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1932 – Aldous Huxley – »Brave New World«

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Die dystopische Novelle »Brave New World« des englischen Philosophen und Schriftstellers Aldous Leonard Huxley (1894–1963) erscheint in der Originalausgabe im Jahr 1832 in London und im gleichen Jahr im deutschen Insel-Verlag Leipzig unter dem Titel »Welt – wohin?«

Die von Huxley autorisierte deutsche Fassung von 1932 in der Übersetzung von Herberth E. Herlitschka verlegt die Handlung des Romans überraschenderweise nach Berlin und Norddeutschland, um im Leser eine höhere Identifikation und Betroffenheit zu erzeugen.

Auf dem Titel dieser deutschen Erstausgabe ist zudem keine übliche bildhafte Darstellung zu sehen, sondern eine direkte Ansprache durch den Text: »Welt – wohin? Ein Roman der Zukunft. Eine Utopie – aber nicht vom billigen Optimismus des herkömmlichen Zukunftsromans, der von einer Welt in rosigem Licht träumt. Huxley zaubert uns kein unerreichbares Wunschbild vor, predigt nicht und will nicht bessern. Er denkt mit unerbittlicher Folgerichtigkeit den ›Fortschritt‹ zu Ende, zu einem unausweichlich grotesken Ende.«

Bemerkenswert ist, dass dieser Roman die bevorstehende nationalsozialistische Diktatur des Adolf Hitler (1889–1945) und dessen Utopie vom rassereinen, arischen Menschenbild antizipiert. »Flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl« wollte Hitler seine Jugend als Inkarnation eines »neuen Menschen« haben, der »frei von der Verunreinigung und Vergiftung« durch Rassenmischung und Ziel einer biologischen Regeneration wird.

Am 30. Januar 1933 wird der Parteivorsitzende der NSDAP Adolf Hitler durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt und wandelt die bestehende parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik in eine nationalsozialistische Diktatur um, die zentralistisch dem Führer untersteht.

Vor diesem Hintergrund verwundet es nicht, dass Huxleys Dystopie bereits kurze Zeit nach der Machtergreifung des Despoten Hitler zu den verbotenen Publikationen gehört.

Huxleys Geschichte ist in die ferne Zukunft gelegt, sie spielt im Jahr 2540 n. Chr., in der die grundlegenden Werte für eine »humane«, menschliche Gesellschaft in Form von Stabilität, Frieden und Freiheit gesichert sind. Aber zu welchem Preis werden allgemeines Glück und gesellschaftliche Stabilität geboten?

Huxley beschreibt eine neue Welt, die durch künstliche Fortpflanzung, systematische Konditionierung und gezielte Indoktrination ihre Menschen zu unbedingtem Gehorsam züchtet. Dieser funktionierende Mensch ist die Grundlage für die funktionierende Gesellschaft, deren Zeitrechnung mit dem Jahr 1 beginnt (entspricht dem Jahr 1908, in dem das erste Model T von Henry Ford vom Band lief).

Diese Zeitrechnung ab dem Jahr 1 AF (Anno Ford) ist für den Autor Huxley kein formaler Akt, sondern verweist auf die technische Fertigung von Menschen analog zur fließbandmäßigen Autoproduktion im beginnenden zwanzigsten Jahrhundert.

Nach den Erfahrungen eines lange dauernden Vernichtungskrieges mit folgendem Zusammenbruch der Weltwirtschaft schlossen sich die im Roman beschriebenen, verbleibenden politischen Kräfte zu einem Weltstaat mit einer Weltregierung zusammen, um gemeinsam durch steigenden Konsum und steigende Produktion von Waren die Weltwirtschaft anzuregen und Wohlstand zu erzeugen.

Ziel der neuen Weltregierung ist die wohlhabende, glückliche und damit vereinte, friedlich konsumierende Gemeinschaft.

Um diese Gemeinschaft zu erzeugen, werden wissenschaftlich-technisch organisierte Brut- und Zuchtzentren geschaffen, die als Anfang des Neuen eine systematische Vernichtung von Vergangenem einleiten: Museen werden geschlossen, steinerne Zeugen der Erinnerung werden zerstört und alle historischen Schriften werden verboten.

Ausbrüche von Gewalt werden in der neuen Gesellschaft vorausschauend durch totale Kontrolle und konsequente Selektion vermieden, und die Werte »Gemeinschaftlichkeit, Einheitlichkeit, Beständigkeit« stehen im Fokus der andauernden Propaganda. Anstelle der klassischen Religion tritt der Verehrungskult für den Automobilbauer Henry Ford.

In den Reproduktionsfabriken werden je nach gesellschaftlichem und ökonomischem Bedarf verschiedene Menschentypen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Stellungen und Qualifikationen in den Kasten Alpha, Beta, Gamma, Delta und Epsilon gezüchtet.

In allen Kasten gelten die gleichen mantrahaften Grundlektionen: Alle Klassen sind unverzichtbar für die Gemeinschaft. Man ist glücklich, zu seiner Kaste zu gehören, und glücklich kann man nur in der Gemeinschaft sein.

Um diese Dogmen in allen Weltbürgern bleibend zu verankern, wird die Psychotechnik der ständigen Wiederholung angewandt. Wo diese akustische Konditionierung nicht wirkt, wird konsequent durch Strafe und Belohnung die Einhaltung der Staatsregeln zum Wohl aller erzwungen.

Zur Aufrechterhaltung von Zufriedenheit, sozialer Ruhe und Ordnung erfolgt die Arbeit der Kontrolleure und die dauerhafte Befriedigung der Massen durch Warenkonsum, Sex und die offiziell eingesetzte, synthetische Staatsdroge »Soma«, die als Mischung von Aphrodisiakum und Psychopharmakon wirkt und jedes Aufbegehren unterdrückt sowie das kritische Nachdenken verhindert.

Aus der Distanz gesehen wirkt diese beschriebene Gemeinschaft friedlich und glücklich und gibt ein Bild ab, wie es Shakespeare in seinem Drama »Der Sturm« im Jahr 1611 mit den Worten beschrieben hat: »O, Wunder! Wie viele herrliche Geschöpfe es hier gibt! Wie schön der Mensch ist! O schöne neue Welt, die solche Bürger trägt!«

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