Читать книгу Abhandlungen über die Psalmen, Band 2 - Hilarius von Poitiers - Страница 100

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ז Zain.

Text

Der siebente Buchstabe ז Zain.

„Sey eingedenk deines Wortes an deinem Knechte, in welchem du mir Hoffnung gegeben hast. Diese war mein Trost in meiner Niedrigkeit; denn dein Wort wird mich lebendig machen. Die Uebermüthigen handelten allenthalben ungerecht; ich aber bin von deinem Gesetze nicht abgewichen. Ich war eingedenk deiner Gerichte vom Beginne der Zeit, o Herr! und habe mich getröstet. Ermattung des Geistes befiel mich wegen der Sünder, die dein Gesetz vergassen. Gesang sind mir deine Satzungen in dem Orte meiner Wohnung. Ich war eingedenk bei Nacht749 deines Namens, o Herr, und habe bewahrt dein Gesetz. Dieses wurde mir zu Theil, weil ich deine Satzungen durchforscht habe.“

1.

Jede Rede Gottes, welche in den göttlichen Schriften enthalten ist, ruft uns zur Hoffnung auf die himmlischen Güter. Und darum sagt der Prophet, weil er das Bewußtseyn hat, daß er in allen Geboten Gottes gewandelt sey, mit fester Zuversicht: „Sey eingedenk deines Wortes an deinem Knechte.“ Ist etwa Gott seiner Verheissung uneingedenk? Dieses sey ferne, daß man glaube, es fänden bei der ewigen und unendlichen Kraft Arten menschlicher Schwächen Statt. Allein der Prophet, welcher den Verheissungen Gottes geglaubt hat, welcher von Sehnsucht nach dem Himmlischen erfüllt ist, welcher mit Verachtung des Gegenwärtigen das Zukünftige gehofft hat, ermahnt Gott nicht, daß er seines Wortes eingedenk seyn sollte, sondern bittet ihn nur, daß er seines Wortes an ihm, seinem Knechte, eingedenk seyn sollte, das heißt, daß er für so würdig gehalten werden möchte, daß Gott an ihm seines Wortes eingedenk sey, auf welches Wort er Hoffnung gegeben habe. Aber die Hoffnung darf nicht ohne Wirkung seyn, und muß nicht bloß mit Worten ausgesprochen, sondern durch die That selbst bewiesen werden; so daß, wenn einst Krankheiten, Verfolgungen, Verlurste, Verwaisungen und Kränkungen hereinbrechen, wir uns hinsichtlich dieser Drohungen und Mächte der gegenwärtigen Zeit mit der Hoffnung auf die ewigen Verheissungen trösten.

2.

Wir werden zu diesem allem angeleitet; der Prophet aber hat dieses alles schon überstanden, indem er spricht: „Diese war mein Trost in meiner Niedrigkeit; denn dein Wort hat mich lebendig gemacht.“ Das Wort Diese bezieht sich auf die Hoffnung, welche ihn Gott fassen ließ. Aber sie war sein Trost in der Niedrigkeit, das ist, da er verachtet, da er verspottet, da er durch Unbilden mißhandelt, da er durch Kränkungen entehrt wird, weil er wußte, daß er mit den gegenwärtigen Versuchungen kämpfen müsse. Allein bei diesen Kämpfen seiner Schwachheit tröstet ihn die von dem Herrn verliehene Hoffnung; denn er wird durch die Worte Gottes lebendig gemacht. Er weiß, daß hiedurch der Ruhm seiner Niedrigkeit in den Himmeln sehr groß sey; er weiß, daß eine Seele, welche durch die Worte Gottes erquickt wird, gleichsam eine Speise des ewigen Lebens in sich habe. Wer durch die Worte Gottes lebt, läßt sich durch den eitlen Ruhm der Stolzen nicht rühren. Denn er weiß, daß seine Dürftigkeit reicher, als ihr Ueberfluß sey. Er weiß, daß sein Fasten durch den Segen des Himmels und des Evangeliums gesättiget werde; er weiß, daß seine Niedrigkeit mit einem herrlichen Lohne der Ehre werde belohnt werden. Und deßhalb setzte er hinzu: „Die Uebermüthigen handelten ungerecht; ich aber bin von deinem Gesetze nicht abgewichen.“ Während die Ungerechtigkeiten der Stolzen zu groß sind und den höchsten Grad erreichen, (denn sie handelten sehr ungerecht,) weicht der Prophet auf keinem Abwege von dem Gesetze Gottes ab.

