Читать книгу Antiheld - I. Tame - Страница 15

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Am späten Nachmittag erwacht Luca aus einem tiefen erholsamen Nickerchen. Genüsslich streckt er sich. So viel wie die letzten Tage hat er schon lange nicht mehr geschlafen. Er merkt, dass nicht nur sein Gemüt sich entspannt, auch sein Körper erholt sich. Ich hab‘ mir wirklich zu viel zugemutet in der letzten Zeit. Wenn dieser doofe Absinth nicht wäre, könnte ich meinen ergaunerten Urlaub noch viel intensiver genießen.

Lucas Ärger war schnell verflogen, nachdem Absinth die Wohnung verlassen hatte. Vor allem, weil Jackson bereits keine Minute später rittlings auf seinem Schoß saß und seinen Mund geradezu verschlang. Doch er weiß ja nie, wann der Störenfried erneut auftaucht. Vielleicht sitzt er jetzt schon wieder in der Küche oder im Wohnzimmer herum und wartet nur darauf, Luca anzupöbeln.

Quatsch, denkt er und reibt mit beiden Händen über seinen verklebten Bauch. Jackson ist nicht hier und da wird Abs wohl kaum in der Küche rumsitzen und auf meine Gesellschaft warten.

Jacks und er hatten es ziemlich heftig miteinander getrieben. Wie zwei Verdurstende in der Wüste. Doch dieses Mal ging Jackson ganz anders mit Luca um. Liebevoller, zärtlicher … ja, geradezu hingebungsvoll. Er hatte ihn eine gefühlte Ewigkeit abgeküsst, gestreichelt, abgeleckt. Luca kam sich wie der wichtigste Mensch auf der Welt vor, so dermaßen stellte Jacks ihn ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit. Aus Dankbarkeit für dieses Gefühl könnte Luca sich jetzt noch vor dessen Füße werfen, wenn er denn da wäre.

Und dann hatte er sich wieder von diesem Traumtypen ficken lassen. Doch auch das lief völlig anders ab als das letzte Mal. Ein wohliges Knurren entweicht Lucas Kehle, als er zurückdenkt. Sanft und gefühlvoll hatte Jackson ihn behandelt. Eine unendlich lange Zeit bewegte er seinen Unterleib langsam und wiegend, während sein harter Schwanz in Luca steckte. Mit diesem Verhalten trieb er Luca an den Rand seiner Beherrschung. Dabei knetete Jacks seinen Hintern, massierte den Rücken und beugte sich etliche Male über ihn, um ihn lasziv zu küssen und ihm tausend Dinge zuzuflüstern.

„Du machst mich wahnsinnig!“

„Ich hab‘ noch nie so einen geilen Typen wie dich gehabt.“

„Oh, mein Gott. Du bist so eng, Baby.“

„Ich würd‘ so gern in dir kommen … ganz tief … oh jaa.“

Wenn Luca jetzt an diese gekeuchten Schweinereien denkt, zuckt sein Schwanz erneut vor Freude. Schließlich hatte er sich auf den Rücken gelegt. Und während Jackson ihn immer härter penetrierte, konnten sie sich in die Augen sehen; konnten beobachten, wie der jeweils andere einen immer verträumteren Gesichtsausdruck bekam. Wie ein Wahnsinniger rieb Luca seinen Schwanz, während Jacks ihn ausfüllte und mit jedem Stoß aufstöhnen ließ. Sie kamen gleichzeitig und brüllten dabei ihre Lust heraus.

Befreit alberten und lachten sie im Anschluss. Jacks blieb in Luca, während er dessen emporgereckte Beine festhielt und die nackten Füße abküsste.

„Ich bleib einfach in dir drin, bis ich wieder hart werde. Kann nicht lange dauern“, scherzte Jackson und biss genüsslich in Lucas Ferse.

„Arrgh, sogar schöne Füße hast du! Wie machst du das nur?!“

Luca lachte sich kaputt. Ich liebe es. Ich liebe es. Red‘ weiter mit mir, als wäre ich was Besonderes.

