Читать книгу Als Lehrer in Gotha/Thüringen 1950–1990 - Heinz Scholz - Страница 24

Neue Aufgaben und Probleme

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Nun habe ich mich natürlich nicht nur mit der großen Politik befasst. Die anstrengende tägliche Arbeit und das persönliche, familiäre Leben nahmen mich ja voll in Anspruch. Vor allem die Schule, sie verlangte meinen vollen Einsatz.

Eine ganz spezielle Aufgabe, der ich mich im Frühjahr 1958 mit persönlichem Einsatz widmete, war die Planung und Vorbereitung eines schuleigenen Ferienlagers in den Sommerferien. Unser Pionierleiter, Elmar, ein rühriger und ideenreicher junger Mann, und ich als stellvertretender Schulleiter, wir hatten uns dieses Projekt ausgedacht und dann auf den Weg gebracht. Wir wollten ein schuleigenes Lager, ein möglichst unabhängiges Ferienlager für Kinder unserer Löfflerschule, einrichten und nach unseren Vorstellungen gestalten. Wie wir darauf kamen, soll kurz gesagt sein:


Mit meiner Klasse 1958.

Die an der Schule von Zeit zu Zeit üblichen Altstoffsammlungen (Altmetall, Papier, Glas u. Alttextilien) hatte unser Pionierleiter mit seiner Aktivität und durch gute Motivierung der Schüler (der Pioniere) zweimal zu einem herausragenden Ergebnis geführt. Wir wurden „Erste“ im Vergleich mit anderen Schulen und erhielten jedes Mal eine Prämie in Form einer beachtlichen Geldsumme. Dieses Geld sollte dem „Pionierverband“ unserer Schule zugute kommen. Also schlug Elmar vor: Wir kaufen Zelte! Das war damals nicht so einfach. Man musste sie bestellen, irgendwie über die Pionierorganisation des Kreises. Das dauerte alles seine Zeit, aber es gelang. So zeigte er mir eines Tages stolz die fünf erworbenen 4 – 5-Mann-Zelte. „Da können wir doch ein schuleigenes Zeltlager aufmachen, in den Sommerferien!“ – das war mein Vorschlag. Und das nahmen wir dann mit großem Eifer im Frühjahr in Angriff, denn es reizte uns beide sehr, ohne staatliche Anweisung und abseits von obligatorischen Ferieneinrichtungen etwas Eigenes, Löfflerschultypisches auf die Beine zu stellen.

Nach einigen Erkundungen fanden wir bei Tambach-Dietharz in der Nähe eines kleinen Quellbaches auf der „Kniewiese“ einen geeigneten Platz für unser Zeltlager. Der Revierförster stimmte zu. Unser RAW-Patenbetrieb half uns mit Material, schickte uns Betriebshandwerker, die im angrenzenden Waldrandbereich eine einfache Bretterbude mit einer „vorschriftsmäßigen“ Toilette bauten, in der Mitte des Lagerplatzes Holztische und Bänke aufstellten und eine Fahnenstange errichteten. Der Chef des nahen Betriebsferienheims „Rodebachsmühle“ sagte zu, unsere Lagerkinder gegen einen angemessenen Preis täglich mit Mittagessen zu versorgen.

Bis zu Beginn der Sommerferien 1958 hatten wir es geschafft: Rund um ein größeres Tageszelt standen vier kleine Zelte mit 20 Schlafplätzen und ein Zelt für die Lagerleitung. Der Lagerleiter, fürs erste unser Elmar, und zwei Helferinnen für Küche und sonstige Betreuung eröffneten den ersten 14-tägigen Durchgang. Diesem folgten im Laufe der großen Sommerferien noch zwei Durchgänge mit je 20 Schülern, meistens aus den Klassen 5 – 7. Die sanitären und allgemeinen Bedingungen im Lager waren zwar etwas dürftig, aber das störte damals die Kinder und auch uns Erwachsene nicht so sehr. Für Essen war gesorgt. Ansonsten war man anspruchslos und gab sich mit dem Allernötigsten zufrieden. Dafür bot das Tagesprogramm interessante Freizeitbeschäftigungen mit Sport und Spiel, mit Baden in nahen Schwimmbädern und mit Ausflügen und heimatkundlichen Exkursionen rundum in den Thüringer Wald. Da wehte in der Mitte des Lagers natürlich der Wimpel der Jungen Pioniere, der den Charakter eines Pionierlagers legitimierte, doch die ganze Lagergestaltung und der Tagesablauf verliefen unpolitisch und freizügig – fast demokratisch! Natürlich mussten Regeln für Ordnung und Sauberkeit eingehalten werden, doch die sonst übliche militante Lagerordnung brauchten wir nicht. Wir legten Wert darauf, dass die Kinder durch sinnvolle Beschäftigungen, interessante Erlebnisse und gesunde Bewegung inmitten der Natur wirklich frohe Ferientage verleben konnten.

