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Mit Handangel und Krabben – Ferien in Travemünde
ОглавлениеMein anderer Opa Bruno, der Vater von meinem Papa Harald, hatte mit Angeln gar nichts am Hut. Nach dem Tod von Oma Erna zog er zu seiner neuen Freundin nach Travemünde, zu Tante Grete. Die durfte ich in den Sommerferien immer für ein, zwei Wochen besuchen. Das war eine tolle Zeit. 1974. Deutschland war gerade Fußballweltmeister geworden.
Auch in Travemünde hatte ich natürlich immer eine Angel dabei, eine kleine Handangel. Etwa 30 Meter Angelsehne, aufgewickelt auf einen 20 Zentimeter langen Schnuraufwickler aus Plastik, ein Stück Blei, Karabiner mit Tönnchenwirbel und einen Butthaken. Denn Butt wollte ich fangen. Auf dem Weg zum Hafen nahm ich die Abkürzung über den Friedhof und landete so genau vor dem Fischgeschäft. Hier holte ich mir eine Tüte Krabben, von denen ich die Hälfte zwischen Kurgartenstraße und Vorderreihe verschlang.
Um an das fleischige Schwanzende der Krabben zu gelangen, brauchte es eine ganz besondere Pultechnik: Die Krabbe strecken, in der Hüfte drehen, bis es leicht knackt, anschließend Schwanz und Kopf vorsichtig abziehen. Das war nichts für Grobmotoriker.
Die paar Krabben, die am Ende übrigblieben, dienten mir als Köder für Butt und Aalmutter. Mit Aal hat eine Aalmutter nichts zu tun. Es handelt sich um einen kleinen schleimigen Fisch, der nach innerer Befruchtung lebende Junge zur Welt bringt. Mein Lieblingssteg war gleich neben der kleinen Personenfähre Priwall, die Touristen auf die Halbinsel im Osten von Travemünde brachte. Hier machte ich es mir auf dem Bauch liegend bequem. Das Wasser war fast immer klar und man konnte gut drei, vier Meter bis auf den sandigen Boden sehen. Hin und wieder schwebte eine Qualle vorbei und am Grund sah man Strandkrabben und ab und zu einen Fisch vorbeihuschen.
Ein besonderes Highlight waren die Hochseetouren auf der Peter 2, der Zufriedenheit oder der Concordia auf Dorsch. Ich erinnere mich noch genau an eine Tour mit meinem Freund Claus auf der Concordia bei ziemlich rauer See, Kurs Pelzerhaken. Wir standen am Bug, die Angel im Anschlag und warteten auf das Signal des Kapitäns. Einmal hupen bedeutete: Es darf geangelt werden. Das Schiff drehte noch einmal in den Wind und ich bekam eine volle Ladung Salzwasser ab. Meine Hose pitschnass. Egal. Hose ausgezogen und in Unterhose weitergeangelt. Das sah zwar nicht sehr sexy aus, aber es waren ja auch keine Frauen an Bord. Schönheitspreise werden beim Dorschangeln ohnehin nicht vergeben.
Wir angelten mit Pilker. Das ist ein silbriges Eisenstück, 100 Gramm schwer, 15 Zentimeter lang, mit einem Drilling am Ende. Der Pilker wird runtergelassen, bis er Bodenkontakt hat, und dann durch Heben und Senken der Angel über den Gewässerboden bewegt. So simuliert man einen taumelnden verletzten oder kranken Fisch. Die Dorsche fielen massenweise darauf rein. Auch ich hatte nach kurzer Zeit einen guten Burschen an der Angel. „Pumpen!“, schrie der Kapitän, der plötzlich mit dem Gaff in der Hand neben mir stand. Die Rute heben und dann in der Abwärtsbewegung, wenn kein Druck auf der Angel ist, schnell die Schnur einholen. Dann wieder heben und das gleiche Spiel von vorne. Nach einiger Zeit sahen wir den weißen Bauch des Dorsches an der Oberfläche. Noch ein Stück, und dann hing der „Ostseeleopard“, wie der Dorsch auch genannt wird, am Gaff. Mit einem gekonnten Schwung bugsierte der Kapitän den Fang an Deck. 60 Zentimeter. Gute Speisegröße. Claus machte schnell ein Foto: „Dorsch ohne Hose“ steht auf der Rückseite.