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2. 4. 15 Menschlichkeit

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Die Menschlichkeit ist als Tugend die humane Gesinnung eines Menschen. Sie äußert sich beispielsweise in der Achtung des Mitmenschen, Toleranz Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Nachbarschaftshilfe, Engagement in sozialen Einrichtungen und im achtsamen Umgang mit der Natur. „Dabei heißt tolerant sein, Widersprüche aushalten können“ (G. Grass). Der Gedanke der Humanität umfasst auch die allgemeine Menschenwürde, wie sie im Grundgesetz verankert ist:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“

(Art. 1, 1 Grundgesetz)

Die Menschlichkeit hat auch im Rahmen der Menschenführung als Erfolgsfaktor ihren Stellenwert.160 Grundsätzlich gilt für uns alle: „Behandle Menschen immer so, wie du selbst behandelt werden möchtest“ (nach I. Kant). Der kluge Schöpfer des kategorischen Imperativs lebte in Königsberg und konnte sich im Alter ein Haus, einen Hausdiener und eine Köchin leisten. Kant wird – etwas überzeichnet – als spröder, pünktlicher und professoraler Typ dargestellt. In seiner Studienzeit war er ein guter Katenspieler und verdiente sich sein Studium auch mit Billardspielen. Später litt er an der Alzheimer-Krankheit und war am Ende total orientierungslos.161 Er starb 80jährig in Königsberg. Seine Forderungen nach mehr Menschlichkeit gelten bis heute. Auch der Dalai Lama162 fordert seit Jahren engagiert: „Alles, was wir brauchen, ist mehr Menschlichkeit.“ Das Gegenteil ist die Unmenschlichkeit, die sich z. B. in Rücksichtslosigkeit, Gewalt und unterlassener Hilfeleistung zeigt. Die Menschlichkeit grenzt sich auch von verschiedenen tierischen Eigenheiten und Gegebenheiten ab.

► Was bedeutet Menschlichkeit? „Sie ist die höchste Tugend“ (L. de Vauvenargues). Und: Menschlichkeit ist Humanität: „Sie besteht darin, dass niemals ein Mensch einem Zweck geopfert wird“ (A. Schweitzer). Woran ist sie zu messen? „Menschlichkeit misst sich vor allem an Demut“ (K. Feldkamp). Wie entfaltet sie sich? „Das Wesen der Menschlichkeit entfaltet sich nur in der Ruhe. Ohne sie verliert die Liebe alle Kraft ihrer Wahrheit und des Segens“ (J.H. Pestalozzi). Wie kann man sie erhalten? „Man muss sich besiegen lassen und Menschlichkeit haben“ (Moliére). Zum Verhältnis von Vernunft und Menschlichkeit: „Der Mensch soll nicht vernünftiger, er soll menschlicher werden“ (I.G. von Herder). Zur Partnerschaft äußert sich der österreichische Dichter E. Ferstl: „Solange die Menschlichkeit uns miteinander verbindet, ist mir völlig egal, was uns trennt.“ Und: „Lieben ist für mich die schönste Art von Menschlichkeit“ (D. Wieser). Für uns alle ist wichtig: „Die wirkungsvollste Energiequelle unseres Lebens ist und bleibt die menschliche Wärme“ (E. Ferstl).

► Der Schweizer Journalist W. Ludin wirft die entscheidende Frage auf: „Es gibt Milliarden von Menschen. Warum gibt es so wenig Menschlichkeit?“ Wieso wird die oben gepriesene Menschlichkeit nicht überall im Kleinen und auch im Großen praktiziert? In Mikrosicht eruieren wir: „Bei den meisten Erfolgsmenschen ist Erfolg größer als die Menschlichkeit“ (D. du Maurier). In Makrosicht kann auch aktuell festgestellt werden: „Die fürchterlichen Massaker wurden niemals von Skeptikern oder Nihilisten verübt, sondern von Gläubigen und Utopisten, im Namen von mächtigen Idealen“ (R. Burger). Und für die Politik gilt: „Geschickte Reden und eine zurechtgemachte Erscheinung sind selten Zeichen der Mitmenschlichkeit“ (Konfuzius). Nicht wenige Menschen haben mit der Menschlichkeit nicht nur gute Erfahrungen gemacht: „Wer sich in unserer Gesellschaft menschlich zeigt, unterliegt der Gefahr, ausgenutzt zu werden.“* Deshalb kommt G. Uhlenbruck zu keinem erfreulichen Ergebnis: „Mensch zu sein, das ist heute ein Risikofaktor.“ In anderer Sicht wird Menschlichkeit vorgetäuscht, aber nicht dementsprechend gehandelt: „Sie trinken heimlich Wein. Und predigen öffentlich Wasser“ (H. Heine). Die deutsche Lyrikerin R. Bloch folgert: „Wir sind dort verloren, wo die Menschlichkeit ihr Gesicht verliert.“

► Mögliche Synthese mit Oscar Wilde, der liberal reagiert: „Jeder Mensch hat seinen wunden Punkt und erst das macht ihn menschlich.“ Diese Sicht trifft aber nur partiell zu. Die Menschlichkeit wird meistens erst dann zum wirklichen Thema, wenn wir Menschen sie entbehren müssen. Leider verzeichnen wir auch in unserer Gesellschaft eine zunehmende menschliche Kälte und teilweise einen Mangel an Menschlichkeit, beispielsweise wenn Menschen brutal zusammengetreten werden, obwohl sie hilflos am Boden liegen. Die Aggressionen von Menschen kommen hier an eine Schmerzgrenze.163 „Was nutzt das Bekenntnis zur Unantastbarkeit der Würde des Menschen, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Um der Menschlichkeit wieder mehr Geltung zu verschaffen, dürfen wir alle nicht müde werden, durch eigenes Vorbild und bewusstes und zielgerichtetes Verhalten gegen die Unmenschlichkeit anzugehen.“* Und wir stellen resignierend fest: „Solange Menschlichkeit nur von den anderen gefordert wird, wird das nichts.“* Außerdem: „Ohne den konsequenten Kampf gegen die sozialen Missstände in unserem Landes werden wir das Böse nicht in den Griff bekommen, zumal die Untugenden immer stärker vorankommen.“* Vor allem: „Menschlichkeit bedeutet Herzenswärme.“* Zum Schluss noch die Erkenntnis: „Jeder Mensch ist verdammt, bis in ihm die Menschlichkeit erwacht“ (W. Blake).

Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums

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