Читать книгу Moby-Dick - Herman Melville - Страница 9

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EINLEITUNG

Das, was der uns durch Coleridge überlieferte Seemann über seine unglückselige Reise sagt -

Wir war’n die Ersten, die je

In diese ruh’ge See geborsten sind.

hätte auch sehr gut über Melvilles Moby-Dick gesagt werden können. Seine ersten Leser waren schockiert und aufgeschreckt durch die fremde Welt, die ihnen hier enthüllt wurde. Das Buch wurde von den meisten englischen und amerikanischen Kritikern mit Respekt begrüßt, aber auch mit Ungeduld und Fassungslosigkeit. Mehr als die Hälfte aller führenden Fachzeitschriften haben das Werk ignoriert. Die Reaktionen der Übrigen rangierten von glühendem Lob für seinen lebhaften und energischen Stil, bis hin zu strengen Tadeln für seinen Schwulst und die unromanhafte Form. Einigkeit herrschte bei allen Kritikern darüber, dass es eine wilde Mischung aus Philosophie, Blasphemie, Fantasie, Geist, Überschwang und Abenteuer wäre.

Zunächst schien es so, dass Melville sein Buch wie ein Seeabenteuer angelegt hatte, in der Tradition von Mardi und White Jacket. Am 27. Juni 1850 bereits bot er das teilweise schon komplette Manuskript einem englischen Verleger an, als “eine Fantasieerzählung über Abenteuer, begründet auf bestimmten, wilden Legenden aus der südlichen Pottwalfischerei, und illustriert durch des Autors eigene persönliche Erfahrung aus zwei und mehr Jahren als Harpunier.“ Die Veränderung in seiner Konzeption des Romans scheint aus dem Juli des gleichen Jahres zu rühren, als er Nathaniel Hawthornes Mosses from an Old Manse las. So trafen sich also Melville und Hawthorne im August und fanden sich beide in tiefster Seelenverwandtschaft über tiefgründigen Problemen, die sie aus freiem Willen und absolut unvergleichlich teilten. Später verbrachte Melville noch einige weitere Tage mit Hawthorne auf Lenox, und sie beschäftigten sich mit weiterführendem, herzlichem Austauschen von Gedanken. Melville fand in Hawthorne einen Mann, der seine zutiefst versteckten Andeutungen begriff, ja, der selbst darüber geschrieben hatte, obwohl, in einer Art, die so zurückhaltend und vage war, dass niemand, außer vielleicht nur Melville selbst, ihre Tragweite ermessen konnte. Er erzählte Hawthorne Dinge, die er sich keinem anderen Menschen anzuvertrauen gewagt hätte: “Der Grund dafür, dass die Masse der Menschen Gott fürchtet, und ihn im Grunde nicht mag, liegt darin, dass sie lieber Seinem Herzen misstrauen, und Ihn, ganz Hirn, leiden mögen, wie eine Uhr."

Beeinflusst durch Hawthorne erschuf Melville ein neues und anderes Buch als das, was er begonnen hatte zu schreiben. Mit einem Jahr Verspätung, im Oktober 1851 herausgegeben, war Moby-Dick Hawthorne mit den Worten: “Zum Zeichen meiner Wertschätzung seines Genies“ gewidmet. Hawthornes briefliche Antwort zurück an Melville, Moby-Dick betreffend, ist leider verloren gegangen. Melville erhielt ihn um den 15. November 1851 herum, und erwiderte: "In mir herrscht in diesem Moment ein Gefühl der unsäglichen Sicherheit, da Sie mein Buch verstanden haben. Ich habe ein gottloses Buch geschrieben, und fühle mich doch unbefleckt wie ein Lamm.“ Er fuhr fort, Hawthorne gegenüber sein Erstaunen auszusprechen, der seine tiefsten Gedanken so exakt erspürte und so vollends erfühlte, was Melville die ganze Zeit über gefürchtet hatte, ihm mitzuteilen.

Nicht nur wurde Moby-Dick verändert, er wurde auch erheblich erweitert. Was Melville im Juni 1850, als die Hälfte beschrieb, war nur mehr ein schmales Viertel des gesamten Werkes. So wie Melvilles Symbole Wichtigkeiten und weitere Bedeutung schufen, wuchs das Buch in Umfang und Vielschichtigkeit. Was mit Calvinismus begann, reichte bald in den Zoroastrismus1 hinein; was als ein Symbol der Natur begann, wurde erst ein Symbol für Gott, und dann für die Menschheit.

