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Ende der Schonzeit

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Solange ich denken kann, gibt es am 1. Mai nur ein Thema: Hecht! An diesem Tag des Jahres endet die Schonzeit.

Opa besaß vier Angelruten: Eine Stipprute aus Bambus für Köderfische, eine Makrelenangel, eine Aalrute mit einer uralten Nottingham-Holzrolle und eine Hechtrute. Diese Angel hat mich immer am meisten fasziniert. So eine wollte ich später auch mal haben! Sie kam am 1. Mai zum Einsatz.

Es war eine Rute aus Glasfaser mit Stationärrolle, die immer etwas quietschte, ausgerüstet mit 40er-Angelsehne, einer roten Hechtpose aus Kork, so groß wie ein Frühstücksei, darunter eine Bleikugel, dann ein Tönnchenwirbel mit Karabiner und darunter ein Stahlvorfach mit Drilling.

Ganz wichtig beim Hechtangeln: Immer den Bügel der Angelrolle aufgeklappt lassen, damit der Hecht, wenn er ruckartig die Schnur von der Rolle zieht, keinen Widerstand spürt. Das habe ich schon als kleiner Junge von Opa Richard gelernt.

Immer, wenn wir uns durch den sumpfigen Erlenbruchwald an unseren Angelplatz heranpirschten, war die bange Frage: Ist schon ein anderer Angler da? Gerade am 1. Mai sind die besten Plätze schon früh besetzt.

Diesmal hatten wir Glück: Nur eine leere Schachtel Juno und zwei in den Sumpfboden gesteckte Astgabeln erinnerten daran, dass Kannengießer erst kürzlich hier seine Ruten in Position gebracht hatte.

Fast jeder Angler nimmt immer seine eigenen, selbst geschnitzten Astgabeln als Rutenhalter. Die meisten verstecken die Stöcke ganz in der Nähe vom Angelplatz, um sie nicht jedes Mal mitschleppen zu müssen. Ich mache das auch so. Wenn man lange nicht da war, kann es passieren, dass der Weidenstock schon wieder Wurzeln geschlagen hat.

Opas Hechtangel hatte schon einige Belastungstests hinter sich. In den 1950er-Jahren ist er im Ratzeburger See sogar mit ihr baden gegangen, um einen 15-Pfünder ans Ufer zu drillen. Für einen großen Fisch wird fast alles riskiert.

Inzwischen hatte ich schon das erste Rotauge verhaftet. Der Fisch harrte seines weiteren Schicksals in einem mit frischem Wasser gefüllten Marmeladeneimer. Die gute Schwartauer Marmelade gab es damals in Fünf-Liter-Blecheimern, der ideale Köderfischeimer. Nach einer halben Stunde hatten wir genug kleine Rotaugen. Opa warf mit elegantem Schwung die Hechtangel aus: Platsch! Langsam bewegte sich die Pose. „Der läuft gut“ – mein Opa war zufrieden. So ein kleines Rotauge ist natürlich nicht kräftig genug, um die dicke Korkpose unter Wasser zu ziehen. Das schafft nur der Hecht. Wir angelten immer so. Erst später, als mein Opa schon lange tot war, wurde das Fischereigesetz geändert. Seit Ende der 1980er-Jahre ist es verboten, mit lebendem Köderfisch zu angeln. In den USA ist live bait – lebender Köderfisch – bis heute erlaubt, es gibt sogar Bait & Tackle Shops, in denen man lebende Köder kaufen kann.

Mittlerweile war es 8:00 Uhr. Zwei Stunden waren wir nun schon am Wasser. Die Sonne schien uns ins Gesicht, in der Ferne hörten wir einen Kuckuck rufen und in der Flussmitte ging gerade ein Haubentaucher auf Tauchstation. Opa hatte sich gerade die zweite Weiße Eule angesteckt, als er mich mit dem Ellenbogen anstupste: „Heinzi, die Tucke ist weg!“ Im gleichen Moment sprang die Schnur von der Rolle. Zum Glück war der Bügel aufgeklappt. Der Fisch nahm Schnur. Für Opa war klar: Es konnte nur ein Hecht sein. Knapp unter der Wasseroberfläche sahen wir die rote Korkpose zügig davonziehen. „Ich gebe ihm noch ein paar Sekunden.“

Jetzt kam der alles entscheidende Moment. Vorsichtig griff Opa die Rute, klappte den Bügel um, immer den Blick aufs Wasser gerichtet. Ein paar vorsichtige Umdrehungen und dann: Anhieb! An der Biegung der Rute erkannten wir: Das war kein kleiner Hecht! Nach ein paar Fluchten zeigte er sich kurz vor der Schilfkante an der Wasseroberfläche. Der sitzt! Langsam und immer die Rute auf Spannung haltend dirigierte Opa den Fisch ins flache Wasser am Ufer. Dann griff er mit der linken Hand zum Kescher und mit der rechten zog er ihn ins Netz. „Der hat gute fünf Pfund“, schätzte er, „Oma wird sich freuen.“ Das Beste: Das Rotauge, mit dem Opa den Hecht geködert hatte, hatte ich mit meiner kleinen Weidenrute gefangen. Ich strahlte meinen Opa an. Wir waren ein gutes Team.

Rute raus, der Spaß beginnt

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