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Nachgehakt bei Horst: Expertentipp zum Thema Meerforelle
ОглавлениеZum Blinkern auf Meerforelle suche ich nach strukturreichen Strandabschnitten mit großen Steinen, Blasentank und Seegras.
Ich achte immer auf Wasservögel, die nach Nahrung tauchen.
Bevor ich ins Wasser wate, fische ich den ufernahen Bereich ab.
Dabei setze ich leichte Küstenwobbler ein, die sich im flachen Uferbereich schön langsam führen lassen. Wenn man sofort ins Wasser waten würde, würde man die Fische, die sehr nah am Ufer sind, verscheuchen.
Gerne schalte ich zusätzlich noch eine Springerfliege vor.
Für weite Würfe benutze ich lange, schmale Blinker, die Tobiasfische imitieren. Mit 20 bis 30 Gramm entscheide ich mich für relativ schwere Modelle. Beim Einkurbeln der Köder variiere ich die Einholgeschwindigkeit und stoppe zwischendurch auch mal ab, um den Blinker etwas herabtaumeln zu lassen. Ich behalte das Wasser genau im Auge und achte immer auf Nachläufer.
Meine Geräte bestehen aus einer 3 Meter langen Spinnrute mit 20 bis 60 Gramm Wurfgewicht und einer soliden, salzwasserfesten Stationärrolle.
Darauf befindet sich eine 8 Kilo tragende geflochtene Hauptschnur, an die ich ein ca. 1 Meter langes Fluorocarbonvorfach mit 0,35 Millimeter knote.
Ein paar Wochen später traf ich Horst auf Rügen wieder. Wir hatten ja schließlich noch eine Meerforellen-Rechnung offen. Diesmal waren wir mit seinem Freund Sven, einem Dachdecker aus Flensburg, unterwegs. Der hat sein Boot in der Lachssaison immer in Schaprode liegen. Von Mitte Dezember bis Ende April bricht hier regelmäßig das Lachsfieber aus. Schon früh um sechs Uhr stachen wir in See. Klarer Himmel, kaum Wind. Perfekte Bedingungen für das Schleppangeln.
Nach einer Stunde legten wir die Angeln aus. Wir waren drei Angler. Also durften wir neun Ruten im Einsatz haben. Sven hatte in dieser Saison schon viele Lachse über einen Meter gefangen. Und auch Meerforellen gehen vor der Küste beim Schleppangeln immer wieder an den Haken.
Die ersten Fische, die sich unsere Köder schnappten, waren allerdings Hornhechte. „Diese Alulatten mit den grünen Gräten kommen mir nicht an Bord!“ Mit Hornhechten wollte Sven nichts zu tun haben. Eigentlich schade, denn der „Ostsee-Marlin“ ist ein sehr leckerer, interessanter Fisch.
Schleppangeln kann sehr zäh und eintönig sein. Wenn die Angeln erst mal ausgelegt sind, tuckert man im Spaziergängertempo kreuz und quer übers Meer und hat erst mal nicht viel zu tun. Bei uns tat sich zwei Stunden lang rein gar nichts. Wir dösten so vor uns hin.
Surrrrrrrr! Plötzlich waren alle hellwach. Dieses Geräusch der Bremse an der Multirolle, wenn plötzlich Schnur abgezogen wird, ist der Weckruf aller Schleppangler.
„Heinz, schnapp dir die Rute!“ Hektik an Bord. Ich stolpere über das Deck, greife die Angel und versuche zu kurbeln. Vergebens. In Sekundenschnelle hatte der Fisch 100 Meter Schnur von der Rolle gezogen. Und er kämpfte weiter. 137 Meter. Die Anzeige auf der Rolle lügt nicht. Noch hatte ich Reserven, 400 Meter Schnur waren insgesamt auf der Rolle. Sven drehte die Bremse etwas fester. Teamwork. Nützte auch nichts. 140 Meter. Das musste ein Riesenlachs sein. „Das ist normal. Ich kenne die Burschen.“ Sven hielt das Boot auf Kurs und fieberte mit mir, ich spürte aber keinen Widerstand mehr. Schwamm mir der Lachs entgegen? Auch das kommt vor. Nein, er war weg, ein Aussteiger. Horst tröstete mich: „Da kannst du gar nichts machen. Auf der Schnur ist so ein enormer Druck. Wenn der Haken nicht richtig sitzt, hast du keine Chance.“
Eine halbe Stunde später wieder ein Biss. Nicht so kräftig, aber auch ein guter Fisch. Das erkennt Sven schon am Surren der Bremse und an der Biegung der Rute. Und tatsächlich: Nach kurzem Drill zeigte sich eine Meerforelle hinter dem Heck. Eine Meerforelle? Jaaaa!!! Ausgerechnet als wir die Angeltour schon beenden wollen, fangen wir den Fisch, auf den wir so lange gewartet haben. Besser hätte der Tag nicht enden können. Horst blieb sachlich: „Als Speisefisch wesentlich leckerer als ein Lachs.“ Trockener hätte man den Fang nicht kommentieren können.