Stilistisch war Melville von Sir Thomas Browne beeinflusst, einem aus dem siebzehnten Jahrhundert stammenden Schriftsteller, dessen Prosa viele amerikanische Autoren des neunzehnten Jahrhunderts beeinflusst hatte. Melville machte sowohl stilistisch als ebenfalls auch bei den Figuren starke Anlehnungen an Shakespeare. Pip scheint beispielsweise nach dem Narren im König Lear modelliert zu sein. Ahab im Kapitel CXIX dem Feuer trotzend, erinnert an Lear im Sturm auf der Heide, wo er die Götter, ob ihrer absoluten Ungerechtigkeit herausfordert. Im großartigen Kapitel XXXVI, wo Ahab der Mannschaft ihre Bestimmung erklärt, tut er das in einem achtbaren Shakespearschem Blankvers, welchen Melville als Prosa niederlegt,

Nehmt doch eure Augen fort! Unerträglicher noch als

Des Satans Blick ist mir ein tölpelhaftes Starren!

So, so; abwechselnd werdet ihr rot und blass;

Euch hat wohl meine Hitz’ zum Zornesglüh’n gebracht.

Doch seht mal, Starbuck, das was man in der Hitze sagt,

- die Sach’, die widerruft sich selbst. Es gibt Männer,

Deren warmes Wort schon eine kleine Demütigung bedeutet.

Ich wollt’ euch nicht erbosen. Lasst’s geh’n.

Schaut! Seht drüben dort die wilden, bräunlich gefleckten Wangen -

Lebend’ge, atmende Bilder von der Sonn’ gemalt.

Die ungläubigen Leoparden, die nicht berechnenden

Und niemanden anbetenden Dinge, die doch leben; und die da suchen und

Nie ‘nen Grund angeben für dies glüh’nde Leben, dass sie spüren!

Die Mannschaft, Mann, die Mannschaft! Sind sie nicht

Samt und sonders mit dem Ahab, in dem Geschäft hier mit dem Wal?

Je öfter man diese Passage abermals liest, umso augenfälliger gibt sie die Bewegung der Verse in Shakespeares großen Tragödien wieder, insbesondere im King Lear. Selbst die unerheblichen Unregelmäßigkeiten, die sich in den ersten drei Zeilen oben zeigen, erscheinen charakteristisch für Shakespeare.

In seinem Eifer und dem Jubel über den Schaffensakt schrieb Melville an Duyckinck, "Könnt Ihr mir so um die fünfzig schnell schreibender Jugendliche schicken, mit einem leichten Stil und nicht abgeneigt, ihre Erzeugnisse zu verfeinern?“ Mit einer derartigen Belegschaft ausgerüstet hätte er mit seiner Inspiration Schritt halten können. Ohne eine solche musste er mit ansehen, wie seine Kreatur größer wurde, als er fähig war, sie zu kontrollieren. “Gott behüte mich davor, irgendetwas jemals zu beenden,“ schrieb er, als ihm klar wurde, dass dieser Zustand bei einer solchen Vorstellung unvermeidbar war. "Dies ganze Buch ist ein einziger Trunk - nein, der Trank eines Trankes. Oh, Zeit, Kraft, Bargeld und Geduld!“

Ein zweiter Grund für den größeren Umfang des umgeschriebenen Buches ist der, dass seine Behauptungen nicht so einfach oder auch nur klar genannt werden können. Es muss "abgeleistet“ werden, um Henry James berühmtes Wort zu verwenden, und diese Leistung beinhaltet Umwege und Mehrdeutigkeiten, die den Leser weiter und tiefer in dieses Labyrinth der Wahrheit führen. Gleichzeitig aber war das, was Melville zu sagen wusste, in einigen Aspekten derart blasphemisch, den religiösen Empfindungen seiner Zeitgenossen gegenüber so vollkommen schockierend, dass er sich nicht getraute, damit gerade heraus zu kommen. An der Spitze seiner wuchernden Symbolik erlegte er sich einen Stil des scherzhaften Ausweichens, der doppelten und dreifachen Rede, listiger Andeutungen und unverschämter Ironien auf, die es schwer erscheinen ließen, ihn direkt für seine kühnen Aussagen und Gottlosigkeiten, die sie damit ausdrückten, verantwortlich machen zu wollen. Ihm war, wenn er sich direkt ausdrücken sollte, die Erkenntnis unbehaglich und bedrückte ihn ebenfalls, dass keine künstlerische Unterhaltung mehr ist, als nur ein Bruchteil dessen, was der Künstler tatsächlich zu sagen beabsichtigt.