Schließlich ließ Jackson ihn los und legte sich einfach auf ihn drauf. Genüsslich verrieb er mit seinem Körper den vergossenen Samen auf dem Bauch des ‚Mißbrauchten‘. Mit den Ellbogen stützte er sich neben Lucas Kopf ab, während er seine Lippen erneut auf die Lippen seines Opfers presste. Er leckte, knabberte und saugte an ihnen herum. Auch seine eigenen waren deutlich angeschwollen von ihrer Knutscherei. Luca hätte am liebsten ein Foto von Jacksons leicht gerötetem Schmollmund gemacht.

„Du bist so sexy“, rutschte es ihm prompt heraus; zärtlicher als geplant.

Lachend warf Jackson den Kopf in den Nacken.

„Ja! Du weißt, wie du mir endgültig den Rest gibst. Hahaa!“ Lächelnd blickte er wieder auf Luca hinab. Und genau in diesem Moment passierte es. Luca sah dieses Lächeln, diese Grübchen, die verstrubbelten Haare, diese Exotenaugen und er wusste: Scheiße, ich hab‘ mich verliebt.


Sie blieben noch lange nebeneinander liegen, streichelten sich gegenseitig, küssten sich zwischendurch. Wohlig und gesättigt fühlten sich ihre Körper an; gleichzeitig matt und schwer. Flüsternd unterhielten sie sich, als wären sie nicht alleine. Je leiser sie miteinander sprachen, umso zärtlicher und liebevoller wurde das Gesagte. Es handelte sich um Banalitäten, Unsinnigkeiten und süße Kommentare zu liebkosten Körperteilen.

„Ich steh‘ total auf deine breite Brust, Jacks. Weißt du das eigentlich?“

Kicher, kicher. „Alle stehen auf meine unglaublich männliche Brust. So wie wohl alle auf deinen süßen Arsch abfahren, Signore Denero. Aber weißt du was mir an dir noch besser gefällt?“

„Na, sag‘ schon.“

„Du lachst jetzt bestimmt.“

„Nein, tu‘ ich nicht. Was denn? Meine Ohren?“

Verlegen senkte Jackson seinen Blick. Er lag auf der Seite, stützte seinen Kopf auf einer Hand ab und strich mit der anderen über Lucas Hüfte. Er lächelte.

„Nein, fast. Deine Augen. Wenn du mich so ansiehst … so … ich weiß auch nicht. Du machst mich ganz verrückt, alleine durch diesen … Blick, den du manchmal drauf hast. Dann denk‘ ich, du kannst bis auf den Grund meiner Seele sehen. Wie machst du das nur?“

Grinsend zog Luca seinen Kopf ein Stück zurück. „Ich bin doch nicht bescheuert und verrate dir meine tiefsten Geheimnisse“, frotzelte er.

Nach einem weiteren lasziven Kuss murmelte Luca. „Und du? Musst du nicht irgendwann mal deine Kontaktlinsen raus nehmen? Obwohl ich ja zugebe, dass ich mich dran gewöhnt habe, nie zu wissen, wie ich deinem Blick standhalten soll.“

Jackson grinste ebenfalls und drückte Luca einen finalen Kuss auf die Nase.

„Gut so. Auch ich hab‘ meine Geheimnisse. Jetzt muss ich mich leider fertig machen. Ich will was früher los. Julie ist mächtig aufgeregt und wir treffen uns bei ‚Resi‘, um schon mal ein wenig auf der Gitarre zu klimpern – damit sie sich einsingen kann. Schlaf dich aus. Ich denke es reicht, wenn du so um sechs Uhr da bist. Dann solltest du noch reinkommen. Wenn der Laden voll ist, machen sie eventuell die Türe zu.“

„Ich werde da sein. Bin echt super gespannt auf dich.“

Einen abschließenden Klaps auf Lucas Hintern konnte Jackson sich dann doch nicht verkneifen. Dann sprang er auf und eilte unter die Dusche.


Verschlafen greift Luca nach seinem Handy. Oh, schon 17:40 Uhr. Jetzt muss ich mich echt beeilen. Wie von der Tarantel gestochen hüpft er aus dem Bett und entert die Dusche. Um viertel nach sechs ist er fertig angezogen, greift nach dem Zweitschlüssel und reißt die Haustüre auf.

Fast trifft ihn der Schlag. Direkt vor ihm steht eine junge Frau, die wohl im gleichen Moment die Klingel drücken wollte.

