Читать книгу Antiheld - I. Tame - Страница 19
ОглавлениеWie nicht anders zu erwarten stürzen sie sich wie die Wölfe auf den Präsentkorb. Neugierig öffnet Jackson sämtliche Konserven und pickt in den eingelegten exotischen Leckereien herum.
„Mit Wodka geht alles runter“, grinst er breit und ‚na sdorowje ‘ nimmt er den nächsten Schluck.
„Mit dir zusammen werd‘ ich noch zum Alkoholiker“, lacht Luca, während er versucht, einen Löffel Lachskaviar auf einen Cracker zu schmieren. Schnell ist der Happen in seinem Mund verschwunden.
„Mhmm, oh Mann! Das schmeckt einfach geil!“, schwärmt er und greift ebenfalls automatisch nach seinem Glas.
Jackson liest gerade die Dankeskarte von Magdalena. Als er fertig ist, beobachtet er nachdenklich den neuen Kaviarliebhaber. Das ist wirklich unglaublich. Niemand würde mal eben so ein teures Geschenk machen. Er hat ihr tatsächlich geholfen; hat seine Hände aufgelegt – denke ich mal – und auf einmal blutet sie nicht mehr. Dieser Typ ist mir ein Rätsel. Klar, auch bei Absinth hat er was bewirkt; doch der wollte nicht so recht mit der Sprache rausrücken. Von ‚Ja, schon! Ist irgendwie anders!‘ über ‚Ist eher schlechter geworden. Meine Ohren tun weh, wenn ich raus geh‘ und den Straßenlärm höre‘ bis zu ‚Totaler Schwachsinn! Da tut sich nix!‘ war alles dabei. Aber Abs ist auch eifersüchtig auf Luca. Objektiv würde ich seine Äußerungen jetzt nicht gerade nennen. Doch Magdalena … sie schreibt, sie schließt Luca in ihre Gebete ein … sowas sagt man nicht einfach so daher.
Jetzt klärt sich sein verträumt abwesender Blick. Luca wedelt mit einer Hand vor Jacksons Gesicht.
„Wo bist du, Blauauge?“
„Sorry, hab‘ über dich nachgedacht.“
„Ooh, zu viel der Ehre! Ich hoffe, dein Urteil fällt zugunsten des Angeklagten aus.“
„Hmm“, grient Jacks. „Um noch besser abzuschneiden könntest du doch ein wenig an meinem Schwanz lecken. Ich denke, damit wäre mein Urteil positiv zu beeinflussen.“
Luca lächelt maliziös – ja, tatsächlich. Bisher wäre es ein Unding gewesen, Lucas Namen und den Begriff ‚maliziös‘ in Verbindung zu bringen. Jetzt zieht er zusätzlich seine Augenbrauen hoch und deutet mit dem Kinn auf Jacksons Unterleib.
„Ganz schön langsam für jemanden, der so krank ist, dass er am liebsten mehrmals täglich vom Meisterheiler den Schwanz behandelt haben möchte.“
Genüsslich knöpft Jacks seine Jeans auf. „Alles, was du willst, mein Schöner.“
Am nächsten Vormittag schleicht Jackson müde unter die Dusche. Sein Schwanz brennt noch immer von Lucas Behandlung. Allerdings hat er sein gutes Stück auch noch nie in einen Mund voll Wodka geschoben. Eine nachhaltige Erfahrung. Doch dabei war es natürlich nicht geblieben. Schließlich waren sie nackt durch die Wohnung gerannt, hatten rumgealbert, sich ständig geküsst, angefasst und aufgegeilt, um in irgendeinem beliebigen Zimmer übereinander herzufallen.
Der Höhepunkt war Jacksons Performance auf Lucy gewesen. Er bearbeitete sein Mädchen dermaßen ungestüm, dass Lucy wild jaulend ihre elektrisierende Energie herausschrie. Die E-Gitarre hing auf Jacks nacktem Körper. Er stand breitbeinig auf seinem Bett, während Luca davor herumhüpfte. Seine dichte Mähne wirbelte dazu in einem Rhythmus, den nur er spüren konnte. Immer wieder jubelte und grölte er, während die halb volle Wodkaflasche in Richtung Zimmerdecke gereckt wurde. Irgendwann sprang Jackson vom Bett und gemeinsam tanzten sie zu irren Gitarrenriffs, die wie ein musikalischer Wasserfall aus Jacks Händen zu strömen schienen.
„DU SPIELST SCHARF WIE DIE HÖLLE“, brüllte Luca, als Jackson seine Lucy schließlich beiseite stellte, den Verstärker ausschaltete und gierig einen Schluck Wodka nahm.
„Oh, mein Gott!!“ Luca bekam sich überhaupt nicht mehr ein. „Das war der Wahnsinn!“
Jacks grinste geschmeichelt. Eine Millisekunde später hing Luca wie eine Klette an ihm. Fahrig presste er seine heißen Lippen gegen Jacksons. „Das war so irre ... so irre“, murmelte er zwischendurch. Nach einigen Minuten stoppte er seine Kussorgie und zog sein Gesicht ein Stück zurück. Ein breites Grinsen folgte.