Schüler, Lehrer, Schulleitung und Pionierleiter waren sich am Ende des Feriensommers sicher: Das war eine gute Sache, dieses schuleigene Ferienlager werden wir nächstes Jahr wiederholen und einiges dabei noch verbessern. Elmar und ich, wir zwei Macher, waren ein bisschen stolz auf unser kleines Ferienlager. An der Resonanz bei den teilnehmenden Jungen und Mädchen hatten wir sehen können, dass wir diesen Kindern unserer Schule ein schönes und sinnvolles Ferienerlebnis ermöglicht hatten.

Ich müsste noch vermerken, dass ich in diesen Sommerferien 1958 mit meiner 8. Klasse für 8 Tage ins Erzgebirge gefahren bin. Auch das war schön. Ich sah mich, wenn ich mit meinen Schülern in den Ferien unterwegs war, auf dem richtigen Wege!

Im Schuljahr 1957/​58 wurde laut staatlicher Anweisung an unserer Schule erstmalig die Jugendweihe in den Plan für die politisch-ideologische Arbeit aufgenommen.

Das hieß, wir Lehrer sollten werbend „überzeugen“, dass es richtiger sei und einer sozialistischen Gesinnung entspräche, wenn man als Vierzehnjährige/​r anstelle einer christlichen Konfirmation die religionsfreie Jugendweihe feiere. Wir Lehrer/​innen – so wurde uns gesagt – hätten zwar mit der Organisation und Durchführung der Jugendweihe nichts zu tun, das wäre Sache der „demokratischen Organisationen“ in unserem Land, wir könnten oder sollten aber freiwillig mitwirken usw. Und tatsächlich, abgesehen von der geforderten „Überzeugungsarbeit“, wurden wir Lehrer/​innen im ersten Jahr nicht in die Pflicht genommen Es hatten sich zu Beginn auch nur wenige der Schüler freiwillig bereit erklärt.

Gegen die bald „revolutionär“ einsetzende Jugendweihe-Kampagne wehrte sich nun die Kirche mit aller Entschiedenheit. Unsere evangelischen Pfarrer sagten mit aller Deutlichkeit: entweder Konfirmation oder Jugendweihe, beides könne die Kirche nicht akzeptieren. So ergab sich zum ersten Mal seit 1952/​53 ein neuer Kampf zwischen Kirche und Staatspartei und manche Eltern gerieten in Zwiespalt.

Fürs erste standen wir Lehrer mehr oder weniger außerhalb des Kampffeldes. Aber das sollte sich ändern, als sich herausstellte, dass die Kampfaktion „Jugendweihe“ von den „demokratischen Organisationen“ allein nicht geleistet werden konnte. Wie in den folgenden Jahren die Schulen und die Lehrer verpflichtet wurden, die Vorbereitung und Durchführung der Jugendweihe zu realisieren, darauf gehe ich später ein.

Auch die Einführung des Polytechnischen Unterrichts, eine weitere Neuerung im Schulwesen der DDR 1958/​59, bereitete uns erhebliche Probleme. Gemäß einem veränderten Lehrplan wurde zu Beginn des Schuljahres der „Unterrichtstag in der sozialistischen Produktion“ eingeführt. Anfangs waren es die 7. Klassen unserer Schule, die im VEB Gummiwerk Gotha in das neue Unterrichtsfach UTP/​ESP eingeführt werden sollten und dazu an einem Tag in der Woche in diesem volkseigenen Betrieb vier Stunden Unterricht hatten.

Im UTP (Unterricht in der sozialistischen Produktion) sollten die Mädchen und Jungen an ausgewählten, möglichst geeigneten Arbeitsplätzen im Betrieb zur praktischen Arbeit angeleitet werden.

In ESP (Einführung in die sozialistische Produktion) war zunächst ein Lehrausbilder oder Fachmann des Betriebes eingesetzt. Er hatte die Schüler/​innen in einem dafür notdürftig hergerichteten Unterrichtsraum theoretisch zu unterweisen.

Als begleitender Lehrer von der Schule war ich anfangs nur für Aufsicht und Sicherheit verantwortlich. Zu diesem Unterrichtsdienst in einem Produktionsbetrieb wurden vorzugsweise Lehrer eingesetzt, die wie ich über eine frühere technische Berufsausbildung verfügten. So gehörte ich als ehemals gelernter Mechaniker mit zu den Lehrern, die laut Stundenplan einmal in der Woche mit einer Klasse in einen volkseigenen Betrieb geschickt wurden. Trotz technischer Grundkenntnisse fühlte ich mich als verantwortlicher Lehrer unsicher, weil ich die Strukturen und die daraus resultierenden Probleme in solch einem Produktionsbetrieb nicht genau kannte. Besonders schwierig erschien mir, in den jeweiligen Produktionsstrecken geeignete Arbeitsplätze für Schüler auszuwählen und einzurichten. Grundsätzlich fehlte es bei den Verantwortlichen im Betrieb wie bei uns Lehrern an Erfahrung. Es hätte im Voraus eine sorgfältige Planung und Vorbereitung dieses praktischen Unterrichtsbetriebes erfolgen müssen. Diese Einführung des Unterrichts in der Produktion kam zu schnell. Ich hielt auch das Gothaer Gummiwerk für den praktischen Arbeitseinsatz von Schülern als ungeeignet, hauptsächlich aus Sicherheitsgründen.