Es war ein Prachtexemplar, 70 Zentimeter lang. Die leicht eingekerbte Schwanzflosse war eigentlich ein Merkmal für einen Lachs – aber egal, auch der hätte das Mindestmaß um zwei Zentimeter überschritten.
Mit den Mindestmaßen ist das ja so eine Sache. Ein paar Kilometer weiter Richtung Westen in Schleswig-Holstein müssen die Meerforellen nur 40 statt 45 Zentimeter lang sein. Fischereirecht ist Landesrecht. Verrückt! Ich finde, dass es länderübergreifende Regelungen geben sollte. Eine Meerforelle von 40 Zentimetern hat mit großer Wahrscheinlichkeit noch nie an einer Laichwanderung teilgenommen. Und diese Chance sollte jeder Fisch einmal haben.
Meerforellen haben mich schon immer fasziniert. Es sind Fische, die nach der Geburt in einem Kiesbett ihre Kindheit und Jugend im Süßwasser verbringen. Nach etwa zwei bis drei Jahren wandern sie ins Meer, sind dann etwa 20 Zentimeter lang. Im Salzwasser nehmen sie ihre typische silberblanke Färbung an. Als Grönländer bezeichnet man junge Meerforellen, die ihre ersten Jahre im Meer verbringen und noch nicht an einer Laichwanderung zurück zum Ort ihrer Geburt teilgenommen haben. Es kann vorkommen, dass Meerforellen erst nach vier Jahren mit einer Länge von 60 Zentimetern zum ersten Mal den Drang verspüren, sich fortzupflanzen. Dann steigen sie ähnlich wie die Lachse genau in den Fluss wieder ein, aus dem sie als kleine Forelle mal gekommen sind, orientieren sich dabei am Geschmack des Wassers. Die ersten erreichen ihre Laichgebiete Ende Oktober. Dann schließt sich der Kreis. Am Ort ihrer Geburt suchen sie sich einen Partner, um für Nachwuchs zu sorgen. Die Meerforellenweibchen schlagen mit ihrer Schwanzflosse bis zu zwei Meter lange Laichgruben in das kiesige Bachbett. Unter den Männchen, den Milchnern, beginnt der Kampf um die mit Tausenden Eiern prall gefüllten Meerforellendamen. Dabei fügen sich die Meerforellenmänner sogar Verletzungen zu. Pro Kilogramm Körpergewicht können die Weibchen bis zu 2000 Eier ablegen, die dann sofort von den Männchen befruchtet werden. Unmittelbar danach schaufelt das Weibchen gleich wieder Kieselsteine über die Eier. In diesem mit sauerstoffreichem Wasser durchfluteten Kiesbett verbleiben die etwa fünf Millimeter großen Eier je nach Wassertemperatur bis April. Dann schlüpfen die Jungfische und das abenteuerliche Meerforellenleben beginnt.
In Mecklenburg-Vorpommern gab es zu DDR-Zeiten nur zwei kleine Bäche, in denen sich Meerforellen fortgepflanzt haben. Wehre und Staustufen versperrten den Weg zu den Laichgebieten. Dank des Baus von Fischtreppen und eines umfangreichen Meerforellenbesatzprogramms hat sich der Bestand wieder erheblich verbessert. Heute gibt es etwa 50 Gewässer, in denen die Meerforellen wieder heimisch geworden sind. Sogar Lachse haben mittlerweile den Weg zurück in die Warnow gefunden.