Beide zucken zusammen und schlagen vor Schreck die Hand an die Brust, nur um quasi gleichzeitig nervös aufzulachen.

„Bist du Luca Denero?“, fragt ihn die blonde Frau mit osteuropäischem Akzent. „Entschuldige, wenn ich dich erschreckt habe. Ich bin Magdalena und ich wohne mit meinem Mann auf der ersten Etage.“

Luca tritt in den Flur und zieht die Wohnungstüre hinter sich zu.

„Ja, der bin ich. Freut mich, dich kennenzulernen, Magdalena. Doch ich bin gerade ziemlich in Eile. Was möchtest du denn?“

„Oh!!“ Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie ihn an, während sie einen Schritt zurücktritt. „Das … also, ich wollte dich nicht stören. Aber Hennes … von oben … meinte, ich sollte dich fragen … also, ob du vielleicht … mir helfen könntest. Und er meinte … so gegen sechs Uhr wäre die beste Zeit.“

Während sie immer unsicherer wird, bemerkt Luca die verkrampfte Körperhaltung der Nachbarin. Stammelnd verschränkt sie – irgendwie schützend – ihre Hände vor dem Unterbauch. Dabei beugt sie sich leicht nach vorne.

„Was ist denn mit dir, Magdalena?“, fragt er behutsam und streckt eine Hand aus, um ihren Arm zu berühren.

„Ich will dich wirklich nicht stören“, beteuert sie vehement, doch ihre Stimme wird immer zittriger. Jetzt senkt sie den Kopf. „Es geht um mein … Baby … ich hab‘ solche Angst um mein … Baby!“

Als sie den Blick wieder hebt, ist ihr Gesicht tränenüberströmt.

Luca geht einen Schritt auf sie zu und zieht das weinende Mädchen in seine Arme.

„Ist schon gut“, tröstet er sie. „Beruhige dich! Nicht weinen!“

„Ich will ganz bestimmt nicht stören!“, ertönt es gedämpft aus seiner Umarmung.

„Schschsch, du störst nicht!“ Luca wiegt sie leicht hin und her. Während eine Hand über ihren Rücken fährt, streichelt er mit der anderen Hand Magdalenas Kopf.

„Was ist mit deinem Baby?“, fragt er leise.

Magdalena löst sich aus der Umarmung. Schwer atmend versucht sie ihre Selbstbeherrschung zurück zu gewinnen. Schniefend zieht sie die Nase hoch.

„Ich hab‘ Angst es zu verlieren. Ich bin im dritten Monat und dauernd blute ich … ziemlich stark. Ich soll immer nur liegen, sagen die Ärzte, doch trotzdem …“ Wieder fließen die Tränen.

„… trotzdem wird es nicht besser. Mein Mann und ich … wir wollen so gerne ein Baby … unser Kind …“, fügt sie verträumt hinzu.

Und das ist der Moment, in dem Luca weiß: Ich kann sie unmöglich alleine lassen. Nicht nur wegen der verzweifelten jungen Frau, sondern auch weil er es sich für immer vorwerfen würde, sie jetzt im Stich zu lassen.

„Komm, ich bring‘ dich zurück in eure Wohnung. Und dann werde ich versuchen, dir zu helfen, okay?“

Magdalena blickt hoffnungsvoll zu Luca empor. „Wirklich? Und du musst nicht weg?“

„Später“, antwortet er entschieden. „Jetzt gehen wir erst mal zu dir.“

„Hennes hat gesagt, dass du alles tun würdest!“ Dankbar greift sie nach Lucas Unterarm und lässt sich die Treppe empor helfen. „Er meinte, du hättest ihm mit seinem Gehör geholfen und dass du ganz berühmt wärst. Ein großer Heiler. Und jetzt hilfst du mir!“ Begeistert murmelt sie einen Satz in russischer Sprache; vermutlich einen Segen. Denn mit der freien Hand vollführt sie eine segnende Geste in seine Richtung aus.

„Ja, ja, der Hennes“, presst Luca hervor. Bedanken werde ich mich später bei ihm.


Magdalenas Behandlung dauerte ungefähr fünfundzwanzig Minuten. Gegen neunzehn Uhr rennt Luca die Treppe runter. Jetzt aber nichts wie los. Was hat Jackson nochmal gesagt? Rechts rum und dann über die Straße und dann links … oder rechts? So ein Mist.