Erst später, in den 60er Jahren, als gut ausgestattete Lehrwerkstätten und Unterrichtsräume in den Betrieben geschaffen waren, auch ausgebildete Lehrausbilder und Fachlehrer die Ausbildung und den Einsatz im Produktionsprozess des Betriebes leiteten, konnte man von einem sinnvollen und erfolgreichen produktionsverbundenen Unterricht sprechen.

Ich hielt trotz der Schwierigkeiten in der Anfangsphase des UTP-Unterrichts die Verbindung von Schule und Produktion grundsätzlich für sinnvoll. Es schien mir nützlich für Jungen wie für Mädchen, wenn sie über die theoretische Wissensvermittlung in der Schule hinaus mit Grundkenntnissen und Erfahrungen in technischer, praktisch produzierender Arbeit vertraut gemacht werden. Ich betrachtete den Unterricht in praktischer Produktion als notwendig für eine zeitgemäße Allgemeinbildung, vorteilhaft für die Gewinnung sozialer Erfahrungen und förderlich für die Berufsorientierung junger Menschen.

Dass ich selbst als (Neu)Lehrer über eine vorausgegangene Berufserfahrung in technischer Produktion verfügte, habe ich stets als einen Vorteil in meiner Arbeit als Lehrer verstanden!

Ein Schulhort für unsere Löfflerschule

In jener Zeit versuchte die SED-Staatsführung – wohl zum Ausgleich für den wieder verschärften Druck des Regimes – die Bevölkerung mit einigen sozialen Maßnahmen und Verbesserungen zufrieden zu stellen. Im Mai 1958 wurden die letzten Lebensmittelkarten (der Nachkriegszeit) aufgehoben. Das von der Partei beschlossene Wohnungsbauprogramm zeitigte die ersten sichtbaren Erfolge. Neue Ferienheime der Gewerkschaft konnten vorgezeigt und von „Bestarbeitern“ genutzt werden. Und man förderte verstärkt den Bau bzw. die Einrichtung von Kindergärten und Schulhorten. Letzteres mit dem Ziel, die Ganztagsbetreuung bedürftiger Schüler zu sichern.

So wurde auch in unserer Schule darüber nachgedacht, für die Schüler der Unterstufe einen Schulhort einzurichten. Im eigenen Schulgebäude sah die Schulleitung keine Möglichkeit zum Ausbau von Räumen für einen Schulhort. Nach eingehender Beratung mit sachverständigen Eltern entstand dann folgender Plan:

Im städtischen Gelände des benachbarten Schulgartens stand ein altes massiv gebautes, aber baufälliges ehemaliges Garten- bzw. Sommerhaus. Dieses Gartenhaus sollte – gemäß dem Plan – stabil ausgebaut und durch einen Anbau erweitert werden, so dass darin drei Gruppenräume mit Wasch- und Toilettenräumen Platz fänden. Dieses Projekt entsprach damaligen Minimalanforderungen – räumlich und hygienisch. Ein Vorteil war der günstige Standort: Das umliegende Gartengelände bot genügend Raum und Fläche für die Beschäftigung der Kinder im Freien.

Die Schulverwaltung der Stadt befürwortete Ausbau und Einrichtung dieses Schulhortes, allerdings – wie das so üblich war – unter der Bedingung hoher Eigenleistungen. Aus der Elternschaft gewannen wir zwei Bauingenieure, Herrn Carius und Herrn Lorenz, die das Bauprojekt unentgeltlich erarbeiteten und im weiteren Verlauf die Bauarbeiten leiteten. Die Ausschachtungsarbeiten für Wasser- und Stromleitungen vom Schulgebäude bis zum künftigen Hortgebäude mussten von der Schule im „Nationalen Aufbauwerk“ freiwillig geleistet und organisiert werden. Im Frühjahr dann, an mehreren Wochenenden, hatten Lehrer, Eltern und ältere Schüler in schwerer Handarbeit die Gräben ausgehoben und nach dem Verlegen der Leitungen durch Fachleute die Gräben wieder zugeschüttet. Der Patenbetrieb hatte mit Gerätschaften und einigen Helfern zum Gelingen des Ganzen beigetragen. – Nach Fertigstellung des Schulhortes wurden zwei Horterzieherinnen eingestellt, und zu Beginn des Schuljahres 1958/​59 konnte der Hortbetrieb aufgenommen werden. Ich wusste damals, im Herbst 1958, noch nicht, dass dieses so aufwendig erarbeitete, gelungene, nützliche Gemeinschaftsprojekt unserer Schule schon nach einem Jahr so gänzlich seinen Sinn verlieren würde!

Als Lehrer in Gotha/Thüringen 1950–1990

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