„Und deine schwarzen Fingernägel … woouuuww! Cool!!“
Während Jackson sich anzieht, schielt er immer wieder zu seinem Bett hinüber. Er kann den Blick einfach nicht lösen. Dieser Anblick … Mann … wie soll ich da arbeiten gehen? Er seufzt leise. Luca liegt nackt auf dem Bauch und umarmt liebevoll ein Kopfkissen. Sein obszön knackiger Hintern präsentiert sich ungeniert. Doch auch sein restlicher exquisiter Körper wirkt wie hingegossen und scheint geradezu für einen Maler Modell zu liegen. Schmunzelnd greift Jacks nach seinem Handy und schießt einige Fotos. Schließlich kniet er sich neben das Bett und betrachtet intensiv seine schlafende neue Liebe. Halb verdecken dunkle Haarsträhnen das entspannte Gesicht. Jackson streicht sie liebevoll weg und fotografiert erneut. Grummelnd blinzelt Luca gegen den Schlaf an.
„Wasmachssndu?“, nuschelt er verpennt.
Jackson grinst. „Ich hab‘ Mika versprochen ein paar Stunden sein Café zu hüten. Bin irgendwann heute Nachmittag wieder da. Schlaf weiter …“ Uups, da hätte er doch beinahe ‚Schatz‘ gesagt. Das ist wohl doch zu intim, oder? Am Ende lacht Luca ihn noch aus.
Dieser lächelt jetzt und reckt Jackson müde sein Gesicht entgegen. Mit geschlossenen Augen murmelt er:
„Ich mach‘ ganz tolle Spaghetti; zur Belohnung für die Party mit Lucy. Küss mich, mein Schatz!“
Und auf einmal kommt Jackson diese Anrede gar nicht mehr zu intim vor.
Luca wird von der Türklingel aus einem wunderbaren Traum gerissen. Irgendwas mit Strand, Sonne und Urlaub. Es war toll. Er hatte gelacht, war in klarem türkisfarbenem Wasser geschwommen und wurde von zupackenden Händen massiert. Und gerade als diese Hände auf Wanderschaft gingen, immer öfter seinen Hintern streichelten, nur um plötzlich seinen Schritt zu erkunden … ja, da klingelt es natürlich und Luca schreckt hoch.
„Verdammter Mist“, murrt er vor sich hin. Einerseits weil es schon ein Uhr mittags ist, was ihm ein schneller Blick auf sein Handy bestätigt. Andererseits natürlich, weil er gerne noch eine Weile auf Hawaii – das war bestimmt Hawaii – geblieben wäre.
Torkelnd sucht er seine Jeans und schlüpft hinein, als es ein weiteres Mal klingelt. Schlaftrunken versucht Luca, die Knöpfe zu schließen, während er in den Flur eilt.
„Ja, ja, ich komm‘ ja schon“, krächzt er mit verpennter Stimme. Er reißt die Türe auf … und glaubt in einem schlechten Film zu sein. Vor ihm steht Joey … breit grinsend, einfach freudestrahlend.
„D…du?!“, ist alles was Luca über die Lippen bringt.
„Hallo, mein Süßer!“, begrüßt Joey ihn auf seine typische, übertrieben freudige, Art. „Da staunst du, was? Doch du entkommst mir nicht!“ Gespielt drohend wedelt sein erhobener Zeigefinger durch die Luft. „Wenn ich dich finden will, dann schaffe ich das auch. Möchtest du mich nicht rein bitten?“
Ohne auf eine Antwort zu warten, schiebt er sich an seinem derangierten Geschäftspartner vorbei.
„Hast du etwa noch gepennt? Du siehst vielleicht scheiße aus. Sag‘ bloß, du hast gesoffen. Du weißt doch, dass das deinen Fähigkeiten nicht gut tut. Na ja, Schwamm drüber. Hast ja Urlaub. Geht’s hier ins Wohnzimmer? Ah ja!“
Luca steht immer noch an der Türe, schließt kurz die Augen – ich glaub‘ ich flipp gleich aus – und folgt Joey schließlich; nicht ohne die Haustüre mit Karacho zuzuknallen.
Im Türrahmen zum Wohnzimmer bleibt er stehen, die Hände in die Hüften gestemmt. Joey steht mitten im Raum und sieht sich irritiert um.
„Gibt’s hier etwa keinen Fernseher?“, murmelt er erstaunt.
„Sag‘ mal, spinnst du?!“, herrscht Luca ihn an. „Kannst du nicht einfach mal akzeptieren, dass ich Zeit für mich brauche? Woher weißt du überhaupt, wo ich bin?“
Joey hebt beschwichtigend die Hände.
