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2.4.3 Die Chapelle Notre-Dame-de-Grâce als „image de la vie souhaitée avec Loïc“

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Nach einem Gespräch mit Jeanne, das Agathe nach Loïcs erster Reiseabsage geführt hat, erinnert sich Agathe, allein in ihrer Wohnung, daran, dass sie vor einiger Zeit an einem Sonntagabend mit ihrer Freundin Éliane an einer Messe in der Chapelle Notre-Dame-de-Grâce in Honfleur, deren hölzerne Dachkonstruktion einem umgedrehten Schiff gleicht, teilgenommen hat.1 Vom Licht, der schlichten Schönheit der Architektur der Anfang des 17. Jahrhunderts von Bürgern und Fischern errichteten Kapelle, von den Votivtafeln, die im Namen von vor dem Schiffbruch geretteten Matrosen angebracht waren, aber auch vom Gesang der versammelten Gemeinde fühlt sich Agathe zu Tränen gerührt. In diesem Moment erwacht in ihr, und in ihrer Freundin gleichermaßen, ein Gedanke, dessen Unerfüllbarkeit sie sich sofort bewusst wird: „[…] elle aurait souhaité être avec eux, habiter là, être femme de pêcheur et croire en Dieu pour assister à cette messe et rentrer chez elle […] faire partie de quelque chose, mais sa vie n’était pas là, cette paix n’était pas pour elle […].“2 Ihre Wunschvorstellung, aus ihrer persönlichen und gesellschaftlichen Isolation auszubrechen, sowie ihre Sehnsucht nach einem einfachen, auf einem sicheren Wertefundament gegründeten Leben durchschaut Agathe bereits beim Verlassen der Kapelle als etwas nicht zu ihr Passendes. Gleichzeitig jedoch wirkt das für die Rückfahrt bereit stehende Auto auf sie wie „[…] l’instrument d’une errance stupide“3, d.h. dass sie die Fortsetzung ihres Lebens in der bisherigen Form für eine ziel- und damit sinnlose Angelegenheit hält. Die tiefere Ursache für ihre durch die Chapelle Notre-Dame-de-Grâce ausgelöste emotionale Bewegung hat sie indes nach einer Zeit des Schweigens erkannt: „La chapelle éclairée était un peu à l’image de la vie qu’elle entrevoyait avec Loïc […].“4 So vermag ein realer Ort, dessen konfessionell-religiöse Prägung keineswegs mit dem Weltbild Agathes übereinstimmt, gleichwohl ihre Träume von einem gemeinsamen Leben mit Loïc zu konkretisieren, und sie schließt eine Änderung ihres Lebens nicht aus für den Fall, dass Lucie Loïc verlässt. Als sie über eine solche Perspektive nachsinnt, glaubt sie, für einen Moment durch das Autofenster im Halbschatten zu erkennen, wie „jemand“, also eine nicht identifizierte Person, unbekümmert über das Dach (der Kapelle) spaziert – eine Illusion, die das Unwirkliche des sehnlich Erwünschten unterstreicht.5

Das Erzählwerk Cécile Wajsbrots

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