Читать книгу Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi - Ингер Фриманссон - Страница 8

3. KAPITEL

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Als sie immer schwerer und plumper wurde, begriff er, dass sie trächtig war. Eines Morgens war es dann so weit.

Er baute einen Verschlag aus Latten und Kaninchendraht, den er sich bei Holger besorgt hatte, und setzte die Jungen und die Katze in den Käfig. Die Katze buckelte und sträubte ihr Fell, als wäre es elektrisch. Als er den Finger hineinsteckte um sie zu streicheln, schlug sie die Zähne hinein und biss zu. Bestürzt schrie er auf.

Als er im Haus war, um nach einem Pflaster zu suchen, nutzte die Katze seine Abwesenheit, um den Verschlag umzukippen und Reißaus zu nehmen. Die kleinen Kätzchen ließ sie zurück. Er saß auf der Treppe und das Blut lief ihm den Finger herab. Er dachte an seine Mutter. Sie hätte jetzt seine Hand genommen und zum Mund geführt, zwischen die Lücke in den Kiefern hätte sie seine Fingerspitze geschoben und an ihr gesogen, das Übel weggesaugt.

Sie hatte ihn immer in einem kleinen Bollerwagen gezogen. Er konnte sich zwar nicht mehr daran erinnern, aber sie hatte es ihm erzählt und ihm den Wagen gezeigt. Er war grün lackiert und aus Latten gezimmert. Eine Erinnerung huschte vorbei, rundes Holz in der Kuhle des Handtellers.

»Du hast erst spät angefangen zu laufen«, jetzt war ihre Stimme wieder ganz nah, »aber ich konnte dich ja nicht die ganze Zeit schleppen. Deshalb habe ich diesen Bollerwagen gekauft. Von Lappen-Karlsson.«

Ja.

Der Bollerwagen.

Und das holpernde Rollen der Räder über Sand und Wurzeln.

»Außerdem wusste ich so immer, wo du warst, denn du bist nicht rausgeklettert, du hast in ihm gesessen und warst mein kleines Klößchen. Du mit deinen fröhlichen roten Backen.«

Er hatte das Bild vor Augen, blonde Locken, eine Krone aus Gold auf seinem Kopf.

Lappen-Karlsson gehörte damals der Kaufmannsladen unten im Dorf. Er hatte eine gewölbte Stirn und einen hohen Haaransatz. Voller Experimente und Ideen war sein Kopf, man sah es ihm regelrecht an. Seinen Spitznamen hatte er bekommen, als er einmal auf die Idee verfallen war, in einen Stofffetzen gewickelte Rindenstückchen als Heilmittel gegen Zahnschmerzen zu verkaufen. Man sollte den Stofflappen in Schnaps tauchen und gegen den schmerzenden Zahn pressen. Die Rindenstückchen habe er aus Afrika importiert, berichtete er. Sie würden von Akazien stammen und Gummi arabicum enthalten. Dieser Substanz sage man nach, sie könne Schmerzen lindern.

»Halli, hallo, mein Junge, soll ich dich heute in den Arm nehmen?«, fragte er stets und streckte seine langen, knochigen Arme aus. Und wenn er keine Antwort bekam: »Und wie geht es deiner Mutter? Du kannst ihr ausrichten, dass ich heute Abend vielleicht kurz bei euch vorbeischaue. Natürlich nur, wenn sie Zeit für mich hat.«

»Du musst nett zu Lappen-Karlsson sein und ihn mögen«, ermahnte ihn seine Mutter. »Wir haben ihm viel zu verdanken.«

Wenn es an der Tür klopfte, musste er immer in die Kammer. Seine Mutter und er schliefen dort auf einer Bettcouch. Lappen-Karlsson brachte ihm immer etwas mit, einen Comic oder eine Tüte gebrannter Mandeln.

»Sei so lieb und bleib ein bisschen hier drinnen«, sagte seine Mutter, und etwas war anders an ihren Lippen, sie waren roter, ihre Bewegungen waren hastig und linkisch.

Mucksmäuschenstill lag er da und lauschte, hörte aber keinen Laut, nicht einmal ein Flüstern. Manchmal bildete er sich ein, sie seien hinausgegangen, aber er traute sich nicht nachzusehen, traute sich nicht einmal, aus dem Bett zu steigen, bis seine Mutter zu ihm kam. Sie trug dann meistens schon ihr Nachthemd.

»Schläfst du etwa noch nicht?«, fragte sie immer wieder aufs Neue überrascht, und ihre Haare hingen dunkel und verfilzt den Rücken herab.

Er schüttelte abwartend den Kopf.

»Und warum nicht?«

»Du sollst bei mir liegen.«

»So so, meinst du, du Racker.«

»Ist Lappen-Karlsson gegangen?«

»Lappen-Karlsson? Der ist schon lange weg. Er ist nur auf einen Sprung geblieben. Und wir beide schlafen jetzt, du und ich. Morgen ist auch noch ein Tag.«

Aber an den Abenden, an denen Lappen-Karlsson da gewesen war, konnte keiner von ihnen einschlafen. Er lag auf dem Rücken und die Matratze kam ihm uneben vor. Er hörte, wie seine Mutter sich hin und her wälzte und seufzte. Er streckte seine Hand aus und tastete nach ihr, und schließlich nahm sie seine Hand.

Er war so voller Worte und Gedanken, aber ihm durfte nichts über die Lippen kommen. Schließlich schlief sie ein, der Griff ihrer Hand löste sich und ihre Finger glitten auseinander. Er hörte ihre unregelmäßigen grunzenden Atemzüge. In diesen Momenten empfand er Leere und Verzweiflung, die er in kurzen Seufzern hervorstoßen musste, so als wäre er sehr schnell gerannt. Es war eine Atemlosigkeit, aus der Tränen wurden. Seine Mutter schlummerte, bewegte sich ein wenig, hüstelte.

Er drehte sich auf die Seite und schloss die Augen.

Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi

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