Читать книгу Männer vom Umtausch ausgeschlossen - Inge Helm - Страница 5
Dein Kind, das unbekannte Wesen
ОглавлениеEs geht das Gerücht, ich hätte mindestens sechs Kinder Also, drei davon sind mir bekannt; denn sie leben ständig in unserem Haus. Ihretwegen bin ich total erschöpft, weil ich andauernd predigen muss: »Wascht euch die Hände! Zeigt mal her – hab ichs mir doch gedacht! Noch mal, aber mit Seife, und nicht alles wieder ins Handtuch! Sitzt gerade! Werdet bloß nicht frech, und nehmt die Ellenbogen vom Tisch! Man sagt: Danke! Esst eure Teller leer, und sprecht nicht mit vollem Mund! Hört auf zu maulen, Möhren sind gesund, ich kann nicht jeden Tag Spagetti kochen! Lasst endlich das Telefon in Ruhe! Geht zu Bett, und löscht das Licht! Los, nun macht schon, ich will auch mal Feierabend haben!«
Aber dann ist mir zu Ohren gekommen, dass ich noch drei weitere Kinder haben solle, die offensichtlich nicht bei uns leben beziehungsweise hier auch nie gesichtet wurden. Es heißt, dass sie Tische freiwillig decken, einkaufen gehen, schwere Taschen die Treppe hinaufschleppen, immer höflich sind, Türen aufhalten und sich sogar unaufgefordert ihre dreckigen Gummistiefel auf der Matte vor der Tür ausziehen, wenn sie anderer Leute Häuser betreten. Außerdem sollen sie begeistert alles essen, was sie daheim niemals anrühren würden.
Als ich zum ersten Mal von diesem Phänomen Kenntnis bekam, wollte ich es nicht glauben.
Ich sagte zu meinem Mann: »Das ist doch die Höhe! Ich rede mir Tag für Tag den Mund fusselig, und sie hören nicht zu. Sie stecken nur voller Dummheiten und geben mir höchstens freche Antworten. Also, von meiner Familie haben sie das bestimmt nicht! Kannst du nicht mal mit ihnen sprechen?«
»Warum denn?«, fragte mein Mann ungerührt. »Sie sind uns doch alle fabelhaft gelungen! Frag nur unsere Nachbarn.«
»Was?«, schrie ich entgeistert.
»Jawohl«, betonte er nachdrücklich. »Ich habe ein paar von ihnen gestern getroffen, als ich mit den Hunden ging. Sie sagten, sie wünschten, sie hätten nur halb so brave Kinder wie wir, so freundlich, umsichtig und gut erzogen.«
Mir blieb die Spucke weg. Da hatten sie all meine Ermahnungen sehr wohl vernommen, bloß eben nicht hören wollen. Wahrscheinlich würden nur andere Mütter dieses Wunder verstehen. Vorige Woche war ein Freund unseres Sohnes zu Besuch bei uns. Als er mich begrüßte, sagte er: »Wie machen Sie das bloß, so auszusehen, als wären Sie die Schwester Ihrer Kinder?« Erst wollte ich ja geschmeichelt seine Mutter anrufen. Aber dann dachte ich, wozu? Es würde diese doch nur an den Rand der Verzweiflung bringen.