Читать книгу Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi - Ингер Фриманссон - Страница 14

9. KAPITEL

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Er war ein hoch aufgeschossener und kräftiger Mann mit großen Händen, die jedoch nicht besonders grobschlächtig waren. Er hatte immer Probleme, passende Kleider für sich zu finden. Er sah es nicht oder achtete nicht weiter darauf, wenn die Hosenbeine über seinen Fußknöcheln endeten. Jetzt spazierte er durch das Moor und das Bild seiner Mutter verflüchtigte sich.

Es wurde allmählich Abend, aber es war immer noch hell und warm. Mit dem Abend kamen die Kriebelmücken und die Mücken. Die Schwalben wussten das und verfolgten sie mit weit aufgesperrten Schnäbeln. Seit er am Morgen Kaarinas Eier gegessen hatte, war er nicht mehr hungrig gewesen. Er hatte die Eier ins Wasser gelegt und gekocht. Sie hatten seinen Magen den ganzen Tag gefüllt, aber jetzt war er leer.

Das Essen war die größte Sorge seiner Mutter gewesen und sie hatte gesagt, dass sie ihm das Kochen beibringen müsse, sie hatte gesagt, er könne auch selbst in ihr Kochbuch schauen und sie fragen, aber dazu war es nie gekommen und dann war alles vorbei. Eines Morgens lag sie steif und verkrümmt in ihrem Bett. Er hatte sie berührt, sie fest in die Ohrläppchen gekniffen, immer fester, um sie zu einer Reaktion zu zwingen. Aber in seinem tiefsten Inneren wusste er Bescheid. Ihre Arme waren gebeugt und die Hände wiesen zu Fäusten geballt nach oben, so als hätte sie gegen etwas angekämpft, das gekommen war um sie zu verletzen. Er war inzwischen erwachsen und schlief im Speicherzimmer. Sie schlief weiterhin auf der Bettcouch. Er hatte später oft gedacht, wenn er noch unten gelegen hätte, aber ein erwachsener Sohn und seine Mutter lagen nicht so eng beieinander, zeigten einander ihre nackten Körper nicht. Was geschehen war, war im Laufe der Nacht geschehen, und er konnte nichts mehr dagegen tun. Sie lag in dieser trägen, verdrehten Körperhaltung da und er packte sie an den Ohren und kniff hinein.

»Mama!«, sagte er, ja, er schrie es sogar.

Aber ihre Augen waren trüb geworden und ihre Kinnlade hing herab. Da schoss ihm etwas durch den Kopf, was sie gesagt hatte. Du musst mir die Augen schließen und das Kinn hochbinden, damit ich nicht wie ein Dorftrottel daliege und glotze. Er versuchte, ihre Anweisungen zu befolgen und strich mit der Hand über die widerspenstigen Lider, die sich ein Stück herunterschieben ließen, um anschließend sofort wieder zurückzuschnellen. Anschließend holte er ein Taschentuch, das er zusammenrollte und ihr wie Zaumzeug um das Kinn legte, aber der Kiefer war starr und widersetzte sich. Er knotete das Taschentuch auf dem Scheitel zusammen, aber das sah nicht gut aus. Die Enden glichen herabhängenden Kaninchenlöffeln und bildeten einen traurigen Anblick. Er musste den Knoten wieder lösen und sie so liegen lassen.

Geh zur Frau des Pfarrers, hatte sie gesagt. Sie kümmert sich um dich und richtet mich her. Mach das bitte, bevor andere kommen, der Pfarrer oder die Männer, die mich forttragen sollen.

Im Licht der Morgendämmerung lief er zum Pfarrhof und an diesem Morgen aß er nichts, weinte aber auch nicht, denn das, was geschehen war, überstieg sein Fassungsvermögen.

Die Frau des Pfarrers hieß Ingalisa. Sie zog später fort, nach Skara oder Hjo, er erinnerte sich nicht mehr genau. An diesem Morgen trat sie in einem blutroten Morgenmantel aus dem Haus, und als sie sah, dass er es war, wusste sie augenblicklich, worum es ging.

