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Der Unfall

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Immer wieder kam Werner der Moment in den Sinn, in dem ihn der Trainer anrief, und abgehackt sagte: „Kommen Sie schnell, ein Unfall, schnell.“ Diese sechs Worte hatten sich bereits in sein Gehirn gebrannt. Er wusste nicht wer da einen Unfall erlitten hatte, ob vielleicht das Hallendach eingestürzt, oder ein Feuer ausgebrochen sei. Er wusste nur, dass Ina heute dort wie immer beim Training war. Kommen Sie schnell, schnell, schnell. Egal wie schnell Werner im Vereinsheim ankam, er wusste instinktiv, das es nicht schnell genug sein würde. Wie in Trance fuhr er die paar Kilometer durch die Ortschaft zum Vereinsheim mit den Sportplätzen. Seine Gedanken rasten durcheinander. Er sprang aus dem Wagen, kaum dass die Reifen stillstanden, und zog noch im Türöffnen die Handbremse. Er rannte, so schnell er auf seine alten Tage konnte, an mehreren Rettungsfahrzeugen mit zuckendem Blaulicht vorbei zum Trainingsgelände hinter den Sporthallen. Als er ankam und dort um die Ecke bog, sah er einen unglaublich bunten Haufen von Menschen die sich alle um die Stabhochsprung matte scharrten. Auf dem Rest des Platzes, der sonst um diese Zeit immer voll war, bewegte sich im Moment nichts. In der Mitte des Auflaufs sah er die leuchtenden Jacken der Sanitäter. Es würde schlimm sein, was es dort zu sehen gab, dachte er. Er hoffte zwar inständig, dass es nicht so übel sein würde, aber es sah nicht danach aus. Auf einmal öffnete sich die Meute Menschen zu seiner Seite hin, und behutsam schoben die Sanitäter ein dick eingepacktes Bündel heraus. Werner hatte noch nie gesehen, wie ein verletzter Mensch wirklich durch die Sanitäter zu einem Rettungsfahrzeug gebracht wurde. Diese Szene kannte man schließlich aus dem Fernsehen. Dort rannte ja immer jemand neben dem offenen Transportwagen her, der Patient warf sich stöhnend hin und her, einer rief Kommandos zu unsichtbaren Personen, und eine Krankenschwester hielt eine Infusionsflasche in die Höhe, aus unsichtbaren Lautsprechern rief eine Stimme irgendwelche Doktoren in irgendwelche Räume, während alle zum Auto, oder bereits zum OP-Saal liefen. Aber dieser Transport hier würde ihm ewig in Erinnerung bleiben. Nichts weiter als ein dick vermummtes Bündel sah er. Ein paar Sekunden später hörte er das gewaltige Knattern eines Hubschraubers. Das Geräusch wurde immer lauter, bis es schier unerträglich wurde. Der Hubschrauber ging tatsächlich mitten auf dem weitläufigen Gelände runter, bis er sanft aufsetzte. Werner kam sich vor wie im falschen Film. Als würde er bei Dreharbeiten zu einer spannenden Szene zusehen. Er realisierte alles gar nicht so richtig. Es wirkte so unecht wie nur sonst was. Er sah die verletzte Person nicht ein einziges Mal. Sie war extrem dick verpackt worden, gerade im Bereich des Kopfes und des restlichen Oberkörpers, damit sich keine Folgeschäden ereignen konnten. Und trotzdem musste sie bewegt werden. Vorsichtig schoben die Sanitäter den Wagen zum Hubschrauber. Werner hatte noch nie einen Hubschrauber aus dieser kurzen Distanz gesehen. Er wunderte sich, wie klein so ein Fluggerät tatsächlich war. Er ging zu einem der Ärzte, die den Wagen schoben und sagte ihm, wer er sei und ob er wüsste wo seine Enkelin sei. Der Arzt schaute ihn kurz an und riet ihm, mit einem der Rettungsfahrzeuge zur Polytraumaklinik zu fahren, er könne jetzt und hier rein gar nichts sagen. Werner drehte sich zum Trainer um, den er in seinen Sportsachen in der Menge schon ausgemacht hatte. Als er bei ihm ankam, hatte dieser Tränen in den Augen. Noch bevor Werner auch nur eine Silbe sagen konnte, platzte es aus dem Trainer heraus. Er sagte zu Werner: „Es tut mir so unglaublich leid. Glauben Sie mir. Ich hab`s nicht gesehen. Keine Ahnung warum. Ich habe nicht hingeschaut nachdem sie angelaufen war, weil mein Handy ging. Als ich das Gespräch angenommen hatte, hörte ich den Sturz. Vielleicht hat sie sich bei den Schritten vertan oder ist zu kurz gesprungen. Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht, was genau passierte. Es waren doch nur vier Meter. Also nichts Besonderes. Es war fürchterlich, wie sie so still da lag, einfach fürchterlich. Ich habe mit dem Handy sofort Hilfe geholt, und die Sanis waren auch unglaublich schnell da. Oh, mein Gott, hoffentlich wird sie wieder gesund, hoffentlich. Sie muss wieder gesund werden. Da schaust du einen Moment nicht hin, und dann das.“ Er ließ Werner stehen und ging kopfschüttelnd Richtung Umkleide. Eine Frau mittleren Alters kam auf Werner zu und nahm ihn in den Arm. Sie schluchzte und schaute ihm durch den Schleier ihrer Tränen in die Augen. Werner schob sie ein Stück zurück und fragte: „Rosi, was, zum Teufel ist hier eigentlich los, was ist mit Ina?“ Rosi, eine alte Bekannte von Werner erschrak bei dieser Frage und sagte. „Ina ist beim Sprung gestürzt, die Ärzte konnten uns nicht sagen, wie schwer sie verletzt ist. Überhaupt nichts sagten sie auf unsere Fragen. Alle hier leiden mit. Wir lieben sie doch, unsere kleine Motte.“ Sie brach in hemmungsloses Schluchzen aus und setzte sich schwer auf einen Hocker an der Glasfront der Trainingshalle. Werner ließ sie jammernd da sitzen und schaute sich fragend um. In seinem Kopf drehte sich alles. Alles stand wild durcheinander und diskutierte, draußen und drinnen, während der Transportwagen den Hubschrauber erreichte. Es war sein Glück, dass alles so ziemlich wie ein zäher Brei an ihm vorbeilief. Hätte er die Tragweite des Unglücks jetzt schon erkannt, wäre er auf der Stelle verrückt geworden. Seine Augen suchten nach Ina während er langsam zu seinem Auto ging.

Der Mann, der den Teufel zweimal traf

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