3.

Wer aber von dem Gesetze Gottes nicht abweicht, der muß eingedenk seyn der Gerichte Gottes. Denn in allen Verhältnissen unsers Lebens müssen wir750 das Andenken an das göttliche Gericht uns einprägen und es bewahren, damit, wenn wir etwas thun, unsere Werke nach den Geboten Gottes sich richten, weil wir an das Gericht denken, oder vielmehr dasselbe nie vergessen. Selig wird der seyn, welcher nichts ohne den Gedanken an das göttliche Gericht vollbringt. Dieses sagt der Prophet von sich mit den Worten: „Ich gedachte deiner Gerichte von dem Beginne der Zeit und751 ermahnte mich.“ Diese sind hier nur von dem Beginne der Zeit, nicht auch von Ewigkeit zu Ewigkeit, weil alle Gerichte Gottes über uns seit dem Beginne dieser Zeit und dieser Welt angeordnet sind. Durch diese aber hat er sich ermahnt, nämlich bei diesen Stürmen der Welt und bei diesen Kämpfen der körperlichen Leiden, indem er zur Erduldung und Besiegung der feindlich drohenden Uebel seine Niedrigkeit durch den Gedanken an die Gerichte Gottes ermunterte.

4.

Hierauf folgt: „Ermattung des Geistes befiel mich wegen der Sünder, welche dein Gesetz verlassen.“ Seine eigenen Tugenden genügen diesem Propheten nicht zur Hoffnung auf das ewige Leben; es genügt ihm nicht dieses, daß er auf das Wort Gottes gehofft hat, nicht dieses, daß er durch diese Hoffnung getröstet worden ist, nicht dieses, daß er durch Gottes Wort lebendig gemacht wird, nicht dieses, daß er nicht abweicht von dem Gesetze, und nicht dieses, daß er immer durch den Gedanken an die Gerichte Gottes ermahnt wird; sondern er verfällt sogar noch durch den Schmerz über die menschliche Gottlosigkeit in Ermattung und wird durch die gottlose Ungerechtigkeit der Menschen geängstiget. Denn jeder Heilige bedauert, wenn er geschlagen wird, nicht seine Niedrigkeit, in der er geschlagen wurde, sondern den Uebermuth dessen, der ihn geschlagen hat; wie ein Vater, wenn er von einem unsinnigen Sohne, wie ein Arzt, welcher von einem wahnsinnigen Kranken geschmäht worden ist, nicht über das, was er gelitten hat, Schmerz empfindet, sondern darüber, daß ihm der, welchem er Gesundheit des Verstandes wünscht, im Wahnsinne eine Beleidigung zugefügt hat. Wenn aber ein Glied etwas leidet, so leiden,752 nach dem Apostel, auch die übrigen Glieder mit. Ermattung also befällt demnach den Propheten, wegen der Sünder, welche das Gesetz Gottes verlassen; nämlich durch das Gefühl der Erbarmung und des Schmerzens wird er, da gleichsam seine Glieder zum Theile krank sind, bei dem Anblicke der Gefahr der Ungerechten und Gottlosen entkräftet.

5.