Sein Buch ist schwierig und vielschichtig, weil Melville die Probleme der Welt und des Lebens nicht zu kindischen Einfachheiten reduziert. Im Moby-Dick arbeitet er mit Angelegenheiten der tiefgreifendsten Geheimnisse. Melville war betroffen, da er sich unfähig sah, alles das auszudrücken, was er meinte, noch mehr aber, all seine tiefsten Gedanken zu offenbaren.

Moby-Dick ist eine Geschichte, die dazu geschaffen wurde, eine Idee zu entwickeln und zu verdeutlichen. Die Reise im Streben nach Moby-Dick ist eine intellektuelle Reise auf der Suche nach einer Wahrheit. Aus diesem Grunde nimmt der Roman auch nicht die traditionelle dramatische Form der Problem-Konflikt, Auswahl (Höhepunkt) - und Lösung an. Ahab ist einem Widersacher gegenübergestellt, den er nicht begreift. Die Handlung des Buches, physisch gesehen, ist die Verfolgung des Weißen Wales; psychisch jedoch ist es die Geschichte der sich entwickelnden Vorstellung Ahabs davon, was sein Widersacher vertritt und was er zu tun plant, sowie darin, wie sich sein Verständnis über den Widersacher weiterentwickelt. Zum Ende der Geschichte hat Ahab diese Erkenntnisse, sieht die Warnungen und die Vorzeichen. Er erkennt die liebevollen Annäherungen von Pip, die edle Beredsamkeit des Starbuck und die Wärme seines Heims durchaus an, die ihn letztendlich aber trotzdem abstoßen, bis hin zu einer sich für ihn als hoffnungslos erkennbar gebenden Konfrontation. Trotzdem muss er dennoch immer weiter voranschreiten. Sein Entschluss, voranzugehen, ist nicht das Resultat einer klar gefällten Entscheidung, sondern entsteht aus ihrem vernichtenden Zwang. “Was ist das, welch namenloses, unergründlich, unirdisch Ding ist das; welch kosender, verborg’ner Herr und Meister, und grausam, erbarmungsloser Regent befiehlt mir da; das, was entgegen allem natürlichen Lieben und Sehnen, mich weiter ziehen lässt, drängen und hintertreiben, die ganze Zeit?“ Ahab fragt und erhält doch keine Antworten. Der Gedanke ist leitend und die Charakterisierung Ahabs wirkt hier etwas befremdlich, da seine intellektuelle Entwicklung uneins mit seinem Rachetrieb ist.

Melville erlaubt uns, aus seinen Vorstellungen von der Natur des Bösen und des Universums diese verschiedenen Möglichkeiten zu bedenken:

1. Das Universum und Gott sind im geistigen Sinne wesentlich zum Wohle aller bestimmt. Das ist die transzendentale Art und Weise, welche Gott, den Menschen und die Natur in friedlicher Perfektion vereint.

2. Das Universum wird von einem allmächtigen und wohlmeinenden Gott gelenkt, der das Böse in Mensch und Natur verbietet. Das stellt den christlichen Dualismus dar, welcher einen enormen Bereich von Dogmen, Interpretationen und Philosophien mit sich bringt.

3. Gut und Böse sind unabhängige, gleichermaßen kraftvolle Prinzipien im Krieg um die Kontrolle des Universums. Das ist zoroastrisch und manichäisch.

4. Das Universum oder Gott sind grundlegend böse.

5. Das Universum ist chaotisch.

6. Das Universum ist geordnet aber gottlos, und daher zutiefst gleichgültig.

Alle, oder fast alle Kritiker sind sich einig in der besonderen Wichtigkeit des Wals als ein Symbol. Der außergewöhnliche Umfang an Vorstellung und Möglichkeit, die dem Wal hier zum Hinweise gereicht werden, geben dem Moby-Dick seine enorme Fülle. Zu Beginn ist der Wal die Natur, eine Quelle für Öl, Fleisch, Walbein und das wertvolle Walrat. Er ist ebenso die größte und stärkste aller Kreaturen, fähig zu den unglaublichsten, plötzlichen und zerstörerischen Kraftakten. Wie Ishmael entdeckt, erscheint es unmöglich, den Wal näher zu beschreiben oder zu bezeichnen, da er seine Gestalt verliert, wenn er nicht im Wasser ist, und es dazu auch noch unmöglich ist, sich ihm auf eine kürzere Distanz zu nähern, ohne sich in der allergrößten Gefahr zu befinden. Unter den Seeleuten wurden bezüglich des Weißen Wals solange Legenden laut, bis er beides wurde, unsterblich und allgegenwärtig.

