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Der erste Fliegeralarm

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Wir sollten unsere Kleidung so auf unseren Schemeln ablegen, dass wir uns schnell anziehen konnten. Man sagte dazu auch „Päckchen bauen“. Das wurde in der freien Zeit im Lehrlingsheim geübt. Auch Probealarme wurden durchgeführt, wobei es vor allem darum ging, uns im Dunkeln schnell anzuziehen.

Der Heimleiter war mit uns zufrieden. Wir hatten im Heim keine Keller und so auch keine Schutzräume. Dazu war vereinbart, dass wir in die Keller der Einfamilienhäuser gehen könnten, die am Berg über dem Arbeitsdienstlager standen. An der oberen Grenze dieses Lagers war noch ein Tor, von dem aus man über eine etwa 80 Meter breite Wiese in mittlerer Hanglage zu diesen Häusern gelangen konnte. Unsere Baracke stand etwa zehn bis zwölf Meter vom oberen Zaun entfernt, wo es natürlich auch schräg nach oben ging, aber wesentlich steiler als auf der Wiese. Man konnte das eher als eine Böschung betrachten. Dazu kam noch, dass man von der linken Seite aus einen Weg aufgeschüttet hatte, der mindestens mit einem Gespann befahren werden konnte.

Durch dieses Tor sind wir bei schönem Wetter zur Arbeit gegangen. Da war es etwas näher zum Betrieb. Wir konnten einen hinteren Betriebseingang nutzen und so war der Weg nicht zu weit. Für Lehrlinge, die im oberen Betriebsbereich eingesetzt waren, wirkte sich das besonders günstig aus. Doch dazu gehörte ich noch nicht. Bei schönem Wetter deshalb nur, weil der Hang in das Tal bei Heinrichs schlammig und glatt wurde. Da konnte man sich gut die „Klamotten einsauen“. Wenn wir auf der Anhöhe zum Betrieb gingen – wir marschierten da nicht mehr – war es interessant zu sehen, wie sich der Dampf der Lokomotiven bei ruhiger Morgenluft wie eine Perlenkette über den Zug und dann über das Tal streckte. Eine Zeit lang konnten wir auch zusehen, wie ein Flugzeug, eine Dornier II, gegen die Nonnen, einen Holzschädling, Gift versprühte. Das Flugzeug stürzte ab und es kreiste dann kein anderes mehr.

Inzwischen lernten wir unsere Leute vom Luftschutzkeller kennen und es gab ein „Probesitzen“. Die Häuser gehörten zur Lauterbergsiedlung in der auch das Haus meines Onkels Hans stand. Unsere „Kellerhäuser“ standen am Rand des Berges und das Haus von Onkel Hans befand sich am anderen Ende dieser Siedlung. Ich hab mich dort bei Tante Lotte ab und zu einmal sehen lassen. Onkel Hans war ebenfalls eingezogen.

Der Krieg war nun schon über zehn Monate lang und keiner von uns glaubte, dass es einmal in dieser Gegend zu einem Bombenangriff kommen werde, zumal wir nun schon Frankreich besiegt hatten. Doch da ertönten in einer Nacht die Sirenen. Wir verhielten uns wie geübt und saßen dann im zugewiesenen Keller. Ich weiß nicht mehr, wie lange der Alarm andauerte. Wir waren endlich froh, wieder in unsere Koje zu kommen.

Nach unserem Ermessen war weiter nichts geschehen. Wir hatten uns aber getäuscht. Nicht einmal so sehr weit entfernt von unseren Kellern, aber in Richtung unseres Betriebes, waren drei Bomben eingeschlagen. Erhard Haider, der Heimleiter, schlug uns vor, die Bombentrichter gemeinsam aufzusuchen. Erwartungsvoll ging es los. Zum oberen Tor hinaus gingen wir an den „Kellerhäusern“ vorbei in Richtung Albrechts. Etwa auf der halben Strecke zu diesem Ort bogen wir nach links in die Richtung zu unserem Betrieb ab. Bald sahen wir drei große Löcher, die Bombentrichter. Wir erkannten auch, dass die Bomben fast in den Betrieb gefallen wären. Das abwerfende Flugzeug hatte genau die Richtung zur Mitte des Betriebes gehabt und die Bomben zwei oder drei Zehntelsekunden zu früh ausgelöst. Der letzte Trichter war am Rand des Hanges, der zum Betrieb abfiel. Und der war steil. Wir konnten das alle gar nicht fassen. Keiner von uns hatte ein Flugzeugbrummen oder die Bombeneinschläge gehört. Wir redeten von einem Geisterflugzeug. Später, in den letzten Kriegsmonaten wurde die gesamte Lauterbergsiedlung, wo vor allem Gustloff-Arbeiter wohnten, von Bomben zerstört.

Als ich in den 1980er Jahren einmal kurz dort oben war, fand ich zwar neue Häuser aber nicht die alte Struktur wieder. Tante Lotte war 1942 in das Stadtzentrum von Suhl gezogen.

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