Читать книгу Als Lehrer in Gotha/Thüringen 1950–1990 - Heinz Scholz - Страница 17
Vorbereitung eines Schuljahres
ОглавлениеAus dem, was ich eben berichtet habe, ist zu ersehen, dass wir Lehrer während der Sommerferien zur Realisierung und Gestaltung der Ferienaktion eingesetzt wurden. Darüber hinaus waren wir verpflichtet, auch an Weiterbildungslehrgängen teilzunehmen. Von der achtwöchigen Ferienzeit blieben mir meist nur vier Ferienwochen, denn zu Beginn der letzten Ferienwoche, Ende August, in der so genannten „Vorbereitungswoche“, hatten wir uns wieder in der Schule einzufinden. Das Lehrerkollegium hatte die Aufgabe, das neue Schuljahr organisatorisch und inhaltlich vorzubereiten. Als Auftakt dazu diente damals eine ganztägige Kreislehrerkonferenz in der Stadthalle zu Gotha, in der wir einen zweistündigen Vortrag des Schulrates und anschließend das ergänzende Referat eines führenden Genossen der SED-Kreisleitung über uns ergehen lassen mussten. Vollgepackt mit aktuell politischen Themen und propagandistischen Tiraden neuester Ausgabe wurden den 900 Lehrern des Kreises die Hauptziele der „politisch-ideologischen Erziehungsarbeit“ für das kommende Schuljahr ausführlich und weisungsgerecht dargelegt. Am Nachmittag folgten dann die so genannten Diskussionsbeiträge. Dazu bestellte Lehrer traten ans Rednerpult, um in gleicher Parteisprache die hohe schulpolitische Bedeutung der am Vormittag verkündeten Reden und Ziele zu „untermauern“ und ihre Zustimmung zu versichern. Nur ganz vereinzelt kam es vor, dass ein gestandener, kluger bzw. schlauer Genosse es vermochte, am Rande seiner Diskussionsrede, geschickt balancierend, auch auf ein „Problem“ hinzuweisen. Aber ich habe heute noch im Ohr, wie ein eifernder Genosse, ausgerechnet ein Oberschullehrer, zum Thema „Förderung der Arbeiter- und Bauernkinder“, zum Abschluss seiner Rede – gegen alle geheimen Zweifler – laut in den Saal rief: „Und, Genossen, Kollegen, es gibt keine dummen Kinder!“
Diese Kreislehrerkonferenzen wirkten belastend und waren unergiebig. Sie nahmen mir die in den Ferien wieder gestärkte Lust auf Schule und Kinder. So eine Tagung, die uns Lehrer hätte bereichern und optimistisch stimmen sollen, wirkte wie eine endlose politische niederdrückende Vergatterung. Für jeden wurde deutlich, man wollte uns nach privater Ferienzeit gleich wieder daran erinnern und erneut zeigen, wo der politische Hammer hängt.
So einem politischen Befehlsempfang folgend, mussten wir in den Tagen darauf in der Schule, zunächst in der Parteiversammlung, dann im „Pädagogischen Rat“, den Arbeitsplan für die „Bildung und Erziehung im neuen Schuljahr“ erstellen, in welchem das Kapitel „Politisch-ideologische Arbeit“ an erster Stelle ausführlich dargestellt werden musste. Diesem Arbeitsplan der Schule wiederum folgend, hatte jeder Klassenlehrer dann seinen „Klassenleiterplan“ mit gleichlautenden Schwerpunkten auszuarbeiten, der zwei Wochen später dem Schuldirektor zur Kontrolle vorgelegt werden musste.
Hinzu kam in jenen Jahren, dass wir Lehrer während der Vorbereitungswoche dazu verpflichtet wurden, an einem Tag in einem der benachbarten Dörfer einen Ernteeinsatz zu leisten.
Meistens mussten wir helfen, die Getreideernte einzubringen. Einmal – ich erinnere mich – stand ich in Siebleben oben auf der Dreschmaschine und musste dem Drescher die Weizengarben zureichen. Ich erinnere mich auch, dass unser Kollegium zu Bauern in Leina zur Erntehilfe geschickt worden war.
So blieb in so einer Vorbereitungswoche nicht viel Zeit übrig für die wirklich notwendige persönliche Planung und Vorbereitung des Unterrichts in den einzelnen Fächern und für die persönliche pädagogische Arbeit mit der eigenen Klasse. – Wir hatten wieder einmal – wie in fast jeder Vorbereitungswoche damals – viel „leeres Stroh dreschen“ müssen!