Dann die Walfänger, sie werden zu Suchenden nach einer ultimativen Wahrheit, die sich immer weiter in die verbotenen Tiefen der entlegensten Ozeane zurückzieht. Sie entdecken “die tödliche, unertragbare Wahrheit, dass alles tiefe, ernste Denken einzig eine kühne Anstrengung der Seele ist, die off’ne Unabhängigkeit ihrer See zu erhalten; während des Himmels und der Erde wild’ste Winde sich verschwören, sie an heimtückisch sklav’scher Küste zu zerschmettern.“ (XXIII). Aus derartigen Motiven, erzeugt durch die Erforschung seines großen Symbols, konstruiert Melville einige der außergewöhnlichsten Aussagen in der amerikanischen Literatur, Sätze, die ihre Greifbarkeit und Lebenskraft, ihre wundervollen poetischen Vorzüge, direkt aus den Kräften erlangen, die er aus seinem Symbol erzeugt. In dem Versuche, dem Moby-Dick so nahe zu gelangen, um ihn tatsächlich zu erkennen, kommen seine Verfolger zur Erfahrung eines äußersten, untrennbar unbegreiflichen Nebeneinanderbestehen von Gut und Böse. “Beurteilt nun selbst, zu welchen Stimmungen aufgeputschter Wut die Gedanken seiner mehr hoffnungslosen Jäger angetrieben wurden, wenn sie inmitten der Splitter zerschmetterter Boote und den versinkenden Gliedmaßen zerrissener Kameraden aus dem weißschäumenden Born der grässlichen Wut des Wales in das heitere, zur reinen Verzweiflung treibende Sonnenlicht hinausschwammen, das auf sie hinunterlächelte, als wäre es für eine Taufe oder für eine Hochzeit gemacht.” (XLI) Von solchen bildlichen Vorstellungen des Grauens und der Verzweiflung bewegt sich Melville zu noch erschreckenderen und geheimnisvolleren Ideen: “Doch haben wir die Beschwörung dieses Weißseins noch nicht gelöst, und so begriffen, warum es unsere Seele mit einer solchen Kraft anspricht; und fremder noch und auch weit mehr unheilvoll - warum es, wie wir schauen durften, das gleichzeitig bedeutendste Symbol geistlicher Dinge, nein, eben der Schleier der christlichen Gottheit ist; und dennoch so, wie’s uns erscheint, auch noch der Verstärkungsfaktor bei den die Menschheit höchst beängstigenden Dingen.” (XLII) Durch das Abstrahieren und Erforschen dieser einen Eigenschaft des Wales - sein Weißsein - erzeugt Melville ganze Welten von Vorstellungen und neuen Bedeutungen über das Christentum hinaus, hinweg über die unterschiedlichen Religionen des Ostens, die durch seine Suche nach dem Unbekannten beschworen werden, über Gut und Böse hinaus, selbst hinaus über die Möglichkeit der Bedeutung, bis “das gelähmte Universum einen Aussatz auf uns legt; und wie sich der eigensinnige Reisende in Lappland weigert, farbige Gläser für sein Augenlicht zu tragen, so starrt sich dann der erbärmliche Unglückselige blind an dem monumentalen weißen Leichentuch, das alle ihn umgebende Aussicht zudeckt. Und von all diesen Dingen war der Albino-Wal das Symbol. Wunderst du dich da noch über diese feurige Jagd?“

Im Moby-Dick, seinem großen “Trunk eines Trankes“ drang Melville tiefer in die Mysterien der todgeweihten Bedrängnis der Menschheit vor als irgendein amerikanischer Schriftsteller es vorher oder nachher getan hat.2

Copyright dieses Textes © 1967 by Bantam Books

1 Der Zoroastrismus bzw. Zarathustrismus (auch: Mazdaismus oder Parsismus) ist eine Religion mit heute etwa 120000–150000 Anhängern, die vermutlich in Baktrien im östlichen iranischen Hochland entstand und sich etwa im 7. bis 4. Jahrhundert v. Chr. im iranischen Kulturraum (in Persien und im zentralasiatischen Raum) ausgebreitet hat. Ihr Stifter war Zarathustra, über dessen Datierung in der Forschung bis heute Uneinigkeit herrscht (zwischen 1800 und 600 v. Chr.). Die Anhänger des Zoroastrismus werden Zoroastrier oder Zarathustrier genannt. Größere Gemeinden leben in Indien, Iran und den USA. Die Anhängerschaft im heutigen Indien und Pakistan bezeichnet man auch als Parsen. (W)

2 Charles Child Walcutt, 1908 - 1989, war ein amerikanischer Autor, Herausgeber und, so wie hier, Verfasser von wunderschönen Einleitungen.

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