»Gib mir zwei Minuten!«, bat sie. »Zwei Minuten.«

Dann liefen sie los. Sie lief vor und er folgte ihr. Sie wussten beide, dass es eigentlich keinen Grund zur Eile mehr gab, aber sie liefen trotzdem, so als bräuchten sie die endgültige Bestätigung. Frau Ingalisa trug kleine, schwarze Stiefel. Er sah, wie sie im Morast einsank, sah ihre Schritte schwerer werden. Er konnte nichts tun um es ihr leichter zu machen.

Aber sie war stark und schnell und das bisschen Matsch machte ihr nichts aus. Sie stellte die Stiefel in der Diele ab und hängte ihren Mantel auf. Darunter trug sie eine Jeans und einen dunkelblauen Jumper. Sie goss Wasser in eine Schüssel und wusch den verdrehten Körper der Mutter unter dem Nachthemd. Die Arme der Toten standen immer noch hoch, die Finger waren nach innen gekrümmt. Ingalisa, die Frau des Pfarrers, blieb stumm, während sie arbeitete. Ihr Mund war klein und schief, er sah ihre Zungenspitze.

Anschließend holte sie die Blumenvase mit den blauen pelzigen Blumen aus der Küche und stellte sie in das Zimmer, in dem seine Mutter lag. Das sah schön aus.

»Deine Mutter braucht jetzt nicht mehr zu leiden«, sagte sie und trocknete ihre Hände ab. »Du musst versuchen, es so zu sehen, wenn du dich einsam fühlst.«

Es war ihm nicht bewusst gewesen, dass seine Mutter gelitten hatte. In den folgenden Wochen und sogar noch heute, viele Jahre später, dachte er oft darüber nach.

Die Pfarrersfrau trug an einer Kette ein Kreuz um den Hals. Es fiel nach vorn, als sie sich zu ihm vorbeugte.

»Du kommst am besten mit zu mir nach Hause«, sagte sie. »Du musst jetzt erst einmal frühstücken.«

Zurück gingen sie wesentlich langsamer. Es war jemand da, der ihr in der Küche half, denn der Pfarrer feierte seinen vierzigsten Geburtstag. Es war eine Frau namens Ragnhild und sie kochte Kaffee und strich Butter auf ein Brot, von dem er noch nie zuvor gegessen hatte. Es blieb ihm als Totenbrot im Gedächtnis.

Die Frau des Pfarrers regelte alles für ihn. Sie rief Doktor Dahl an, der vorbeischaute und den Totenschein ausstellte. Sie besorgte Männer, die dafür sorgten, dass die Leiche seiner Mutter aus dem Haus geschafft wurde, und darüber hinaus eine Frau, Dora Granberg, die einen gründlichen Hausputz vornahm. Der Geschmack und der Geruch des Todes sollten mit Hilfe von Schmierseife und Wasser aus dem Haus verbannt werden.

»Du bist ein tüchtiger Junge und hättest das bestimmt auch selbst geschafft, aber ich habe es deiner Mutter versprochen, und Dora Granberg ist zuverlässig, wenn es ums Putzen geht. Deine Mutter hat auf ihr bestanden.«

Er kam sich eigenartig hintergangen vor. Die Frau des Pfarrers wusste anscheinend mehr über seine Mutter und ihre Gedanken als er selbst.

Er blieb den ganzen Tag auf dem Pfarrhof und man bot ihm an, dort auch zu übernachten, aber er lehnte ab. Sein Haus stand einsam und verlassen, er wollte heim.

Der alte Pfarrer besuchte ihn am nächsten Tag. Er sprach eine Weile über seine Mutter, lobte sie für ihren Fleiß.

»Und wenn jemand etwas wegen der Alabastertaube sagt, berufst du dich einfach auf mich.«

An die eigentliche Beerdigung konnte er sich kaum noch erinnern. Die Frau des Pfarrers hatte ihm schwarze Kleidung besorgt. Er kam sich vornehm darin vor und hatte das Gefühl, dass die Leute ihm mit neuer und verblüffter Achtung begegneten. Die Frau des Pfarrers war es dann auch, die für Kaffee und Kuchen und kleine Stielgläser mit Sherry sorgte.

In der Nacht nach der Beerdigung lag er in seinem Bett und dachte an sie.

An die Pfarrersfrau Ingalisa.

Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi

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