Natürlich läuft er erst einmal in die falsche Richtung. Er fragt einige Passanten, die ihm dann den richtigen Weg erklären. Gegen zwanzig nach Sieben erreicht Luca atemlos die Kneipe ‚Bei Resi‘. Sieht von außen wie eine typische Spießerkneipe aus; getönte Butzenscheiben inklusive. Er hört die angeregt plaudernde Menschenmenge, während im Hintergrund ein Typ irgendeinen Chanson schmettert. Scheint ja ein voller Erfolg zu sein, der Gesangswettbewerb. Luca reißt die Türe auf und blickt gegen die breite Brust eines Türstehers.

„Sorry, wir sind dicht bis unter die Dachlatte. Ich kann dich leider nicht mehr reinlassen.“, bedauert der Kleiderschrank.

„Aber … ich bin ein Freund von Jackson“, spielt Luca die Beziehungskarte. „Er tritt heute hier auf. Gemeinsam mit Julie.“

„Das kann ja sein“, erwidert der Aufpasser. „Aber ich habe meine Anweisungen. Es darf niemand mehr rein; aus Sicherheitsgründen. Die Chefin will keinen Ärger mit den Behörden.“

Bei seinen letzten Worten zieht er bereits die Türe wieder zu.

„Komm, Mann! Echt! Lass mich rein! Ich bin extra stundenlang gefahren.“

Lügen war noch nie Lucas Stärke. Daher zuckt der Türsteher auch lediglich mit den Schultern und schließt endgültig die Türe. Luca hört noch wie von innen ein Riegel vorgeschoben wird.

Das kann doch alles nicht wahr sein! Verschwitzt und noch immer leicht außer Atem kämmt er sich mit den Fingern die Haare aus dem Gesicht. Was mach‘ ich denn jetzt? Ich hab‘ keine Handynummer; weder von Jackson noch von – hahaha – Absinth. Und jetzt verpass‘ ich Jacks‘ Auftritt, nur weil … dieses kleine eifersüchtige Arschloch mir unsere Nachbarin auf den Hals gehetzt hat.

Eine Weile lehnt sich Luca gegen die Außenmauer und beobachtet, wie weiteren Nachzüglern schon gar nicht mehr geöffnet wird.

„Kommt, wir gehen ins ‚Mars‘“, fordert ein Typ seine beiden Kumpels auf. Er sieht ihnen hinterher. Anscheinend ist von einer anderen Kneipe die Rede. Die Gruppe verschwindet in einem Gebäude am Ende der Straße auf der gegenüber liegenden Seite.

Warum nicht? gibt sich Luca geschlagen. Da kann ich wenigstens was trinken. Vielleicht komme ich später hier rein, wenn der Wettbewerb beendet ist.

Seufzend schlendert er los und betritt keine Minute später die Kneipe. Gemütlich hier und – wer hätte das gedacht – schwules Publikum. Eine bunte Mischung an Leuten verteilt sich in dem urig eingerichteten Schankraum. Er erobert einen freien Barhocker und bestellt einen Caipirinha. Um seine Enttäuschung zu bekämpfen benötigt Luca jetzt etwas Stärkeres. Vielleicht war ja Absinths Absicht tatsächlich ehrenhaft. Ach, komm! ranzt er sich in Gedanken selber an. Der wollte genau das erreichen, was eingetroffen ist. Er hetzt die verzweifelte Nachbarin auf mich, ist sich sicher, dass ich nicht ‚Nein‘ sagen kann und erfreut sich jetzt an der Tatsache, dass ich erstens Jacksons Auftritt verpasse und zweitens, dass Jackson denkt, ich bin das totale Arschloch.

Genervt schnaubt Luca einmal auf. So ein Verhalten kennt er nicht. Alle Leute, mit denen er sonst zu tun hat, sind super höflich und fast ehrerbietig. Ja, weil sie sich Hilfe erhoffen, denkt er betrübt. Doch Abs hasst mich, weil ich ihm Jackson wegnehme.

Er stützt sich mit dem Ellbogen auf den Tresen und legt sein Kinn auf der Handfläche ab. Dabei weiß ich doch selbst nicht, wohin mich meine Verliebtheit mit Jackson bringt.

