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Aale auf der Reeperbahn nachmittags um halb drei

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Wenn man schon mal in Hamburg ist, kann man ja auch mal einen Schwenk über die Reeperbahn machen. Mit Rucksack, Rute und Rolle schlenderte ich über die geile Meile. „Kann man hier irgendwo angeln?“ Allein diese Frage war schon absurd. Aber ich dachte mir, fragst du doch mal den breitschultrigen Mann mit Lederweste, der vor einem Tanzlokal die Passanten anlockt. „Na klar, min Jung, da muss du weiter hochgehen und dann die Davidstraße rechts runter Richtung Landungsbrücken.“

Dort wollte ich Aal angeln. An einer Stelle, wo die Fähren an- und ablegten. Verrückt? Nein, hier soll tatsächlich einer der besten Plätze für Aale sein, denn immer, wenn eine Fähre ablegt, wird der Boden aufgewühlt und so Nahrung freigespült. In den meisten Gewässern sind Aale überwiegend nachtaktiv, in der Elbe ist das anders. Durch Ebbe und Flut und Schiffsverkehr ist hier ständig Bewegung. Gerade hatte die legendäre Linie 62 nach Finkenwerder festgemacht, nach fünf Minuten der erste Biss. Aber nichts dran. Der Haken blank, der Wurm abgefressen. Das kommt beim Aalangeln häufiger vor. Ich wechselte an die der Kaimauer zugewandte Seite des Docks. Zwischen Barkassen-Meyer und Kapitän Prüsse war das Wasser deutlich ruhiger. Wenn ich Aal wäre, würde ich genau hier auf Beute lauern, die von den Imbissbuden regelmäßig ins Wasser fällt. Denken wie ein Fisch!

Ich ließ meinen Köder, einen Tauwurm, direkt vor dem Heck der Feine Deern langsam in die Tiefe sinken, hielt die Schnur auf Spannung und beobachtete die Rutenspitze. Nach ein paar Minuten begann sie zu zucken, erst zaghaft, dann immer heftiger. Wenn es ein Aal war, würde er gleich richtig zupacken. Und tatsächlich: Zack! Die Rutenspitze ging nach unten. Anhieb! Ich hatte einen Aal, fast 60 Zentimeter lang, am Haken.

Doch Vorsicht, große Aale, gerade die, die hier im Hamburger Hafen geangelt werden, können mit Schadstoffen belastet sein. Untersuchungen des Thünen-Instituts belegen, dass die Werte für PCBs (Dioxine) bei vielen Aalen über dem gesetzlichen Höchstwert für den menschlichen Konsum liegen. Das hat einerseits mit der Lebensweise am Gewässergrund zu tun: Aale sind Allesfresser und nehmen, was sie kriegen können. Andererseits mit dem hohen Fettgehalt des Aals: Schadstoffe lagern sich vor allem im Fettgewebe ab.

Ein weiteres großes Problem: Patient Aal steht auf der Roten Liste und wird als „gefährdete Fischart“ geführt. Diagnose schwierig, denn aus wissenschaftlicher Sicht ist es bis heute nicht möglich, einen Hauptgrund zu benennen, der allein verantwortlich für den starken Rückgang des Aalbestandes ist. Die Zahlen sind alarmierend: Seit den 1970er-Jahren ist die Zahl der Glasaale, die an den europäischen Küsten ankommen, um 95 Prozent zurückgegangen. Im Bereich der Nordsee sogar um 98 Prozent! Aber woran liegt das? Die Aalexperten stehen vor einem Rätsel. Forschen seit 2009 intensiv in der Sargassosee, der Wiege der Aale, ein Gebiet so groß wie Mitteleuropa. Noch nie ist es ihnen gelungen, einen laichenden Aal zu beobachten. Es gibt noch zu viele ungelöste Fragen zum Lebenszyklus des Aals. Und gerade das macht diesen Fisch so besonders.

Neben der Umweltverschmutzung und Fischerei sind auch Wasserkraftwerke mit ihren Turbinen tödliche Fallen für die schlangenartigen Fische. Auch der illegale Handel mit Glasaalen ist ein großes Problem. In einem Bericht von Interpol ist von bis zu 100 Tonnen Glasaalen die Rede, die jährlich illegal nach Asien exportiert werden. Hier gelten die etwa Streichholz großen Fische als Delikatesse und werden wie Drogen gehandelt.

Es gibt eine regelrechte Aal-Mafia. Im April 2018 wurden von der spanischen Polizei 460 Kilogramm Glasaale beschlagnahmt, die in Koffern und Frachtbehältern nach Asien geschmuggelt werden sollten. Marktwert rund 16 Millionen Euro.

Wie kann man den Dauerpatienten Aal noch retten? Wenn es nach den Wissenschaftlern geht, wäre ein totales Aalfangverbot, etwa für fünf Jahre, die einzige Therapie. Verbunden mit einer Entschädigung für die Fischer. Was das Hamburger Original „Aale-Dieter“ wohl dazu sagen würde …?

Angeltechnisch bietet der Hamburger Hafen zahlreiche Überraschungen. Einer der schönsten Angelplätze liegt gleich neben dem über 100 Jahre alten Dampfschiff Schaarhörn. Von hier aus bietet sich ein herrlicher Blick auf St. Pauli, die Landungsbrücken und die Elbphilharmonie. Auch hier hatte ich Glück und fing von Land aus zwar keinen Aal, aber dicke Brassen und sogar einen Elbbutt.

Rute raus, der Spaß beginnt

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