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ט Theth.

Text

Der neunte Buchstabe ט Theth.

„Gutes hast du an deinem Knechte gethan, o Herr, nach deinem Worte. Lehre mich Güte, Zucht und Erkenntniß; denn deinen Geboten habe ich geglaubt. Bevor ich gedemüthiget wurde, habe ich gesündiget; darum habe ich dein Wort gehalten. Gut bist du, o Herr; und in deiner Güte lehre mich deine Satzungen. Vervielfältigt wurde gegen mich die Bosheit der Stolzen; ich aber werde mit meinem ganzen Herzen deine Gebote durchforschen. Gestockt ist wie Milch ihr Herz; ich aber betrachtete dein Gesetz. Gut ist es für mich, daß du mich gedemüthiget hast, damit ich lernte deine Satzungen. Besser ist für mich das Gesetz deines Mundes, mehr als tausende von Gold und Silber.“

1.

Schon im Anfange des Psalmes haben wir erinnert, daß in ihm nichts anders, als die Lehre des menschlichen Lebens enthalten sey, durch welche wir zur Erkenntniß Gottes, wie Kinder durch das Alphabet der Buchstaben, sollten unterwiesen werden. Denn der Prophet unterrichtet uns in seiner Person, wie wir in jeder Art der Pflicht gegen Gott uns benehmen sollten, damit wir, durch den erhaltenen Unterricht belehrt, an die Ordnung des Glaubens uns halten möchten, wie sie in eben jenem ersten Verse des neunten Buchstabens gelehrt wird. Denn es heißt also: „Gutes hast du an deinem Knechte gethan, o Herr, nach deinem Worte.“ Aber vielleicht werden Einige glauben, der Prophet habe von glücklichen Ereignissen gesprochen, und Gott für das Glück, welches ihm zu Theil geworden sey, gedankt. Allein er weiß, daß man auch im Unglücke Gott danken müsse; er weiß, daß man in allen Leiden und Drangsalen denjenigen, durch dessen Fügung diese Dinge hereinbrechen, mit Lobpreisung ehren müsse. Er weiß, daß der Arzt sorgfältig sey, welcher der faulen Vertiefungen der Wunden nicht schont. Er bedenkt, daß die Strenge der Väter gegen die Kinder wohlgemeint sey. Er wünschet, durch Versuchungen geprüft, und durch Geduld Gott wohlgefällig zu werden, und danket für das, was man für Unglück hält.

2.

Und diese unsere Ansicht, daß wir nämlich glauben, der Prophet habe so gebetet, lehrt der folgende Vers, wo es heißt: „Gutes hast du an deinem Knechte gethan, o Herr, nach deinem Worte.“783 Lehre mich Güte, Zucht und Erkenntniß; denn deinen Geboten habe ich geglaubt.“ Alles also, was Gott an seinem Diener thut, ist gut; denn er thut es nach seinem Worte. Was aber nach seinem Worte geschieht, das kann man nicht für böse halten; denn der, welcher allein gut ist, hat eine Gesinnung, welche voll Güte ist.

3.

Der zweite Vers also drückt, wie gesagt, die Gesinnung des Propheten aus, wo er bittet und sagt: „Lehre mich Güte, Zucht und Erkenntniß.“ Oben bekannte er, daß Güte gegen ihn bewiesen worden sey; warum bittet er also, wie wenn ihm diese unbekannt wäre, daß sie ihm gelehrt werden möchte? Doch damals war es Freude, welche aus dem Bekenntnisse des Glaubens hervorging, indem er glaubte, daß alles, was an ihm geschah, gut sey; jetzt aber ist es, der menschlichen Natur gemäß, Sache der Unwissenheit, wenn er um Belehrung bittet. Allein er will jene Güte lernen, mit welcher die Zucht verbunden ist. Denn die Zucht ist ein nothwendiges Mittel der Strenge dessen, welcher die Sünder tadelt, und die Fehlenden zurechtweiset. Die Zurechtweisung der Fehlenden aber trägt viel zum Fortschreiten in der Güte bei. Daher ist die Zucht der Strenge gut, aber der Prophet kennt sie noch nicht; denn er will sich nicht bloß Güte und Zucht, sondern auch Erkenntniß lehren lassen, indem er hiedurch das Gefühl seines Glaubens an den Tag legt; da er, obwohl er die Güte und Zucht noch nicht kennt, dennoch erklärt, daß sie von Gott für ihn gut seyen. Hinsichtlich der Erkenntniß aber haben wir schon an sehr vielen Orten gemeldet, daß diese sowohl der Apostel, als auch der Prophet unter die vorzüglichsten geistigen Gnadengeschenke gezählt habe. Daher bittet er, daß ihm, wie Güte und Zucht, so auch Erkenntniß möchte gelehrt werden, und gelehrt werden darum, weil er den Geboten Gottes glaubt; womit er andeutet, daß nur diejenigen, welche glauben und vertrauen, die Lehre der Erkenntniß erlangen können.

