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1925 – Adolf Hitler – die Utopie als reale Gewaltherrschaft

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Als menschenverachtende und -vernichtende Programmatik, in Europa eine politische »Utopie« zu verkünden und zu realisieren, kann »Der Weg zum Heil« gesehen werden, wie er in der ideologischen Programmschrift »Mein Kampf« von Adolf Hitler mit dem ersten Band (»Eine Abrechnung«) im Jahr 1925 und dem zweiten Band (»Die nationalsozialistische Bewegung«) zusammengefasst als zweibändige Version ab 1926 im Zentralverlag der NSDAP herausgegeben wurde.

Ziel dieser Schrift war es, dem deutschen Volk einen möglichst überzeugenden Gegenentwurf zum erstarkenden Marxismus zu liefern, im Judentum einen Schuldigen zu propagieren und die NSDAP als politische Organisation sowie Hitler als den idealen Führer von Partei und Volk zu verherrlichen.

Als gemeinsamen Feind der Deutschen stigmatisierte Hitler die Juden im Inneren und die russischen Marxisten im Äußeren, forderte ausdrücklich im Osten neuen Lebensraum für das deutsche Volk, strebte darüber hinausgehend die Weltherrschaft an und propagierte die Abschaffung des Parlamentarismus zugunsten des germanischen Führerstaates, der als einzige Kraft imstande ist, die wahren Interessen der Gemeinschaft des deutschen Volkes zu vertreten.

Der überraschende Erfolg von Adolf Hitler basierte nach dem Zusammenbruch des deutschen Kaiserreiches mit dem Ersten Weltkrieg auf den Folgen der Zerstörung des Landes und des Versailler Vertrages von 1919. Darin hatten die Siegermächte die befristete Besetzung des Reichsgebiets, die enormen Gebietsabtretungen und die immensen Reparationszahlungen des Reichsnachfolgers an die Staaten der Allianz festgeschrieben.

Die im November 1918 ausgerufene »Republik« war wirtschaftlich erheblich geschwächt, litt emotional am Gefühl der Entmachtung und wirtschaftlich unter der aufkommenden Hyperinflation. In dieser Zeit der föderativen Weimarer Republik (1918–1933) stand Deutschland unter der neuen Reichsverfassung und erlebte den Zusammenbruch der New Yorker Börse im Jahr 1929. Die Folge waren massive soziale Verwerfungen durch Wirtschaftsdepression, Massenentlassungen und die damit verbundene schwindende Kaufkraft. Kulturell gesehen breiteten sich avantgardistische Strömungen in Kunst, Film und Unterhaltungsmusik aus, die Hitler als jüdisch geprägte »Entartungserscheinung« sah, der er den Kampf ankündigte.

In seiner politischen Schrift »Mein Kampf« führt Hitler in aller Deutlichkeit und ungeschminkt aus, wie er seine Vision in Realität umsetzen wird: »Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei übernimmt aus dem Grundgedankengang einer allgemeinen völkischen Weltvorstellung die wesentlichen Grundzüge, bildet aus denselben, unter Berücksichtigung der praktischen Wirklichkeit, der Zeit und des vorhandenen Menschenmaterials sowie seiner Schwächen, ein politisches Glaubensbekenntnis, das nun seinerseits in der so ermöglichten straffen organisatorischen Erfassung großer Menschenmassen die Voraussetzung für die siegreiche Durchfechtung dieser Weltanschauung selber schafft.«

Der Aufstieg der NSDAP, die ab 1924 durch Gewaltakte ihrer paramilitärischen Sturmabteilung SA bei der rigorosen Verbreitung ihres Fünfundzwanzig-Punkte-Programms vom 24. Februar 1920 unterstützt wurde, vollzog sich Schritt für Schritt.

Bereits die ersten drei Forderungen dieses Parteiprogramms verdeutlichen, wie die systematische Neugestaltung der deutschen Zukunft ausgelegt war, um wirtschaftliches und zentralistisches Erstarken möglich zu machen. Dort heißt es mit Blick in eine monolithische Sozialutopie der völkischen Weltvorstellung:

1. »Wir fordern den Zusammenschluss aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zu einem Groß-Deutschland.«

2. »Wir fordern die Gleichberechtigung des deutschen Volkes gegenüber den anderen Nationen, Aufhebung der Friedensverträge von Versailles und St. Germain.«

3. »Wir fordern Land und Boden (Kolonien) zur Ernährung unseres Volkes und Ansiedlung unseres Bevölkerungsüberschusses.«

Im vierten Programmpunkt definiert die NSDAP unmissverständlich die Grundlage ihrer Ideologie, den »Staatsbürger« in der deutschen Version als »Volksgenossen«:

4. »Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.«

Gezeichnet ist dieses Programm mit »Adolf Hitler«, der weit vorausschauend plant und bereits im Vorwort des Parteiprogramms die universelle Gültigkeit der Positionen festschreibt: »Die Führer lehnen es ab, nach Erreichung der im Programm aufgestellten Ziele neue aufzustellen.« Damit erfüllt Hitler die Vision einer jeden Utopie, nämlich ein geschlossenes System zu schaffen, das jede Kritik außer Frage stellt und das im Dienst des Guten jedes Mittel anwenden kann, um den Status quo aufrechtzuerhalten.

