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Steiniger Beginn

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Der Vater hielt nichts von den Plänen Don Rebuzzinis, Angelino zum Pfarrer von Carvico zu schicken, damit ihm dieser die Grundzüge des Lateinischen beibringe. Eine gute Note in Latein war ja merkwürdigerweise das wichtigste Kriterium, ob sich ein Bub für den Priesterberuf eignet. Eine heimliche Allianz von Pfarrer, Mutter und Patenonkel Zaverio schaffte es schließlich, den Widerstand des Vaters so zu mildern, dass Angelo zum Pfarrer von Carvico geschickt werden konnte. Dieser Pfarrer, Don Pietro Bolis, war eine mächtige Erscheinung und hatte Hände wie der homerische Riese Polyphem – und er gebrauchte sie nicht nur für geistliche Handlungen, sondern nur allzu gerne auch für kräftige Ohrfeigen und Kopfnüsse. Besonders schwere grammatikalische Verstöße wurden mit öffentlichem Knien vor dem Pfarrhaus geahndet. Als aus Angelino sechzig Jahre später der ehrwürdige Patriarch von Venedig geworden war, erinnerte er sich mit Schmunzeln daran, aber die Pädagogik von damals lehnte er kategorisch ab: Schläge würden alles nur schlechter machen, man müsse erklären und nicht verdammen – si deve spiegare e non spregiare! In der visionären Eröffnungsansprache zum II. Vatikanischen Konzil wird er Ähnliches sagen. Irrende wird die Kirche nicht mehr »mit größter Strenge verurteilen«, sondern »eher das Mittel der Barmherzigkeit« gebrauchen und in der Lehre lieber argumentieren als strafen.

Als Angelo noch keine zehn Jahre alt war, entschieden Pfarrer und Eltern, ihn als externen Schüler an das Bischöfliche Kolleg von Celana zu schicken. Das Internat konnten sich die Roncallis nicht leisten, also wurde Angelo bei Verwandten untergebracht, hatte aber noch immer einen Schulweg von drei Kilometern, täglich zweimal. 1942 erinnerte sich Erzbischof Roncalli in einem Brief an seine Nichte Enrica an die Härte dieses Schulbesuchs: »Nach den Weihnachtsferien begleitete mich unser Vater zu den Wäldern von Faida hin, oberhalb von Villa d’Adda, und ließ mich dann allein nach Pontida weitergehen, wo ich im Haus unserer Verwandten wohnte. Wie ich da allein im Wald und in der Kälte stand und an die Wärme daheim zurückdachte, da weinte ich.«

Das Schuljahr 1891/92 war ein Jahr des Horrors. Täglich drei Kilometer zu Fuß ins Kolleg und drei zurück. Im Haus der Verwandten war ständig Streit wegen irgendwelcher Erbangelegenheiten. Die Mitschüler im Kolleg waren verwöhnte Knäblein aus der ortsansässigen Oberschicht, die den schlecht gekleideten und der italienischen Hochsprache anfänglich nur dürftig mächtigen Bauernbuben ausgrenzten und sogar mutwillig falschen Verdächtigungen aussetzten. Und der Lateinlehrer im Kolleg? Roncalli erinnert sich später: »Er verstand vielleicht etwas von Latein, aber von Pädagogik hatte er keine Ahnung. Alles was ich in Carvico unter so vielen Schmerzen gelernt hatte, war wie weggeblasen!«

Ein Heiliger kann jeder werden

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