4.

Allein auch im dritten Verse bleibt der Inhalt und Sinn noch derselbe; denn er sagt: „Bevor ich gedemüthiget wurde, habe ich gesündiget; darum habe ich dein Wort gehalten.“ Trübsal und Leiden kommen nicht eher, als Sünden vorausgehen; und wir werden nicht eher durch Leiden gedemüthiget, als bis wir durch die Bosheit der Sünden die Leiden verdienen. Der Prophet gibt also zu verstehen, daß seine Demüthigung eine Besserung der Sünde sey; er weiß, daß deßwegen für ihn alles gut sey, was von Gott kommt, weil er das zu leiden verdient hat, was er bereits leidet. Er weiß auch, daß die Zucht eine Verbesserung der Fehler sey. Vorher hat er also gesündiget, dann aber wurde er gedemüthiget, und durch die Zucht der Demüthigung muß er gelehrt werden, daß er nicht sündige, und daß er die Worte Gottes halte; denn er ist, weil er gesündiget hat, schon gedemüthiget worden, und will, um nicht mehr sündigen zu können, in den Geboten Gottes verbleiben.

5.

„Gut bist du, o Herr, und in deiner Güte lehre mich deine Satzungen.“ Der Prophet weiß, daß die Satzungen Gottes gut sind, weil der gut ist, welcher dieselben aufgestellt hat. Er weiß, daß ihm nichts, ausser nach der Satzung Gottes, begegne; denn er hat ja bekannt, daß er zuvor gesündiget habe, und erst nachher gedemüthiget worden sey. Und da er oben gebeten hatte, man möchte ihn die Güte, Zucht und Erkenntniß lehren, bittet er jetzt, daß man ihn die Satzungen Gottes in Güte lehren möchte; denn die Satzung ist das Werk einer gerechten Sache, die ihm unbekannt ist; weil die Satzungen, welche in dem Gesetze ausgestellt sind, den Schatten der himmlischen Satzungen in sich fassen.

6.

Hierauf fügte er hinzu: „Vervielfältigt wurde gegen mich die Bosheit der Stolzen; ich aber werde von meinem ganzen Herzen deine Gebote durchforschen.“ Der Prophet, welcher alles mit Geduld und Gelassenheit ertrug, wurde von den Stolzen und Gottlosen schmählich behandelt. Denn wenn Jemand die Vorwürfe dreier Könige gegen den Job erwäget, so wird er einsehen, durch welche Schmähungen der Spötter er gereitzt werde. Denn alle Gottlosen, welche sehen, daß die Diener Gottes durch Leiden gebessert werden, pflegen ihnen diese Vorwürfe zu machen: „Wo ist der Glaube, wo die Hoffnung auf Gott? Wo ist die Macht des Helfers, wo des guten Gottes Barmherzigkeit?“ Gegen diese ist ein starker und gläubiger, auf die Gebote Gottes gerichteter und damit beschäftigter Geist nöthig, damit er nicht, wenn so viele Unbilden der Stolzen gegen ihn angehäuft werden, weiche, sondern immer spreche: „Gutes hast du an deinem Knechte gethan, o Herr;“ wie jener herrliche und selige Besieger der menschlichen Leiden sprach:784 „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, der Name des Herrn sey gepriesen.“

7.

