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„Vater und Verteidiger der Kirche“

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Fanden die Zeitgenossen durchaus Anlass, Kritik an Hieronymus zu üben, so traten die mit bitterer Polemik geführte Feindschaft mit Rufin oder die Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Bibelübersetzung nach seinem Tod allmählich in den Hintergrund. Nicht nur als Gelehrter, sondern auch als Vertreter der Orthodoxie, als Morallehrer und Asket wurde Hieronymus zum Vorbild und Schutzpatron, und diese vielfältige Wirkung, die sich während des Mittelalters entfaltete, reicht über die Epochen des Humanismus, der Reformation und des Barock bis weit in die Neuzeit hinein.6

Augustinus, mit dem Hieronymus nicht besonders freundlich umgegangen war, lobte zwar in seinem Werk über den „Gottesstaat“ den Gelehrten in Bethlehem für seine Sprachkenntnisse, hielt aber doch die griechische Bibelübersetzung der „Septuaginta“ für inspirierter als die lateinische Fassung, die „Vulgata“, die Hieronymus angefertigt hatte. In den siebzig Übersetzern der „Septuaginta“ habe der Geist Gottes gewirkt und so seien „die Kirchen Christi der Ansicht, daß an Glaubwürdigkeit und Gewicht niemand über jene zahlreichen, vom Hohenpriester Eleazar für dieses große Werk ausgewählten Männer zu stellen sei“.7 Trotz dieser Kritik hat sich Augustinus auf Hieronymus berufen, etwa wenn es galt, die Lehre der Erbsünde gegen Pelagius und dessen Anhänger zu verteidigen. In diesem Zusammenhang bezeichnete Augustinus Hieronymus, der für seine Gelehrsamkeit und Glaubensstärke berühmt sei, noch zu dessen Lebzeiten als sanctus, womit er das früheste Zeugnis für die Erhöhung des Kirchenvaters zum Heiligen bietet.8 Dass diese zunächst auf seinen Bibelkommentaren und seinen Briefen beruhte, bevor später seine Übersetzungsarbeit im Vordergrund stand, wird auch bei Johannes Cassianus und Gregor von Tours deutlich.

Cassian (360–435) war um 390 nach Bethlehem gelangt; hier soll er sich in einem der Klöster aufgehalten haben, bevor er nach Ägypten weiterzog, um als Eremit in der Nitrischen Wüste zu leben. Es ist wahrscheinlich, dass er in Bethlehem mit Hieronymus zusammengetroffen ist und sich vielleicht unter seinem Einfluss für das mönchische Leben entschieden hat. Nachdem er später über Konstantinopel und Rom in den Westen des Reiches gelangt war und bei Marseille ein eigenes Kloster gegründete hatte, pries er in einer seiner Schriften Hieronymus als catholicorum magister („Lehrer aller Rechtgläubigen“), der mit seinen Schriften die ganze Welt wie mit göttlichen Leuchten erhellt habe.9

Auch für Gregor von Tours (538–594) besaß Hieronymus eine herausragende Stellung als Kirchenlehrer, die ihn beinahe auf eine Stufe mit dem Apostel Paulus stellte.10 Und nicht viel später ist dann das Bemühen der Kirche fassbar, einen Kanon von älteren Kirchenlehrern festzuschreiben, denen eine besondere Autorität zuerkannt wurde. So bezeichnete Licinianus, der Bischof von Cartagena, in einem Brief an Gregor den Großen (590–604) christliche Autoren, die sich durch ihr Wissen und ihre Lebensführung ausgezeichnet hatten, als „Väter, Doktoren und Verteidiger der Kirche“.11 Umfassten Listen solcher Kirchenväter zunächst zahlreiche Namen, unter denen sich neben Hieronymus auch Cyprian (200–258) und Gregor von Nazianz (329–390) befanden, so verengte sich der Kreis bis zum Ende des 8. Jahrhunderts auf vier Personen: Gregor der Große, Ambrosius (337–397), Augustinus (354–430) und Hieronymus. Sie galten der lateinischen Kirche von nun an als die wichtigsten Theologen, deren Bedeutung auch symbolisch aufgeladen wurde, indem man sie in ihrer Vierzahl mit den vier wichtigsten Propheten (Daniel, Ezechiel, Jeremia und Jesaja), den vier Evangelisten und den vier Kardinaltugenden verband.12 Papst Bonifatius VIII. (1294–1303) fasste diese Entwicklung in einer Dekretale vom 20. September 1295 zu einem Glaubensgebot zusammen: Die Gläubigen sollten die vier Kirchenväter nicht weniger ehren als die Apostel.13 Ihre Schriften hätten die Kirche erleuchtet, die Rätsel der Heiligen Schriften aufgelöst und die Irrtümer ausgetrieben.

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