wahrheit Gottes zu schauen, die er mit Nikolaus Kabasilas als „das Berührtwerden von der Wirklichkeit, ‚von der persönlichen Gegenwart Christi selbst‘“11 beschreibt. In diesem Schauen erfährt der Mensch also die Gegenwart des Logos in unmittelbarer Weise. Seine Überwältigung durch diese Erfahrung ist dabei „realere und tiefere Erkenntnis als bloße rationale Deduktion.“12 Zwar bleibt diese für das Verstehen und Nachdenken des Glaubens unerlässlich, aber „darob die Erschütterung durch die Begegnung des Herzens mit der Schönheit als wahre Weise des Erkennens zu verachten oder abzuweisen, verarmt uns und verödet Glaube und Theologie.“13 Es geht Ratzinger dabei um ein persönliches Offenbarungserlebnis, das über die eigene Erkenntnisleistung hinausgeht.14
Die Unmittelbarkeit dieses Schauens Christi ist für Ratzinger konstitutiv für einen Christusglauben ‚aus erster Hand‘, der sich nicht nur auf die Glaubenserfahrungen eines Zeugen verlässt, sondern selbst die Wahrheit des Glaubens erfahren hat. „Der Mensch rührt darin an die Wirklichkeit selbst und glaubt nicht mehr bloß ‚von zweiter Hand‘.“15 Diese Offenbarungserfahrung ist laut Ratzinger eher eine Ausnahme und zeichnet vor allem die Heiligen aus, deren Gruppe er allerdings nicht auf die kanonisierten Heiligen beschränkt: „Immer leben verborgene Heilige, die in der Gemeinschaft mit Jesus einen Strahl von seinem Glanz empfangen, konkrete und reale Erfahrung Gottes.“16 Den anderen Gläubigen empfiehlt Ratzinger, auf diese „großen Zeugen der Wahrheit, auf die Zeugen Gottes zu lauschen, uns von ihnen führen zu lassen, um auf den Weg der Erkenntnis zu kommen.“17 Der Glaube der Vielen bleibt für diese also ‚Glaube‘, kann sich aber auf ein ‚Sehen‘ der Wenigen berufen.
An dieser Stelle wird deutlich, dass der Glaube keine notwendige Voraussetzung des Schauens Christi ist, sondern dass es sich bei dieser unmittelbaren Schau um eine glaubensunabhängige, von außen ‚geschenkte‘ Erkenntnis des Menschen handelt, worauf ja der Begriff der ‚Offenbarung‘ auch hinweist. „Auch in Sachen Gott sind wir nicht alle Blinde, die im Dunkeln tappen. Auch hier gibt es Personen, denen das Sehen geschenkt worden ist“18.