Er selbst aber ist, was ihn betrifft, immer auf die Satzungen Gottes aufmerksam; und an jedem Orte, wo er nur immer wohnt, entweicht der Gesang seines religiösen Bekenntnisses niemals aus seinem Munde. Denn er sagt: „Gesang waren mir deine Satzungen in dem Orte meiner Wohnung.“ Er lehrt durch sein Beispiel, daß man die Psalmgesänge, wenn man sie einmal gehört hat, im Herzen bewahren, und sie immer mit dem Munde wiederholen müsse. Nicht nachlässig, wie er selbst sagt, liest und hört er; und er liest nicht nach der Weise unserer Gottlosigkeit die göttlichen Worte mit Augen, die auf etwas anderes gerichtet oder unachtsam sind, er faßt sie nicht mit schnell vergessenden Ohren auf; sondern sie sind ihm Gesang, das ist, sie werden von ihm ohne Unterlaß gesungen. Und er deutet an, daß an keinem Orte, wie er immer beschaffen seyn mag, jemals die Gewohnheit des Lobsingens von ihm ferne sey, indem er sagt: „In dem Orte meiner Wohnung.“ Denn er sagt nicht: In meiner Wohnung; sondern er sagt: „Im Orte meiner Wohnung;“ das heißt, an welchem Orte er immer seyn würde; er sieht nämlich ein, daß er ein Fremdling dieser Welt sey, daß aber Gottes Satzungen dennoch immer von ihm gesungen werden müssen.

6.

Wie sehr aber die Satzungen Gottes gesungen werden müssen, deutet er dadurch an, daß er keine Zeit vorbeiläßt, in der er nicht mit jenem Worte der himmlischen Geheimnisse sich beschäftigte. Er sagt nämlich: „Ich war eingedenk bei Nacht deines Namens, o Herr, und habe bewahret dein Gesetz.“ Er weiß, daß wir uns vorzüglich zur Nachtzeit des göttlichen Namens erinnern sollen. Er weiß, daß wir uns hauptsächlich dann an die Beobachtung des Gesetzes Gottes halten müssen, wann unreine Begierden unsere Seele beschleichen. Wann sündhafte Lockungen in Folge kurz vorher genossener Speise den Leib beunruhigen, dann muß man an den Namen Gottes denken, dann muß man sein Gesetz bewahren, welches Keuschheit, Enthaltsamkeit und Gottesfurcht vorschreibt. Er weiß, daß man hauptfächlich zu dieser Zeit Gott bitten, anflehen und gewinnen müsse, er, der an einem andern Orte sagt:753 „Ich werde waschen jede Nacht mein Bett, mit meinen Thränen mein Lager benetzen.“ Man darf dem Geiste nicht durch gefährliches müssiges Nachtwachen Erholung verschaffen; sondern man muß ihn mit Bitten, Gebeten und Bekenntnissen der Sünden beschäftigen, damit, wann vorzüglich zu Sünden des Leibes Gelegenheit gegeben ist, hauptsächlich dann diese Sünden durch den Gedanken an das göttliche Gesetz beseitiget werden.

7.

Hernach folgt: „Dieses wurde mir zu Theil, weil ich deine Satzungen durchforscht habe.“ Das Wort „Dieses“ bezieht sich auf das Erinnern, durch welches er bei Nacht des Namens Gottes eingedenk war. Der Ausdruck aber wurde mir zu Theil,“ bezeichnet nicht ein plötzlich zurückkehrendes oder auf kurze Zeit vorgenommenes, sondern ein immer in ihm bleibendes und gewissermassen durch das Wirken des Glaubens in ihm hergestelltes Erinnern; und dieses wurde ihm zu Theil, weil er die Satzungen durchforscht hat. Es ist also nützlich, in den Satzungen Gottes zu forschen, ohne zu irgend einer Zeit davon abzulassen; weil wir durch das Forschen in denselben immer die Erinnerung an Gott in uns bewahren durch Christum Jesum, welcher herrlich ist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Abhandlungen über die Psalmen, Band 2

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