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3 Friedensforschung und Debatten um ihr Selbstverständnis

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Der Diskussion um den Begriff des Friedens und der ihm eingeschriebenen Logiken schließt sich eine weitere Frage im Rahmen dieses Lehrbuchs unmittelbar an: Was heißt Friedensforschung? – oder anders gefragt: Was tun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wenn sie sich dem Untersuchungsgegenstand Frieden zuwenden?

Diese Frage wird in gleicher Weise divers diskutiert wie der Friedensbegriff selbst. In den Anfangsjahren der Institutionalisierung wurde der Friedensforschung teilweise sogar ihr Status als Wissenschaft abgesprochen. Diesem Einwand lag „ein positivistisches Verständnis von objektiver Wissenschaft“ zugrunde, „vor dem sich Friedensforschung in der Tat nicht rechtfertigen“ ließ. So stellt der Frieden „kein gegebenes Objekt“, sondern „eine konkrete Utopie“ dar. Friedensforschung heißt demnach, über „Bedingungen dieser Utopie“, das heißt über ein „noch nicht realisierte[s] Ziel“ zu forschen (Huber 1971, S.45).

Folgend soll exemplarisch auf drei Definitionen verwiesen werden, die – zu sehr unterschiedlichen Zeiten entstanden – eine relative Stabilität dessen anzeigen, was unter Friedensforschung zu verstehen ist (vgl. Bonacker 2011, S.68):

In den Empfehlungen der Struktur- und Findungskommission zur Friedensforschung vom Januar 2000, einer interdisziplinär und breit aufgestellten Arbeitsgruppe von Friedensforscherinnen und -forschern, eingesetzt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Vorbereitung zur Gründung der Deutschen Stiftung Friedensforschung, heißt es dazu:

„[Die Friedens- und Konfliktforschung] befasst sich erstens mit der Frage, welche Faktoren dazu beitragen, dass aus Konflikten gefährliche Konflikte werden und welche Möglichkeit zu ihrer Einhegung bestehen. […] Die Friedens- und Konfliktforschung richtet zweitens ihre Aufmerksamkeit auf die Voraussetzungen und Bedingungen eines andauernden – aus Sicht der Beteiligten: gelungenen – Friedens“ (Struktur- und Findungskommission zur Friedensforschung 2000, S.259).

In den jüngsten Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Weiterentwicklung der Friedens- und Konfliktforschung vom Juli 2019 findet sich folgende Definition:

„Die Friedens- und Konfliktforschung befasst sich insbesondere mit Ursachen, Formen, Dynamiken und Folgen von Konflikten und Gewalt sowie mit Möglichkeiten der Prävention, Einhegung oder Beilegung von Konflikten und der dauerhaften Stabilisierung von Frieden.“ (Wissenschaftsrat 2019, S.13)

Ähnlich formulierte er es bereits fünfzig Jahre zuvor. Friedensforschung soll – so der Wissenschaftsrat der Bundesregierung im Mai 1970 – „die Probleme erforschen, die den Frieden in der Welt bedrohen, und die Bedingungen für die Erhaltung bzw. Schaffung des Friedens ermitteln“ (zit. nach DGFK 1983, S.14).

Damit kristallisieren sich für Friedensforscher und -forscherinnen zwei zentrale Tätigkeitsbereiche heraus: die Analyse von Konflikten und deren Ursachen (vgl. Part II dieses Lehrbuchs) sowie die Erarbeitung von Friedensstrategien zu ihrer Einhegung (vgl. Part III dieses Lehrbuchs). Diese beiden hier exemplarisch aufgeführten Definitionen zeigen den engen Zusammenhang von Frieden und Konflikt auf. Nach Harald Müller (2012, S.158, 155) sind sie „ein siamesischer Zwilling“, bei dem man „über den einen nicht sprechen [kann], ohne den anderen mitzuführen“. Das erklärt zugleich die in der Literatur häufig synonyme Verwendung der Termini „Friedensforschung“ und „Friedens- und Konfliktforschung“.

Weitaus kontroverser als die Beschreibung dessen, was Friedensforschung inhaltlich umfasst, ist ihr Selbstverständnis (vgl. Bonacker 2011, S.68). Das beinhaltet vor allem drei Aspekte: Fragen der Normativität, der Praxisorientierung und der disziplinären Verortung der Friedensforschung.

Friedens- und Konfliktforschung

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