Sein Caipi wird serviert. Dankend lächelt Luca dem Barkeeper zu. Morgen oder übermorgen muss ich mich wieder mal bei Joey melden. Ich kann ihn nicht einfach so sitzen lassen. Auch, wenn Jackson meint, dass ich mich von anderen abhängig mache. Joey ist auch abhängig von mir. Er setzt sein ganzes Vertrauen in mich; verlässt sich darauf, dass wir die Sache gemeinsam stemmen.

Luca atmet laut aus. Ich will doch einfach nur mal leben. Einfach mal verliebt sein und nicht nur das Schicksal anderer Menschen in den Mittelpunkt meines Lebens ziehen. Ich hab‘ momentan keinen Bock drauf. Bin ich deswegen ein schlechter Mensch?

Jemand schiebt sich auf den freien Hocker neben ihn und räuspert sich. Luca wird aus seinen Gedanken gerissen.

„Darf ich?“, fragt der Typ lächelnd.

Luca setzt sich ein wenig auf. „Natürlich! Ist noch frei.“

„Wartest du auf jemanden?“

Luca schüttelt den Kopf und nippt an seinem Drink mit den Limettenscheiben.

„Glück muss man haben!“, lacht sein Gegenüber. Automatisch lächelt Luca zurück.

„Ich heiße Veit, angenehm!“ Er hält Luca die Hand hin.

„Luca“, erwidert dieser und schüttelt die ihm angebotene Rechte.

„Bist du Italiener?“

„Halber.“

„Ich hab‘ dich hier noch nie gesehen? Und ich komm‘ schon …“

Während Veit zu einer längeren Erklärung ansetzt, was seine Ausgehgewohnheiten betrifft, mustert Luca ihn interessiert. Er schätzt sein Gegenüber auf Mitte Vierzig. Er trägt die schwarzen Haare kurz; nach vorne strubbeln sie in gewolltem Chaos durcheinander. Er ist schlank, dabei kräftig. Seine Muskeln sind unter dem nicht gerade billigen Hemd nicht zu übersehen. Sein Gesicht ist attraktiv … mit eher herben Gesichtszügen. Es passt zu seiner ganzen sehr männlichen Ausstrahlung. Wohlwollend taxiert er Luca aus braunen Augen. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er den ‚Neuen‘ begehrenswert findet. Doch er hat es nicht nötig, direkt schmierig drauf los zu baggern. Das gefällt Luca. Er lässt sich – mit Hilfe des Caipis – in eine angenehm dahinplätschernde Unterhaltung ziehen und vergisst dabei die Zeit.

Als Veit den dritten Caipirinha für Luca bestellt, beschließt er, zum Angriff überzugehen. Während ihrer intensiven Unterhaltung waren sie immer näher zueinander gerutscht. Beide haben gut getankt, so dass sie immer mehr gegen die Theke sacken. Ihre Knie berühren sich automatisch. Und Veits Hand findet inzwischen nichts dabei, Lucas Oberschenkel zu streicheln. Nicht fordernd, sondern sanft und ganz nebenbei.

„Hast du eigentlich heute noch was vor?“, fragt er und seine Augen blitzen unternehmungslustig.

„Ich wollte nochmal rüber zu ‚Resi‘. Da hat ein Freund von mir Gitarre gespielt …“ Luca presst die Lippen aufeinander. „… und ich hab’s verpasst.“

„Oh, tut mir leid“, bedauert ihn Veit. „Ein guter Freund?“, fragt er lauernd. Doch Zwischentöne erkennt Lucas beduseltes Gehirn nicht mehr. Er seufzt. „Ja!“

Die gehauchte Antwort und sein sehnsüchtiger Blick ist Veit Antwort genug. Eigentlich hatte er auch nicht erwartet, dass ein Typ wie Luca solo durch die Gegend läuft. Doch auch er ist inzwischen angetrunken, so dass er dabei bleibt, sein Glück zu versuchen.

„Komm doch mit zu mir“, raunt er Luca zu. „Nur für diese Nacht. Wir lassen es ordentlich krachen und morgen gehst du zu deinem Freund und in deinen Alltag zurück.“

Luca lacht auf. Wenn der wüsste. Jetzt hab‘ ich schon zwei Alltage.

