Читать книгу Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi - Ингер Фриманссон - Страница 21

3. KAPITEL

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Als sie das Wohnzimmer betraten, wurde ihnen klar, dass ihr Gefühl sie nicht getrogen hatte. Es war jemand da gewesen. Das Fenster zum Wald stand sperrangelweit auf, es war nicht beschädigt oder aufgebrochen worden, sondern stand nur auf und wurde durch einen Haken festgehalten.

Ulf blieb auf der Schwelle stehen und hielt sich am Türrahmen fest, als befürchte er ein Nachbeben.

»Als du letztens die Fenster geputzt hast«, sagte er langsam, »musst du vergessen haben, sie wieder ordentlich zuzumachen.«

»Nein«, erwiderte sie automatisch.

»Aber jemand hat es geöffnet und ist vielleicht sogar hereingeklettert.«

Sie schüttelte den Kopf.

Im gleichen Moment sahen sie, dass jemand die Schubladen des Sekretärs herausgezogen hatte. Beth bekam eine trockene Kehle, sie hatte einen seltsamen Geschmack im Mund, das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie hob die Hand und zeigte hin.

»Einbrecher«, sagte Ulf.

Sie dachte an brechen und ein, verstand plötzlich die ursprüngliche Bedeutung des Worts und während sie noch darüber nachdachte, fiel die Angst von ihr ab und machte einer immer größer werdenden Wut Platz.

Sie ging zum Sekretär. In den Schubladen lagen Handtücher, Streichholzschachteln und alte Gesellschaftsspiele, mit denen Beth und Juni als Kinder gespielt hatten. Jemand hatte sie durchwühlt und Sachen verschoben. Ein sauberes, gebügeltes Küchenhandtuch lag auf der Erde, aber es schien nichts zu fehlen. Im Übrigen verwahrten sie keine Wertgegenstände im Haus und das Geld und die Kreditkarten nahmen sie immer mit, wenn sie wegfuhren. Beth legte das Handtuch zurück und schob die Schubladen mit beiden Händen zu.

Ulf stand noch immer in der Türöffnung.

»Lass das«, sagte er unsicher. »Die Fingerabdrücke.«

Sie drehte sich heftig zu ihm um:

»Glaubst du wirklich, die Polizei hat Zeit, sich mit so etwas abzugeben! Mit einem simplen, jämmerlichen Einbruch. Die haben anderes zu tun, du weißt doch, wie wenig Personal die haben, erinnerst du dich, wie es war, als Anki vergewaltigt wurde, kein Schwein hat sich dafür interessiert, und obwohl sie ihn dann später auf einer Straße gesehen hat, ihn gesehen hat, hörst du, und erkannt hat, obwohl sie ihn erkannt hat und in ein Geschäft gelaufen ist und angerufen hat, meinst du vielleicht, die wären gekommen? Oh nein! Erst nach gut einer Stunde, und da war es natürlich zu spät, das hätte sich noch der letzte Idiot denken können!«

»Beth«, sagte er leise.

Wutentbrannt rannte sie in die Küche, griff sich einen Holzscheit aus dem Korb und donnerte die Treppe hinauf. Zunächst schien in der oberen Etage alles noch so zu sein, wie sie es verlassen hatten, die Tagesdecke lag glatt auf den Betten, Ulfs dunkelblauer Pullover auf einem Stuhl, der Schreibtisch war nicht angerührt worden und der alte Fernsehapparat stand wie immer mit herausgezogenem Stecker auf seinem Tischchen. Man musste den Stecker ziehen, weil er sich nur so ausschalten ließ. Dann entdeckte sie, dass die Kissen fort waren, die kleinen Zierkissen, die mit Ulfs und ihrem Sternzeichen bestickt waren. Ihre Mutter hatte sie genäht, als sie noch Freude daran hatte, für kleine Überraschungen zu sorgen. Kissen mit einem Schützen und einer Jungfrau, sie hatte die Vorlage in einer Illustrierten gesehen und sich das nötige Material bestellt. Zwei lose gefüllte Zierkissen, die Beth immer ans Kopfende legte, wenn sie die Betten machte. Sie wusste genau, dass sie dies auch an diesem Morgen getan hatte. Jetzt waren sie nicht mehr da.

Ulf war ihr gefolgt, sodass sie nun beide im Schlafzimmer standen. Hier oben unter dem Dach flimmerte die Luft vor Hitze, eine Wespe knallte gegen das Fenster.

»Es ist jemand hier gewesen«, sagte sie und ihre Schultern senkten sich, sie nahm ihren eigenen Geruch aus Schweiß und Angst wahr.

Er starrte sie an.

»Siehst du denn nicht, dass die Kissen verschwunden sind? Jemand ist hier gewesen und hat sie geklaut.«

»Die Kissen . . . wovon redest du?«

»Von den Kissen, die Mama uns geschenkt hat, du weißt doch, unsere Kissen, die mit den Sternzeichen!«

»Ach so, die. Hast du sie vielleicht woanders hingelegt? Wer klaut denn schon ein paar Kissen?«

»Keine Ahnung«, flüsterte sie. »Ach Ulf, ich habe wirklich keine Ahnung.«

Sie fanden keine weiteren Anzeichen dafür, dass jemand im Haus gewesen war. Beth holte den Staubsauger heraus und saugte gründlich in allen Zimmern, so als könnte sie dadurch das Gefühl auslöschen, dass sich jemand unbefugt Zutritt verschafft hatte.

