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2.4.9 Barmherzigkeit

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Die Barmherzigkeit ist die Tugend, das Leid anderer Menschen gewahr zu werden und sich seiner durch Hilfe anzunehmen. „Barmherzigkeit ist damit die Quelle der sozialen Gerechtigkeit.“ Deshalb gilt: „Gnade ist die Stütze der Gerechtigkeit“ (aus Russland). In den Religionen hat die Barmherzigkeit einen hohen Stellenwert. Im Christentum und Judentum ist sie eine herausragende Eigenschaft Gottes (z. B. 2. Mose 34, 6). Aus Barmherzigkeit rettet Gott die Menschen aus ihrer Verstrickung in ihre Schuld. Die von Gott erfahrene Barmherzigkeit wird für gläubige Menschen zur Motivation und steht in enger Verbindung zu Nächstenliebe, Menschenliebe, Hilfsbereitschaft und Humanität: „Selig sind die Barmherzigen, den sie werden Barmherzigkeit erlangen“ (Matthäus 5,7).

► Wie zeigt sich Barmherzigkeit in der Praxis? „Wohl dem, der sich des Schwachen annimmt“ (Bibel: Psalm 41, 2). Für Thomas von Aquin hat die Barmherzigkeit einen besonders hohen Stellenwert: „An sich ist die Barmherzigkeit die größte der Tugenden.“ Und: „Barmherzigkeit beginnt im eigenen Haus – aber sie sollte dort nicht enden“ (Sprichwort). Interessant ist: „Großherzigkeit ist der Klugheit keine Rechenschaft über Motive schuldig“ (L. de. Vauvenargues). Die Barmherzigkeit hat Folgen: „Wer andere in Not aufrichtet, richtet sich selber auf“ (unbekannt). Auch: „Selig, die barmherzig sind, denn sie werden Erbarmen finden“ (Bibel: Matthäus 5,7). Und: „Gott wird sich niemandem erbarmen, der sich der Menschen nicht erbarmt“ (Mohammed). Auch der heutige Papst äußert sich treffend dazu: „Die Barmherzigkeit Gottes kommt von oben. Es ist an uns, als Amtsinhaber der Kirche, diese Botschaft lebendig zu halten …“ (Papst Franziskus).

► Die Barmherzigkeit wird aber auch kritisch gesehen: „Barmherzigkeit ist eine überholte und eine unzeitgemäße Tugend“ (unbekannt). Typisch: „Wahrlich, ich mag sie nicht, die Barmherzigen, die selig sind in ihrem Mitleiden. Zu sehr gebricht es ihnen an Scham“(F.W. Nietzsche). Mancher hat Probleme damit: „Das Tor der Barmherzigkeit ist schwer zu öffnen und schwer zu schließen“ (aus China). Und: „Man erlaubt gern der Wohltätigkeit eine wunderliche Außenseite“ (J.W. von Goethe). Alles ist relativ: „Barmherzigkeit gegen die Wölfe ist Unrecht gegen die Schafe“ (aus Holland). Noch schlimmer: „Wenn Gnade Mörder schont, verübt sie Mord“ (W. Shakespeare). Barmherzigkeit hat Folgen: „Mitleid und Erbarmen verderben das Geschäft“ (aus Indien). Auch: „Eine allzu reichliche Gabe lockt Bettler herbei, ohne sie abzufertigen“ (J.W. von Goethe). Zu Ende gedacht: „Wird der Reiche wahrhaft barmherzig, so hört er bald auf, reich zu sein“ (L. Tolstoi).

► Was lernen wir daraus? Die Barmherzigkeit ist keinesfalls eine unzeitgemäße oder überholte Tugend.146 Als Schlüssel zum Leben ist sie in unserer Gesellschaft allerdings ein sträflich vernachlässigtes Thema.147 Wir stellen zumindest für die Christenwelt fest: „Wer andern gegenüber nicht hilfreich ist, der kann nicht sein ein guter Christ.“* In dem Apostolischen Schreiben vom 26. 11. 2013 weist Papst Franziskus insbesondere auf die Bedeutung der Barmherzigkeit hin.

Die sieben leiblichen Werte der Barmherzigkeit sind: Die Hungrigen speisen, den Dürstenden zu trinken geben, die Nackten bekleiden, die Fremden aufnehmen, die Kranken besuchen, die Gefangenen besuchen und die Toten begraben. Die sieben geistigen Werke sind: die Unwissenden lehren, den Zweifelnden recht raten, die Betrübten trösten, die Sünder zurechtweisen und die Lästigen geduldig ertragen. Denen, die uns beleidigen, gerne verzeihen, für die Lebenden und die Toten beten. Ist das alles für uns Menschen zu hoch gegriffen und nicht erfüllbar? Tun wir selbst genug für andere Menschen?

„Wir sprechen zwar ernsthaft über Barmherzigkeit,

aber wir tun in unserer Bequemlichkeit zu wenig“

(Horst-Joachim Rahn)

Alle gläubigen Menschen sind zur Barmherzigkeit verpflichtet: „Liebe, Almosen, Hingabe und Geduld sind die vier Dinge, die aus einem Menschen einen Heiligen machen“ (aus Italien). So weit gehe ich allerdings nicht. Aber: „Almosen geben macht nicht arm, Stehlen nicht reich und Reichtum nicht weise“ (aus England). „Da die Barmherzigkeit eine Eigenschaft Gottes ist, ist sie in ihrer Gesamtheit für uns Menschen wohl niemals erreichbar.“*

Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums

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