Читать книгу Friedens- und Konfliktforschung - Ines-Jacqueline Werkner - Страница 4

Vorwort

Оглавление

„Es ist begreiflich, daß die Zeitgenossen die Sache so auffaßten. Es ist begreiflich, daß Napoleon meinte, die Ursache des Krieges liege in den Intrigen Englands […]. Es ist begreiflich, daß die Mitglieder des englischen Parlaments der Ansicht waren, die Ursache des Krieges sei Napoleons Herrschsucht; daß der Herzog von Oldenburg als die Ursache des Krieges die gegen ihn verübte Gewalttat betrachtete; daß die Kaufleute glaubten, die Ursache des Krieges sei das Kontinentalsystem, durch das Europa zugrunde gerichtet werde; daß die alten Soldaten und Generale die Hauptursache des Krieges in der Notwendigkeit suchten, sie wieder einmal zum Kampf zu verwenden, und die Legitimisten in der Notwendigkeit, les bons principes wiederherzustellen; daß die Diplomaten überzeugt waren, alles sei davon hergekommen, daß das Bündnis zwischen Rußland und Österreich im Jahre 1809 vor Napoleon nicht kunstvoll genug verheimlicht worden und das Memorandum Nr.178 ungeschickt redigiert worden sei. Es ist begreiflich, daß diese und noch zahlreiche andere Dinge, deren Menge durch die unendliche Mannigfaltigkeit der Gesichtspunkte bedingt ist, den Zeitgenossen als Ursachen des Krieges erschienen; aber wir Nachkommen, die wir die gewaltige Größe des stattgefundenen Ereignisses in ihrem ganzen Umfang zu überblicken und die wahre, furchtbare Bedeutung dieses Ereignisses zu würdigen vermögen, wir müssen diese Ursachen für unzulänglich erachten.“ (Tolstoj 2015 [1867], S.1056)

Fragen nach Krieg und Frieden standen nicht nur bei Lew N. Tolstojs Werk im Mittelpunkt, sie prägten von jeher die Menschheitsgeschichte. Und auch die heutige Friedens- und Konfliktforschung bezieht ihre Bedeutung aus genau diesen essenziellen Fragen. Für sie ist es insbesondere das Ende des Ost-West-Konfliktes, das strukturell zu einer Zäsur führte. Mit dem Wegfall des Systemantagonismus brachen die bisherige Ausrichtung und darauf basierende Grundlagen der Friedens- und Konfliktforschung weg. Ein neuer Bedarf an friedenswissenschaftlichen und friedenspolitischen Kompetenzen tat sich auf. Dies ist insbesondere der größeren Komplexität der politischen Prozesse angesichts grenzüberschreitender und globaler Konfliktkonstellationen geschuldet. Exemplarisch stehen hierfür die neuen Kriege und der transnationale Terrorismus. Sie erfordern in zunehmendem Maße die Bereitstellung analytischer und praktischer Qualifikationen zu essenziellen Fragen von Krieg und Frieden.

Das vorliegende Lehrbuch reflektiert den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung und zeigt die derzeitigen friedenspolitischen Herausforderungen auf. Es enthält drei inhaltliche Schwerpunkte: Im Fokus der Analyse steht zunächst – als theoretisches Fundament – der Friedensbegriff mit seinen Dimensionen, seinem Verhältnis zur Sicherheit und seinem Selbstverständnis (Part I). Der zweite Part wendet sich weltpolitischen Konflikten zu. Das umfasst Begriff, Formationen und Austragungsformen von Konflikten. Vor diesem Hintergrund analysiert der dritte Part zentrale Konfliktbearbeitungsmechanismen und zeigt aus der Perspektive der großen Theorieschulen der Internationalen Beziehungen zentrale Friedensstrategien auf. Abschließend gibt das Lehrbuch einen Überblick über den Stand der Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland mit seinen Instituten, Netzwerken und universitären Studiengängen sowie einen Einblick in die friedenswissenschaftliche Publikationslandschaft. Die einzelnen Kapitel des Lehrbuches folgen im Wesentlichen der gleichen Grundstruktur: Für das jeweilige Themenfeld werden zentrale Fragestellungen, Grundbegriffe, theoretische Ansätze und empirische Befunde vorgestellt. Eine annotierte Auswahlbibliografie am Ende jedes Kapitels soll helfen, den Einstieg in die entsprechende Thematik zu erleichtern.

Abschließend möchte ich mich ganz herzlich bei meinen Kolleginnen und Kollegen des Arbeitsbereichs Frieden der FEST bedanken, die durch ihre Anregungen und die vielen gemeinsamen Diskussionen zum Gelingen dieses Lehrbuchs beigetragen haben. Mein besonderer Dank gilt Henrike Ilka, die mir bei den Recherchen, der Literaturbeschaffung sowie dem Korrekturlesen eine große Hilfe war und stets auch für Fragen und Diskussionen zur Verfügung stand.

Heidelberg, im Juli 2020 Ines-Jacqueline Werkner

Friedens- und Konfliktforschung

Подняться наверх