Sie hatten noch eine gute Woche Urlaub. Anschließend würden Juni und ihr Mann herkommen. Den Schwestern gehörte das Haus gemeinsam, seit ihre Eltern zu alt geworden waren, um es noch als Sommerhaus zu benutzen.

Bei ihrer Mutter waren mit der Zeit Anzeichen für Veränderungen im Gehirn aufgetreten. Manchmal griff sie einen völlig unvermittelt und gehässig an, anfangs noch selten, so selten, dass sie erst nicht begriffen, was vorging. Im Lauf der Monate wurden ihnen jedoch klar, dass etwas nicht in Ordnung war. Ein Arzt konfrontierte sie mit der Wahrheit: Sie litt an Altersdemenz und es ließ sich nichts dagegen machen.

Ihr Vater versorgte sie im Moment noch zu Hause, aber seine Kräfte schwanden allmählich. Bei jedem Besuch fiel Beth auf, wie sehr er sich verändert hatte. Er war regelrecht verstummt und schien all seine Energie dafür zu benötigen, ihre Mutter sauber zu halten und sich gegen ihre Angriffe zur Wehr zu setzen.

Ihre Eltern waren beide achtundsiebzig. Ihr Vater war Geschäftsführer von Svärds Möbelhaus gewesen, einer Firma, die er aus dem Nichts aufgebaut hatte und die immer noch gut lief. Ihre Mutter hatte einen Frisiersalon für Damen geleitet. Beth war immer stolz auf ihre Eltern gewesen, vor allem auf ihre Mutter, weil das, was sie tat, leichter zu verstehen gewesen war. Ihre Mama verzauberte die Frauen, indem sie dünne Strähnen in einen Schwall duftender Locken verwandelte. Manchmal durfte Beth dabei sein, wenn eine junge Frau für ihre Hochzeit hergerichtet wurde. Sie saß dann auf dem gepolsterten Schemel und reichte ihrer Mutter Haarnadeln und Kämme an.

»Wenn dein Hochzeitstag kommt, mache ich dich genauso schön!«, sagte ihre Mutter dann stets und ihr Gesichtszüge wurden weich und ihr Blick schweifte in die Ferne. »Du wirst die schönste Braut von allen sein, Beth.«

»Und was ist mit Juni?«, fragte Beth.

»Ja, Juni natürlich auch. Ihr seid immerhin meine Töchter.«

Ihre Mutter bekam nie die Gelegenheit, eine von ihnen als Braut schön zu machen. Beth war nicht verheiratet und Juni lernte ihren Mann auf einer Kreuzfahrt zu den Bahamas kennen. Sie wurden an Bord getraut.

Mittlerweile wohnten ihre Eltern in einer kleinen Wohnung in Falköping.

»Ich glaube, sie fühlt sich hier zu Hause«, wiederholte ihr Vater immer wieder, so als wollte er sich selbst davon überzeugen, das Richtige getan zu haben, als er ihnen diese Wohnung besorgte. Aber Beth spürte, dass er die Lust am Leben verloren hatte. Es gab für ihn nichts, worauf er sich noch freuen konnte. Gemeinsam mit der immer verwirrteren Frau, die er einmal zu seiner Angetrauten genommen hatte, kämpfte er sich durch die Tage.

Ab und zu sprach sie mit ihrer Schwester darüber. Juni sah die Dinge etwas schonungsloser als sie.

»So ist nun mal das Leben«, meinte sie. »So ergeht es uns allen irgendwann, also sieh zu, dass du lebst, solange du noch kannst. Eines schönen Tages geht sowieso alles den Bach runter.«

Sie hieß Juni, weil sie am Morgen des Mittsommertags geboren wurde. Sie war vierzig, genau wie Ulf. Tatsächlich hatte Juni Ulf ihrer Schwester vor acht Jahren vorgestellt, als sie und Ulf gemeinsam als Journalisten bei einer Nachrichtenagentur arbeiteten. Beth wurde damals dreißig und ihre Freunde organisierten eine Geburtstagsfeier für sie. Juni kam auch, dünner als je zuvor. Ihre Haare sahen aus wie abstehende Stacheln. Sie hatte etwas genommen, eine süße und würzige Dunstglocke umgab sie.

»Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht, Schwesterherz«, flüsterte sie, als sie sich umarmten. »Ich habe dir einen Mann mitgebracht. Und weißt du was! Er ist wie gemacht für dich, er ist genau das, was du brauchst.«

Ulf hatte gleich hinter ihnen gestanden und ihr erster Eindruck von ihm war, dass er gepflegt aussah in seinem grauen Blazer, gepflegt. Als sie tanzten, spürte sie, dass er einen Ständer hatte.

Sie hatten nie geheiratet, es ergab sich einfach nicht. Stattdessen verlobten sie sich. Das klang ehrlicher, reiner. Sie schenkten einander Ringe aus Weißgold. Beths war zudem mit einem kleinen roten Rubin verziert. Manchmal, wenn sie ihn ansah, dachte sie an Blut. Die Liebe war ein Teil ihres Blutkreislaufs: mein geliebter Mann und Freund.

Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi

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