„Komm!“ Veit lässt nicht locker. „So ein hübscher Kerl wie du. Der darf doch nicht traurig sein.“

Er beugt sich vor. „Küss mich einfach!“ murmelt er, keine zwei Zentimeter von Lucas Gesicht entfernt. Sanft legen sich ihre Lippen aufeinander. Veit entfährt ein genüsslich knurrendes Geräusch.

Fünf Sekunden später … wird die Eingangstüre zum ‚Mars‘ aufgerissen und eine Gruppe laut lachender und grölender Leute strömt herein. Gerade hatte Veit seine Hand auf Lucas Schulter gelegt, um ihn näher an sich heran zu ziehen. Doch in diesem Augenblick …

„HEYYY, Luca!!“, ertönt Jacksons überdrehte Stimme. „Da bist du ja!! Wo warst du denn nur? Wir haben gewonnen!!“

Übermütig stürzt er auf Luca zu und reißt ihn vom Hocker in seine Arme.

„Hey, Veit!“, begrüßt er Lucas Begleitung.

„Hi, Jackson“, grüßt Veit zurück. „Dich wollte er also treffen. Luca sagte, dass er dich spielen sehen wollte, aber nicht reingelassen wurde. Wusste gar nicht, dass du Gitarre spielst.“

Jackson zuckt grinsend mit den Schultern und zieht Luca noch ein wenig näher zu sich.

Veit hat sich gut im Griff. Er weiß, wann er verloren hat. Und so wie Luca sich in Jacksons Umarmung schmiegt, sind die Würfel für heute Abend wohl gefallen. Doch aufgeschoben ist ja bekanntlich nicht aufgehoben. Er verabschiedet sich von Luca und drückt ihn kurz an sich. Dabei schiebt er ihm eine Visitenkarte in die Gesäßtasche.

„Melde dich einfach, wenn dir danach ist“, raunt er ihm zu.

„Schönen Abend noch“, grüßt er in die Runde, zwinkert Absinth anzüglich zu und ist einen Moment später unter den anderen Gästen verschwunden.

„Das ist Julie“, stellt Jackson herzlich seine Freundin vor. „Julie, die Unglaubliche!“

„Hör‘ auf!“, lacht das Mädchen an seiner Seite. Sie ist ungefähr Mitte Zwanzig, schlank und trägt ihre braunen Haare schulterlang. Ihre französischen Wurzeln kann sie nicht verleugnen. Was es genau ist, weiß Luca auch nicht; wahrscheinlich lediglich irgendein Klischee. Doch ihr Anblick und der nicht zu überhörende reizende Akzent sagen alles.

Sie küsst Luca zweimal auf die Wangen und strahlt dabei wie ein Diamant.

„So schade, dass du nicht da warst, Luca“, bedauert sie nun auch. Der Angesprochene sackt immer mehr in sich zusammen. Traurig zuckt er mit den Schultern.

„Ich war zu spät“, murmelt er und greift automatisch nach seinem frischen Caipi.

„Muss dir ja echt viel dran gelegen haben“, frotzelt ein gut gelaunter Absinth aus dem Hintergrund. Luca nimmt einen großer Schluck und … starrt in Abs‘ hämisch grinsendes Gesicht. Dessen garstige Bemerkung trifft Luca mitten in sein alkoholisiertes Herz. Sein schlechtes Gewissen reißt ihn immer weiter runter. Noch ein tiefer Schluck … nur zum Trost.

Doch da greift Jackson forsch nach Lucas Glas und stellt es zurück auf den Tresen.

„Langsam, Baby“, raunt er ihm zu.

„Ich hab‘ dich verpasst“, jammert Luca besoffen. „Dabei wollte ich nichts lieber als dich heute Abend spielen sehen. Doch dann kam eine Nachbarin und ich musste ihr helfen. Mal wieder waren andere Leute wichtiger … Ich mach‘ eben alles falsch.“

Er senkt traurig den Kopf und fährt sich mit einer verzweifelten Geste durch die Haare.

„Wie immer …“, mault er kaum hörbar hinterher.

