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Ferment, Komposition und vieles mehr
ОглавлениеMöglich, dass uns das Thema »Freundschaft« auch wegen der Vielfalt seiner Aspekte und Perspektiven besonders fasziniert. Im Alltag ereignet sie sich jedoch als ein komplexes Ganzes. Der Titel der Einleitung enthält bezeichnenderweise noch die Bezeichnung »Ferment« – Ferment als ein Element, das antreibt, inspiriert und verwandelt. Der Begriff stammt bekanntlich aus dem Bereich der Natur und der Naturwissenschaft. Man kann das Thema »Freundschaft« indessen auch mit Bildern aus einem ganz anderen Bereich anschaulich machen: dem Bereich der Musik, insbesondere mit der Metapher »Komposition«. Am Beispiel einer »Symphonie« etwa mag einem aufgehen, was alles dazu beiträgt, eine Freundschaft zum Schwingen zu bringen: das Instrument und die Kunst der Musiker, die Harmonie und die Melodie, die Akustik und die Lautstärke, die Klangfarbe und die Tonart, der Rhythmus und der Takt – und dergleichen mehr. Es ist – mit anderen Worten – das Allegro und Vivace, Adagio und Con moto, das Forte und Furioso, Amoroso und das Dolce, das Dur und das Moll und all das Andere auch, was das Besondere, das Flair und das Timbre einer Freundschaft je und je ausmacht.
Der vorliegende Band – bleibt man im Duktus dieser Bilder – ist wie eine »Symphonie« konzipiert, als »Komposition« sozusagen, ein »Zusammenspiel« unterschiedlicher Sichtweisen, Themen und Hintergründe, die auch in den sieben Abschnitten des Buches zum Ausdruck kommen: hermeneutisch und historisch, persönlich und kulturell, ökologisch, religiös und poetisch. Der Begriff »Freundschaft« wird demzufolge nicht auf den personalen Bereich beschränkt, sondern bewusst weit gefasst: unter Einbezug vergangener Epochen, geschichtlicher und fiktiver Gestalten, Natur und Umwelt, Kultur und Sozialisation, Religion und Literatur. Die vorliegenden Beiträge verstehen sich – so gesehen – nicht in erster Linie als Dokumente eigenen Erlebens, sondern – je nach ihrer literarischen Gattung – weit mehr als Erträge und Entwürfe der Autorinnen und Autoren von dem, was ihnen im Blick auf diese zeitübergreifende Thematik von Bedeutung erscheint. Viele Beiträge lesen sich denn auch wie Vermächtnisse an kommende Generationen.
Ich danke allen Autorinnen und Autoren sehr herzlich für ihre Bereitschaft und für alle Mühe, mit der sie zu diesem Band einen Beitrag eigener Wahl und eigenen Formates beigesteuert haben. Sie haben auf diese Weise einen hohen Anteil an seiner Gestaltung und seinem Gelingen.
In gleicher Weise danke ich der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, insbesondere ihrem Lektor Dr. Jens Seeling, sehr herzlich für ihr und sein spontanes Interesse an dem Projekt, seine unkomplizierte Aufnahme in das Verlagsprogramm der WBG – und nicht zuletzt für den vorbildlichen Stil im Umgang mit dem Herausgeber und den Autoren.
Schließlich danke ich den Schriftstellerinnen Dagmar Nick (München), Eva Zeller (Berlin) und dem Schriftsteller Arnim Juhre (Wuppertal) vielmals für ihre freundschaftliche Verbundenheit über viele Jahre wie für ihre fachliche Begleitung vor und während der Entstehung dieses Buches.
Roland Peter Litzenburger hat – wie erwähnt – in einem seiner Bände die Frage aufgeworfen: »Wer bin ich, wenn mich niemand anschaut?« Es ist das zweifellos eine der großen Fragen an die Menschen aller Zeiten – zumal die Menschen unserer Zeit. Vielleicht kann die vorliegende Anthologie in ihrer Vielfalt ein wenig dazu beitragen, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Jedenfalls ist es nicht ausgeschlossen, sich gerade bei einer intensiveren Beschäftigung mit diesem Thema dessen inne zu werden, welch eminente Bedeutung die Erfahrung von Freundschaft für jeden Menschen hat. Mehr noch. Es erscheint nicht einmal ausgeschlossen, dass sie sogar dazu führt, die Augen zu öffnen und eine Ahnung dafür zu bekommen, was das heißt:
Ich bin wer, wenn mich jemand anschaut. Ich bin wer, weil mich jemand anschaut.
Dies zu wissen und nicht nur zu wissen, wäre ein großes Glück und käme wohl einem Wunder gleich.
»Dass ein anderer Mensch an uns glaubt« – schreibt Max Frisch an einer Stelle – », wenn uns der eigene Glaube zerschlagen ist, und ihn uns wiedergibt, das, dachte ich, wäre … Gnade, unerklärbar wie das Nahen eines Engels …«7
Ich wünsche den Leserinnen und Lesern dieses Buches viel Gewinn bei der Lektüre und gute Freunde in den kommenden Zeiten.
Erlangen, Pfingsten 2014
Richard Riess