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2.5.6 Neid

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Der Neid ist das ethisch vorwerfbare, intensive Empfinden des Menschen, nämlich seine Auffassung, die Besserstellung anderer Menschen sei ungerechtfertigt. Bosheit, Feindseligkeit, ohnmächtiges Begehren, verborgener Groll und Gehässigkeit beschreiben dieses Laster.180 Es ist eine Missgunst mit dem Wunsch, diese Besserstellung (z. B. Besitztümer, Gesundheit, Schönheit, Status) selbst zu besitzen bzw. ist das große Verlangen, sie anderen wegnehmen zu wollen. Im Christentum zählt der Neid zu den 7 Todsünden, weil gerade er die dunkle Seite der menschlichen Natur zeigt. Das Gegenteil des Neids ist das Wohlwollen. Neid hat viele, aber kaum freundliche Gesichter.181 Nach Nietzsche begründet sich die soziale Gerechtigkeitsbewegung in dem Neid der zu kurz Gekommenen und sie zeigt sich z. B. im Sozialneid. Der kollektive Neid ist oft verbunden mit der Empörung über die ungerechte Güterverteilung und kann weitgehende politische Wirkungen haben.182 „Gerade heute ist Sozialneid nicht zu unterschätzen.“* Niccolo Paganini meint grundsätzlich: „Die Tüchtigen werden beneidet, den Talentierten wird geschadet und die Genies werden gehasst.“ Demgegenüber gibt es bei den Tieren den Futterneid. Auch der Neid lässt sich unterschiedlich bewerten.

► Der Neid ist heute in unserer Gesellschaft als Untugend leider sehr weit verbreitet, denn: „Die gefährlichsten Herzkrankheiten sind immer noch Neid, Hass und Geiz“ (P.S. Buck). „Der Neider gönnt anderen auch das nicht, was er selbst nicht haben möchte“ (M. Pickford). Aus Frankreich stammt die Erkenntnis: „Der Neid ist die Wurzel aller Übel.“ Er lässt den Betroffenen einfach nicht in Ruhe, wie uns ein Spruch aus Großbritannien vermittelt: „Der Neid ist sein eigener Folterknecht.“ Eigenartig ist, dass ein Neider die Gegebenheiten meist überzogen bewertet: „Neid schaut immer durchs Vergrößerungsglas“ (E. Blanck). In der Gruppe hat es sich auch folgendes gezeigt: „Auf Neid ist mehr Verlass als auf Solidarität“, wie H.J. Quadbeck-Seeger richtig bemerkt. Mitunter kommt der Neid schneller auf als uns recht sein kann: „Kaum hat mal einer ein bissel was, gleich gibt es welche, die ärgert das“ (W. Busch). Zuweilen setzt sich der Neid längerfristig fest: „Unser Neid dauert stets länger als das Glück derer, die wir beneiden“ (La Rochefoucauld). Wer anderen etwas neidet, behält es meist nicht für sich: „Die Tochter des Neids ist die Verleumdung“ (G. Casanova). Deshalb sind wir über folgendes nicht erstaunt, was J.W. von Goethe erkannt hat: „Man darf sich nicht wundern, wenn Neid schnell in Hass übergeht.“ Neid hat auch eine Schwester: Die lachende Schwester des Neides ist die Schadenfreude.183 Sie ist eine positiv erlebte Emotion, der in der Regel Neid vorausgegangen ist, obwohl die angemessene Reaktion Mitleid wäre.

► Ist der Neid der Menschen wirklich so groß oder ist das alles übertrieben? Die deutsche Sozialwissenschaftlerin N. Pomes beschwichtigt: „Neid zeigt uns unsere Wünsche.“ Spitzbübisch ist die Feststellung von W. Busch: „Der Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung.“ Ähnlich: „In Deutschland ist die höchste Form der Anerkennung der Neid“ (A. Schopenhauer). Manchen zurückgezogen lebenden Menschen baut der Neid sogar auf: „Nichts hilft so gut, die Einsamkeit zu überbrücken wie der Neid“ (M. Genin). Nach Oscar Wilde ist Neid auch mit Anerkennung verbunden, denn: „Die Anzahl unserer Neider bestätigt unsere Fähigkeiten.“ Vor allem wird einem der Neid nicht geschenkt: „Neid muss man sich sehr hart erarbeiten“ (E. Reuter). Es ist bekannt: „Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich verdienen“ (R. Lembke). Der griechische Arzt und Dichter Epicharmos geht noch weiter: „Wer von niemandem beneidet wird, der ist nichts wert.“ Mancher genießt den Neid: „Erfolg ist nur halb so schön, wenn es niemanden gibt, der einen beneidet“ (N. Mailer).

► Was lernen wir daraus? Der Menschenkenner A. Schopenhauer bringt es auf den Punkt: „Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt.“ Müssen wir wirklich gegenüber anderen Menschen neidisch sein? Ich sage: „Missgunst und Neid sind keine guten Ratgeber, sondern Merkmale des Bösen.“* „Wie gleichen sich doch Mensch und Tier in Neid und Gier“ (P.E. Schumacher). Neid wird es immer geben: „Die Neider sterben wohl, doch nimmer mehr der Neid“ (Molière). Auch zeigt die Erfahrung: „Neid braucht keinen Grund“ (E. Klepgen). „Neidische Menschen sind doppelt schlimm dran: denn sie ärgern sich nicht nur über das eigene Unglück, sondern auch über das Glück der anderen“ (Hippias). Wie entsteht Neid?

„Neid entsteht aus Schwäche, Kleinmut, mangelndem Selbstvertrauen, selbstempfundener Unterlegenheit und überspanntem Ehrgeiz. Deswegen verbirgt der Neider seinen unschönen Charakterzug schamhaft. Geht es dem Beneideten an den Kragen, genießt der Neider stille Schadenfreude“

(G. Aly)

Deshalb kommen wir zu dem Ergebnis: „Das sicherste Zeichen des wahrhaft verständigen Menschen ist Neidlosigkeit“ (La Rochefoucauld). Wie sollten wir Menschen uns denn verhalten? Mit der Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach können wir zusammenfassen: „Andere neidlos Erfolge erringen sehen, nach denen man selbst strebt, ist Größe.“ Oder etwas anders ausgedrückt: „Andere glücklich und zufrieden zu sehen ist eine der größten Herausforderungen für unseren Neid.“*184 Zum Schluss der hilfreiche Rat von Seneca: „Dem Neide wirst Du entgehen, wenn Du verstehst, Dich im Stillen zu freuen.“

Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums

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