Hernach folgt: „Gestockt ist wie Milch ihr Herz; ich aber betrachtete dein Gesetz.“ Das Herz der Stolzen, sagt er, ist gestockt wie Milch. Die Milch hat eine liebliche Gestalt und einen angenehmen Geschmack; wird sie aber durch irgend einen nachtheiligen Einfluß verderbt, so pflegt sie zu gerinnen, verliert ihre Eigenschaft des süssen Geschmackes, und wird durch einen widrigen und sauern Geschmack verdorben. Es waren also die Gottlosen früher, da sie den Propheten noch in glücklichen Umständen sahen, Freunde des Glückes, schmeichelten unter der Maske der Aufrichtigkeit, und waren wie Milch. Sobald sie aber in Folge der Erniedrigung des heiligen Mannes Stolz und Verachtung desselben ergriff, stockten sie, nachdem sie vorher Milch gewesen waren, und nahmen nach ihren freundlichen und süssen Schmeicheleien die Bitterkeit eines verderbten und säuerlichen Geschmackes an. Obwohl aber diese wie Milch gestockt waren, betrachtete doch der Prophet das Gesetz Gottes; er betrachtete es aber zu dem Zwecke, daß er sagen könnte, was in dem folgenden Verse enthalten ist.

8.

„Gut ist es für mich, daß du mich gedemüthiget hast.“ Obgleich die Bosheit der Stolzen sich vervielfältiget, und ihr Herz wie Milch stocket; so weiß der Prophet doch, daß seine Demüthigung für ihn gut sey; er weiß, daß785 nach dem Apostel die Tugend durch die Leiden vollkommen werde. Gut ist jedes Leiden, gut sind alle Drangsale, durch welche man die Satzungen Gottes kennen lernt; in welchen man sieht, wie Gott die Sünder durch die Demüthigung bessere, wie er die Fehlenden durch Strenge im Zaume halte, wie er die Unwissenden durch Belehrung unterweise. Denn darum ist es für ihn gut, daß er gedemüthiget wurde, weil er durch die Demüthigung die Satzungen Gottes lernte. Er hatte nämlich früher gesündiget, als er gedemüthiget wurde; und die Demüthigung ist für ihn gut, weil er durch sie die Satzung Gottes kennen lernt.

9.

Er schloß aber auf folgende Weise: „Gut ist für mich das Gesetz deines Mundes, mehr als tausende von Gold und Silber.“ Der Inhalt dieses Schlusses ist nicht einfach. Denn es hätte für die Freude des Propheten genügt, wenn er gesagt hätte: „Gut ist für mich dein Gesetz. Da er aber sagte: Das Gesetz deines Mundes,“ so wollte er mehr darunter verstanden wissen. Gott hat durch Moses das Gesetz ausgesprochen, er hat es durch die Propheten ausgesprochen; allein dieses ist das Gesetz Gottes, nicht auch das Gesetz des Mundes Gottes. Der Mund Gottes aber ist der, welcher auch die Kraft Gottes ist, welcher auch die Weisheit Gottes ist, welcher auch der Arm Gattes ist, welcher auch das Ebenbild Gottes ist, nämlich unser Gott und Herr Jesus Christus, welcher sagt:786 „Selig sind die Armen im Geiste; denn ihrer ist das Himmelreich;“ welcher spricht:787 „Selig sind die Trauernden; denn sie werden getröstet werden;“ welcher sagt:788 „Segnet die, welche euch verfolgen, und betet für die, welche euch lästern und verfolgen.“ Von diesem Gesetze sagte der Prophet, daß es gut für ihn sey, und zwar gut, nicht mit der Angabe einer Zahl, welche aus einer Vergleichung, einer Bestimmung und einer Messung hervorginge, sondern mehr als tausende von Gold und Silber.“ Unbestimmt ist dieser Ausdruck, da es heißt „tausende;“ denn unendlich gut ist das Gesetz des Mundes Gottes. Durch die Vergleichung mit den kostbarsten Dingen auf der Erde aber deutet er den Nutzen jener Güter in Christus an, welche von Gott bestimmt sind. Amen.

Abhandlungen über die Psalmen, Band 2

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