„Jetzt reg‘ dich ab, Süßer. Ich denke, ich komme gerade rechtzeitig. Hast du schon mal in den Spiegel gesehen? Du erzählst mir, du willst Urlaub machen und siehst dann aus wie Alice Cooper; öffnest mittags verpennt und halbnackt die Wohnungstüre und stinkst …“ Er schnüffelt demonstrativ mit hochgezogener Oberlippe. „… wie ein ganzer Schnapsladen. Das sieht mir nicht nach Erholung aus.“
„Das kann dir doch egal sein! Und lenk‘ nicht ab. Woher wusstest du, wo du mich findest?“
Luca vibriert vor Wut und Verzweiflung am ganzen Körper. Seine Flucht, seine ganze schöne Zeit hier – alles scheint vorbei zu sein. Joey wird hier nicht weggehen … nicht ohne ihn.
Und wieder ignoriert sein Manager Lucas Frage. Eindringlich spricht er weiter. „Geh‘ duschen, Luca! Dann lade ich dich zum Essen ein. Dabei können wir in Ruhe reden. Glaub‘ mir, ich hab‘ auch schon mal so eine Phase durchgemacht, wie du gerade. Wir werden eine Lösung finden, okay?“
Geschlagen pustet Luca seinen angehaltenen Atem aus. „Na gut!“, lenkt er ein. „Doch bilde dir bloß nicht ein, dass ich mich einfach ins Auto setze und mitkomme!“
„Alles klar“, beruhigt ihn Joey. „Ich will nur in Ruhe mit dir reden, das ist alles. Ja? Luca?! Komm‘, Süßer! Geh‘ duschen! Du stinkst bis hier hin.“
Wie ein braver Sohn dreht sich Luca um und schlurft Richtung Badezimmer.
Zufrieden sinkt Joey auf das alte verschossene Sofa und verschränkt wartend die Arme vor der Brust.
Wie er so da sitzt, würde man nicht glauben, dass er ein durchtriebenes abgefucktes Dreckstück sein kann. Er sieht dafür zu … harmlos aus. Ja, harmlos. Wie der Typ von nebenan. Der, der seiner alten Nachbarin auch schon mal die Einkäufe heimträgt. Seine achtunddreißig Jahre sieht man ihm nicht unbedingt an. Den meisten Leuten fällt es schwer, sein Alter zu schätzen.
Er ist ein wenig pummelig, weil er seinen Körper gnadenlos vernachlässigt. Doch sein rundes Gesicht würde er – selbst bei strengster Diät – beibehalten. So ähnlich wird es wohl Renée Zellweger gehen. Die kann abnehmen, so viel sie will … ihre vollen Gesichtszüge bleiben; da könnte höchstens ein Chirurg eingreifen.
Kleine rot-blonde Löckchen sind Joeys Fluch. Er wird für den Rest seines Lebens die gleiche Frisur tragen müssen. An den Seiten kurzgeschnitten und oben etwas länger. Völlig durchgeknallt kringelt sich die rötliche Bande auf seinem Kopf. Dazu blitzen blaue Augen frech aus seinem Gesicht. Das gibt ihm etwas Jungenhaftes, Unschuldiges. Diese Tatsache weiß Joey natürlich ebenfalls für sich zu nutzen. Neben seiner raffiniert-gekonnten Art, die Menschen verbal einzuwickeln, setzt er sein Äußeres ein, um seinen Worten Wahrhaftigkeit zu verleihen. Nach dem Motto: Sieh‘ mich an! Als würde ich nicht die Wahrheit sagen! Das glaubst du doch selbst nicht. Ein Typ wie ich … und lügen?! Also bitte!!
Gelangweilt spielt Joey an seinem Handy herum. Was ein Glücksfall, dass dieser Typ ihn angerufen hat. Das war wirklich ein Geschenk des Himmels. Zuhause rennen ihm die Leute die Bude ein und was tut Signore? Haut einfach ab! Empört schnaubt Joey leise, als er an den Moment zurückdenkt, an dem er realisierte, dass Luca tatsächlich weg war. Gerade jetzt!
Endlich hat er einige Eheweiber der lokalen Politgrößen angelockt. Luca hätte sich wirklich keinen ungeeigneteren Moment aussuchen können, um auszuflippen. Die Ladies werden doch schon feucht, wenn sie ihn nur sehen; egal ob er schließlich heilt oder nicht. Sein Aussehen und seine schüchterne Art lassen die Kassen klingeln. Sie könnten schon lange steinreich sein.
Seufzend erhebt sich Joey und schlendert durch die Wohnung. Was für eine lieblos eingerichtete Bude. Wie kann er sich hier nur wohl fühlen?
Auch Jacksons Zimmer inspiziert er. Hmm, überquellender Aschenbecher, eine fast leere Wodkaflasche, leere Chipstüten. Die müssen ja mächtig gezaubert haben. Zerwühlte Bettwäsche, benutzte Kondome … ach so!
Joey grinst. Jetzt ist ihm auch klar, warum Luca unter keinen Umständen zurück will. Der hat wohl endlich einen anständigen Stecher gefunden.
Mit einem breiten Grinsen empfängt er Luca, als dieser geduscht und angezogen das Wohnzimmer betritt.
„Wir können!“, murmelt er missmutig.
Und wir werden, antwortet Joey in Gedanken. Doch laut erwidert er nur: „Na, dann komm!“