Читать книгу Logos Gottes und Logos des Menschen - Heiko Nüllmann - Страница 35
3.5 Die notwendige Passion der Schönheit
ОглавлениеZusammenfassend kann man sagen, dass nach Ansicht Ratzingers die ästhetische Vernunft des Menschen ihm durch die Sinneserfahrung der Betrachtung der Natur oder eines Kunstwerkes bzw. durch die unmittelbare innere ‚Schau‘ Christi eine mehr oder weniger unmittelbare Erkenntnis der Schönheit des Logos Gottes ermöglicht, der sich in der Schöpfung zu erkennen gibt. Die Betrachtung dieser Schönheit führt ihn dabei über seine innere Verschlossenheit hinaus und öffnet ihn zur Erkenntnis der Wahrheit.
Dem naheliegenden Einwand gegen diese enge Verbindung des Schönen und des Wahren will Ratzinger sich dabei allerdings nicht entziehen: Wie kann solche Rede heute noch guten Gewissens geschehen, wo doch die „Botschaft der Schönheit … durch die Macht der Lüge, der Verführung, der Gewalt, des Bösen überhaupt infrage gestellt“29 wird? Kann die Schönheit vor diesem Hintergrund überhaupt noch als ‚wahr‘ bezeichnet werden? „Oder ist sie nicht am Ende doch eine Täuschung? Ist nicht vielleicht die Wirklichkeit doch im Grunde böse?“30 Dieser Einwand, „für den es auch schon vor Auschwitz in all den Furchtbarkeiten der Geschichte Gründe genug gab, zeigt auf jeden Fall, dass ein bloß harmonischer Begriff der Schönheit nicht ausreicht. Er wird dem Ernst der Infragestellung Gottes, der Wahrheit, der Schönheit nicht gerecht.“31
Ratzinger antwortet auf diese Frage, die unmittelbar aus der Theodizee-Problematik erwächst, mit dem Verweis auf die Passion Christi. In ihr hat die „Erfahrung des Schönen … eine neue Tiefe, einen neuen Realismus empfangen. Der, der die Schönheit selber ist, hat sich ins Gesicht schlagen, sich anspucken, sich mit Dornen krönen lassen.“32 Am leidenden Christus lernen wir damit nach Ratzinger, „dass die Schönheit der Wahrheit Verwundung, Schmerz, ja das dunkle Geheimnis des Todes einschließt und nur in der Annahme des Schmerzes, nicht an ihm vorbei gefunden werden kann.“33 Doch gerade auf diese Weise kommt in ihm „die wahre, die letzte Schönheit zur Erscheinung: die Schönheit der Liebe, die ‚bis zum Letzten‘ geht und sich eben darin stärker erweist als die Lüge und die Gewalt.“34 Diese Erfahrung ermöglicht auch trotz der Lüge und der Gewalt die Überzeugung, „dass eben doch die Wahrheit und nicht die Lüge die letzte Instanz der Welt ist.“35 Von einer Wahrheit der Schönheit kann also heute nach Ansicht Ratzingers nur dann noch gesprochen werden, wenn diese Wahrheit die Passion der Liebe mit einschließt.
1 Vgl. Auftrag des Bischofs, 534.
2 Unterwegs, 34.
3 Unterwegs, 33. Ratzinger bezieht sich hier auf die Platon-Interpretation von Pieper, 248–331. In der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher heißt es im Phaidros: „Wer aber noch frische Weihung an sich hat und das Damalige vielfältig geschaut, wenn der ein gottähnliches Angesicht erblickt oder eine Gestalt des Körpers, welche die Schönheit vollkommen darstellen: So schaudert er zuerst, und es wandelt ihn etwas an von den damaligen Ängsten, hernach aber betet er sie anschauend an wie einen Gott, und fürchtete er nicht den Ruf eines übertriebenen Wahnsinns, so opferte er auch, wie einem heiligen Bilde oder einem Gotte, dem Liebling. Und hat er ihn gesehen, so überfällt ihn wie nach dem Schauder des Fiebers, Umwandlung und Schweiß und ungewohnte Hitze“ (Platon: Phaidros 251a).
4 Unterwegs, 36.
5 Vgl. Unterwegs, 37.
6 Einführung, 118.
7 Unterwegs, 36.
8 Geist der Liturgie, 132.
9 Geist der Liturgie, 132.
10 Geist der Liturgie, 132; vgl. dort auch 134: „Die demütige Unterwerfung unter das, was uns vorangeht, setzt die wirkliche Freiheit aus sich heraus und führt uns zu der wahren Höhe unserer Berufung als Menschen.“
11 Unterwegs, 35. Ratzinger bezieht sich hier auf Kabasilas‘ Buch vom Leben in Christus.
12 Unterwegs, 35.
13 Unterwegs, 35. Hans Urs von Balthasar hat nach Ratzinger „von dieser Einsicht her sein Opus magnum der theologischen Ästhetik gebaut, aus dem viele Einzelheiten in die theologische Arbeit eingegangen sind, während ihr Ansatz, der das eigentlich Wesentliche des Ganzen bildet, kaum aufgenommen ist“ (ebd.). Ratzinger verweist hier besonders auf Balthasar, Hans Urs von: Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik. Schau der Gestalt, Einsiedeln 1961.
14 Vgl. Abbruch und Aufbruch, 17: „Wir nennen solches Schauen, das über die eigene Erkenntnisleistung hinausgeht, Offenbarung.“
15 Theologische Prinzipienlehre, 369.
16 Auf Christus schauen, 38.
17 Auf Christus schauen, 28.
18 Auf Christus schauen, 37.
19 Geist der Liturgie, 132.
20 Geist der Liturgie, 129.
21 Geist der Liturgie, 129.
22 Geist der Liturgie, 130.
23 Geist der Liturgie, 121.
24 Auf Christus schauen, 37.
25 Unterwegs, 36.
26 Unterwegs, 37.
27 Unterwegs, 37; vgl. auch Zur Lage des Glaubens, 134.
28 Plädoyer für die Kirche, 74.
29 Unterwegs, 37.
30 Unterwegs, 37.
31 Unterwegs, 38.
32 Unterwegs, 38.
33 Unterwegs, 33.
34 Unterwegs, 38.
35 Unterwegs, 38.