Die Forderung nach dem selbstbestimmten Deutschen, der als »Volksgenosse« aufgewertet wird, verstärkt das Versprechen einer hohen nationalen Identität, verbindet diese mit der Definition eines Feindbildes (Juden und Kommunisten), endet im Pathos des engagierten Führers, der sein Volk in die gute Zukunft führt, in der das »Allgemeinwohl« über allem steht.

Um die Kompetenz der Mittel und Wege von Durchsetzung und Aufrechterhaltung auch verbindlich und unerschütterlich bleibend festzuschreiben, überträgt Hitler im Punkt 25 des Programms die Macht an eine zu schaffende »starke Zentralgewalt«:

25. »Zur Durchführung alles dessen fordern wir die Schaffung einer starken Zentralgewalt des Reiches. Unbedingte Autorität des politischen Zentralparlaments über das gesamte Reich und seine Organisationen im Allgemeinen.«

In seiner zweibändigen Schrift »Mein Kampf« versucht Hitler den Begründungszusammenhang für seine zentralistische Staatsutopie zu liefern, nach der die Tätigkeit des Einzelnen nicht gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen darf, sondern im Rahmen des gesamten und zum Nutzen aller erfolgen muss. Um diese Ideologie im Volksdenken und -handeln zu verankern und seine Popularität festzuschreiben wird »Mein Kampf« als erstes Buch im Staat zur Grundlage und zum wirksamen Instrument der Indoktrination.

Ab 1936 wurde deutschen Brautpaaren anstatt der üblichen Bibel von vielen Standesämtern »Mein Kampf« auf Kosten der Stadtkasse geschenkt, was deutlich macht, auf welcher Ebene diese Kampfschrift gesehen und genutzt wurde. Bis zum Jahr 1944 wurde das Buch in verschiedensten Ausgaben allein in der offiziellen (!) Auflage von nahezu elf Millionen Exemplaren gedruckt und ausgeliefert.

Die Schrift »Mein Kampf« beschreibt als Utopie vom deutschen Nationalsozialismus zwar nicht ausdrücklich die konkreten Merkmale eines idealen Staates, aber sie ist in Verbindung mit dem pragmatischen Parteiprogramm der NSDAP und vor allem mit den demagogischen Reden des Führers als »Retter« vor dem Verfall und als Visionär einer neuen, totalen und nicht hinterfragbaren Weltanschauung zu sehen, deren Ziel in der Züchtung des »Neuen Menschen« in der arischen Version liegt.

Der als Vision vor ihm liegende Weg zur Erlösung und zum Heil eines neuen deutschen Reiches wird von Hitler in zahlreichen großen Reden vor der Partei und dem deutschen Volk mit der »biologischen Regeneration« beschrieben. In diesem Weg sieht er als Führer die rassische Gesundheit seines Volkes als die Basis für Härte, Willenskraft, Disziplin und Kampfgeist, für notwendige Leistungs- und Opferbereitschaft, aber auch für große Kulturschöpfungen, die aus dem »arischen« Geist entstehen und steinerner Ausdruck für die Werte der Volksgemeinschaft und einen von allgemeinem Glück erfüllten Endzustand sind, der noch kommen wird.

Dieser Vorstellung zugrunde liegt die sozialdarwinistische Überzeugung, dass nur das stärkste und beste und opferbereiteste Volk auf der Welt überleben kann. Degenerationsängste und Züchtungsutopien, wie sie bereits in literarischen Utopien beschrieben wurden, werden bei Hitler vom Wort zur Tat geschmiedet, denn nur durch härteste Selektion ist die Überlegenheit der von ihm propagierten nordischen »Herrenrasse« für die glorreiche Zukunft zu schaffen.

Auf dem »Reichsparteitag der Arbeit« im Jahr 1937 nahm Hitler persönlich die Grundsteinlegung des »Deutschen Stadions« vor, das als letzter Großbau des Nürnberger Geländes geplant war. Gemäß der Urkunde im Grundstein dieser monumentalen Architektur wird sein Größenwahn von der »Herrenrasse« offenbar. So sollten sich nach seinem Willen »nunmehr die Deutschen jährlich in der Zeit des Reichsparteitages bis in fernste Jahrhunderte hinein an dieser Stätte im Wettkampf miteinander messen, um das höchste Ziel der nationalsozialistischen Revolution zu verwirklichen: ein Volk, gestaltet in körperlicher Kraft und Gesundheit, erfüllt von der stolzen Stärke tapferer Männer und schönster Frauen«.

Das ist kein Zitat aus einer literarischen Dystopie, sondern erschreckende Realität der deutschen Geschichte!

HEIMWEH SUCHT UTOPIA

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