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2.5.5 Zorn

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Der Zorn ist die extreme emotionale Erregung eines Menschen und hat eine lange Kultur- und Literaturgeschichte.176 Er kommt in der Praxis als heftiger Ärger, wutartiger Affekt, Aggression, Wut und Impulsivität vor177 und kann schnell zu unkontrollierten Handlungen führen, z. B. zum Anbrüllen anderer Menschen oder zum lauten Fluchen. Er existiert auch als Zürnen, beispielsweise als Zorn über eine Untat, als Jähzorn, als Volkszorn und zuletzt als „Zorn Gottes“. Der Wut geht eine persönliche Kränkung voraus, beispielsweise wenn jemand sehr ungerecht behandelt wird. Wieso? „Auch Ursachen haben Ursachen“ (H.U. Bänziger). Zorn ist als Untugend mit Unmut und häufig mit Unzufriedenheit verbunden. Die Empörung ist ein weiterer Zustand der Erregung. Im Christentum ist der Zorn eine der 7 Todsünden.178 Das Gegenteil von Zorn ist Geduld. Dem Zorn wird ein gewisses Verständnis, aber auch viel Unverständnis entgegengebracht.

► Thesen: Zorn ist als Erregung etwas Normales, denn kein Mensch ist normalerweise in der Lage, die Ungerechtigkeiten dieser Welt so einfach hinzunehmen. Auch Martin Luther hat das gespürt: „Der erste Zorn ist immer der beste.“ Definitiv: „Der Zorn ist kurze Raserei.“ (Horaz). Auch unerfüllte Liebe kann mit Zorn verbunden sein: „Liebe kennt keinen Hass, aber Zorn (P. Mommertz). Und es gilt: „Wer nie im Zorn erglühte, kennt auch die Liebe nicht“ (E.M. Arendt). Sogar: „Zorn macht Schwache stark“ (Ovid). Zorn ist häufig mit Lautstärke verbunden: „Der Zorn bläst laut ins Horn.“* Die Reaktion darauf sollte nicht laut sein, denn: „Sanfte Rede stellt den Zorn“ (Sprichwort). Ein wahres Wort: „Die Empörung ist der Zorn der Gerechtigkeit“ (S. Prudhomme). Wenn die Gerechtigkeit verletzt wird, sollten wir uns mehr darüber aufregen! Wir lassen uns viel zu viel bieten, ohne uns zu wehren, sagt St. Hessel, und damit hat er Recht: „Empört Euch“: en francais: „Indignez vous!“179

► Antithesen: Der Zorn hat als Untugend auch eine bösartige Seite: „Ach, der Zorn verderbt die Besten“ (F. von Schiller). „Der Zorn verrät ein böses Gewissen“ (F. von Schiller). „Ein kurzes Wort mit Unbedacht bringt Jahre voller Zorn und Krach“ (A. Bechstein). Mitunter kann es schlimm ausgehen, denn: „Der Zorn schafft eine Waffe“ (Vergil). Vielfach gilt: „Im Zorn trifft man nur selten gute Entscheidungen“ (E. Limpach). „Keine Leidenschaft trübt die Unvoreingenommenheit des Urteils mehr als der Zorn“ (M. de Montaigne). Auch der Glaube der Juden stellt richtig: „Sobald der Mensch in Zorn gerät, gerät er in Irrtum“ (Talmud). Und: „Nimmer hat die Wut sich gut verteidigt“ (Shakespeare). Manchmal geht es hitzig zu: „Wo es funkt, kann es heiß werden“ (P.F. Keller). Aber: „Jähzornige Frauenzimmer – gleich wie Männer auch – sind weniger schlimm als stille Wasser, welche tief“ (Euripides). Man glaubt es kaum: „Auch im Lamm ist Zorn“ (Sprichwort). Nicht selten: „Ohnmacht züchtet Wut“ (E. Pannek). Zuweilen gilt auch: „Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tötet man“ (F.W. Nietzsche). Manchmal geht es sehr laut zur Sache: „Zorn ist eine große Kraft, die mehr Leid als Freude schafft“ (L. Hirn). Und: „Ärger ist wie Säure. Er zerfrisst vor allem das Gefäß, in dem er sich befindet“ (P. Hohl). Zum Schluss: „Der Zorn lässt die Menschen nicht alt werden“ (Sprichwort). Deshalb kommen wir zu dem klaren Ergebnis: „Wut muss man bekämpfen“ (Shakespeare).

► Synthese: „Kann sich der Mensch einerseits in seiner Erregung wehren, aber anderseits sein eigene Wut bekämpfen? Ja, denn alles zu seiner Zeit. Manchmal muss man sich u. U. auch lautstark empören, z. B. wenn ein hilfsbereiter älterer Mensch von einem Rüpel niedergeschlagen und obwohl er hilflos am Boden liegt immer noch getreten wird.“* In anderen Fällen ist es wichtig, dass man sich zusammenreißt, nämlich wenn man sich aus persönlichen Gründen verständlicherweise geärgert, der Partner es aber ganz anders gemeint hat. Merke: „Missverständnisse lösen nicht selten Zorn aus.“* „Auch zu viel Alkohol kann Zorn mit sich bringen.“*

Deshalb: „Der Edle bändigt seinen Zorn und mäßigt seine Triebe“ (aus China). Wie kann man auf Zorn reagieren? Vor allem: „Dem Zornigen soll man das Schwert nehmen.“ Außerdem: „Tue nie etwas aus momentanem Zorn heraus.“ Der folgende gute Rat ist schon sehr alt: „Das größte Gegenmittel gegen den Zorn ist der Aufschub“ (Seneca). „Manchmal ist es gut, dass man ausweicht (z. B. nach draußen gehen), wenn man den Zorn spürt.“* Denn: „Zorn ist ein Windsturm, der die Lampe des Verstandes ausbläst“ (R.G. Ingersoll). Folgendes ist auch richtig:

„Es ist besser, im Zorn zu kommen und im Frieden zu gehen, als in Frieden zu kommen und im Zorn zu gehen“

(W.J. Reus)

Übrigens: „Gemütsmenschen kommen aufgrund ihres Wesens mit der Bekämpfung von Wut besser zurecht als Choleriker, da diese meistens zum Aufbrausen neigen.“* Zum Schluss versöhnlich: „Wenn der Zorn verebbt, flutet die Reue“ (G. Uhlenbruck).

Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums

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