Jackson blickt den deprimierten Mitbewohner einen Moment lang mit schiefgelegtem Kopf an. Dann beugt er sich zu Julie rüber und flüstert ihr etwas ins Ohr. Daraufhin blickt auch sie zu Luca hinüber, der gerade schwer mit ein paar versoffenen Tränen zu kämpfen hat. Julie presst mitleidig die Lippen aufeinander und nickt schließlich. Jackson drückt ihr einen Kuss auf die Wange.

Ein entschlossener Griff und Luca findet sich auf einem Stuhl am nächsten Tisch wieder.

„Bleib‘ hier sitzen“, befiehlt Jackson resolut. Zack! Einen Moment später landet ein großes Glas Wasser neben ihm.

„Trink!“, folgt der zweite Befehl. Automatisch greift Luca danach und nippt folgsam.

Jackson spricht mit dem Barkeeper. Der nickt grinsend. Kurz darauf verstummt die Musik.

Jackson stellt sich auf einen Stuhl, einige Meter von Luca entfernt.

„Alle mal herhören!“, ruft er in die erstaunt murmelnde Menge.

Er deutet auf das vor ihm stehende Mädchen. „Julie hat heute den Gesangswettbewerb bei ‚Resi‘ gewonnen.“

Beifälliger Jubel und Pfiffe ertönen. Jackson redet weiter.

„Da Luca – ein Freund von mir – es nicht geschafft hat, rechtzeitig da zu sein, werden Julie und ich jetzt ihren Song noch einmal darbieten. Ich bitte euch um Ruhe, da es sich um ein leises ruhiges Stück handelt. Danke!“

Die Gäste applaudieren begeistert. Sie freuen sich über diese ungeplante Auflockerung des Abends.

Luca scheint schlagartig nüchtern. Das gibt’s doch nicht. Er setzt sich gerade hin und starrt Julie aus geradezu schreckgeweiteten Augen an. Sie lächelt breit zu ihm rüber und nickt ihm schließlich zu.

Die machen das nur für mich. Nur … für mich.

Luca ist selbst in Gedanken schier sprachlos. Und eine gewaltige Freude bemächtigt sich seiner.

Soeben setzt sich Jackson auf den Tisch hinter Julie. Die Füße auf einem der Stühle, zieht er seine Westerngitarre auf die Oberschenkel und klimpert ein wenig darauf herum.

Langsam verstummt das Gerede der Gäste. ‚Pschsch‘ zischen einige in die Runde. Jackson wirft einen letzten warmen Blick in Lucas Richtung, bevor er sich abwendet, tief durchatmet, die Augen schließt und beginnt.

Ein sanftes Gitarren-Intro leitet das Lied ein, bevor Julie mit rauer Stimme einsetzt.

Au dessus des vieux volcans

Glisse des ailes sous les tapis du vent

Voyage, Voyage

Eternellement …

Als das Lied mit dem letzten leisen Gitarrenklang endet, herrscht zuerst absolute Stille, bevor die Leute ausrasten. Auch Luca hält es nicht mehr auf seinem Platz. Sein Herz rast vor Aufregung und Begeisterung. Das war einfach … unbeschreiblich. Julies Stimme und Jacksons perfekte Begleitung; sie waren dermaßen aufeinander abgestimmt.

Luca zieht die lachende Julie in die Arme.

„Das war toll!! Vielen vielen Dank!“ Vor Begeisterung drückt er Julie einen dicken Knutscher auf den Mund. Jetzt springt Jackson breit grinsend vom Tisch. Julie nimmt ihm schnell die Gitarre ab, da Luca auch ihm gegenüber nicht mehr zu halten ist.

„Gott, hast du geil gespielt“, ruft Luca ihm über die applaudierenden Gäste ins Ohr. „Ihr wart einfach toll! Danke!“

Automatisch finden ihre Lippen zueinander und sie versinken in einem heftigen Kuss, welcher von Jacks Seite immer besitzergreifender wird. Als wollte er zeigen: Hier! Der hier gehört mir! In seiner Begeisterung merkt Luca davon nichts. Auch Absinths zorniger Gesichtsausdruck geht in der Aufregung unter. Luca ist nur noch glücklich, Jackson und Julie gehört zu haben. Das wird er so schnell nicht vergessen.

Schließlich lösen sie sich atemlos voneinander und stolpern Arm in Arm Richtung Theke.

Antiheld

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