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Kleine Kostproben von höherer Gewalt

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Ehe wir aufs Land zogen, dachte ich, höhere Gewalt sei, wenn man mit der Zigarette auf der Couch einschläft und das entstehende Feuer Hab und Gut vernichtet oder wenn wir uns den Charakter verkühlen, weil eine nicht vorhergesagte, winterliche Sturmbö das Haus abdeckt und wochenlang kein Handwerker zu kriegen ist.

Doch hier draußen galt bereits Schneefall als höhere Gewalt, und die Schule fiel aus, weil der Schulbus schon an der winzigen Steigung im Nachbardorf hängen blieb. Jubelnd kamen die Kinder beim ersten Mal zurück von der Bushaltestelle, warfen ihre Schultaschen in den Flur und stürmten noch im Dunkeln nach draußen. Mit den Hunden tobten sie in der weißen Pracht herum und erklärten einstimmig, dass der Winter auf dem Land einfach super sei.

Sie hatten ja so Recht! In der Stadt kannten sie Schnee nur als grauen Matsch, und hier bedeckte er als gleichmäßiger weißer Teppich Straßen, Felder und unsere Wiese im Garten. Mir wurde richtig warm ums Gluckenherz, als ich sie so fröhlich da draußen sah, und bei dem Gedanken, in einer Gemeinde zu wohnen, die das Wohl meiner Kinder mehr im Auge hatte als die gesetzlich vorgeschriebene Schulpflicht. Auch als in der gleichen Woche zum zweiten Mal die Schule ausfiel, ließ das warme Gefühl um oben genanntes Herz kaum nach. Die beiden Ältesten schlugen sich um den Schneeschieber und passten höllisch auf, dass nicht einer mehr Schnee schaufelte als der andere. Ich kaufte einen zweiten Schieber, damit endlich Ruhe einkehrte. Das tat sie dann auch.

Zwei Stunden später lehnten beide Schieber an der Hauswand und die Kinder auf dem Sofa vor dem Fernseher. Die Wetterkarte wurde zu ihrem Lieblingsprogramm. Da es weiter ununterbrochen schneite, kam mein Mann abends mit dem Wagen nicht in die Garage, weil die Einfahrt ungeräumt war. Als binnen zwei Wochen der Unterricht zum dritten Mal ausfiel wegen höherer Gewalt, wurde mir klar, dass Petrus es da oben auf mich abgesehen hatte.

Und dann begann es ganz plötzlich zu tauen und die ersten grünen Spitzen der im Herbst gesteckten Krokusse und Tulpen schoben sich langsam durch den schwindenden Schnee der Sonne entgegen. Aus den Pisten wurden wieder Straßen, und wir mussten nicht mehr jeden Morgen vor dem Radio hocken wie von der Außenwelt Abgeschnittene, die nur noch drahtlosen Kontakt nach draußen hatten; denn kein Sprecher verlas mehr Schulen, die geschlossen blieben. »Auf, auf, Leute, beeilt euch, der Bus wartet nicht!«

Endlich war ich die Nervensägen los und konnte die wieder im Haus eingekehrte himmlische Ruhe genießen.

Männer vom Umtausch ausgeschlossen

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