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|138|Ronald Coase (1910–2013)

„Without the concept of transaction costs … it is impossible to understand the working of the economic system, to analyze many of its problems in a useful way, or to have a basis for determining policy.“ Ronald Coase (1988b; S. 6)

„My point of view has not in general commanded assent, nor has my argument, for the most part, been understood. … [M]ost economists have a different way of looking at economic problems and do not share my conception of the nature of our subject.“ Ronald Coase (1988b; S. 1)

Ronald Coase’ Transaktionskosten-Ansatz

Im Jahr 1991 wurde Ronald Coase der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen. Zur Begründung gibt die Schwedische Akademie der Wissenschaften an, Coase habe den Preis verdient „for his discovery and clarification of the significance of transaction costs and property rights for the institutional structure and functioning of the economy“[211]. Coase wird gewürdigt als Pionier der Neuen Institutionenökonomik und insbesondere als Pionier der ökonomischen Analyse des Rechts, die er als Ökonomik-Professor an der Law School der University of Chicago und als langjähriger Herausgeber des ebendort redigierten „Journal of Law and Economics“ mit aus der Taufe gehoben hat.

Diese Würdigung stützt sich auf zwei Aufsätze, die mit einem zeitlichen Abstand von beinahe einem Vierteljahrhundert veröffentlicht worden sind. Es handelt sich zum einen um den Aufsatz „The Nature of the Firm“ aus dem Jahre 1937 und zum anderen um den Aufsatz „The Problem of Social Cost“ aus dem Jahre 1960.[212] Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Kategorie der Transaktionskosten in beiden Aufsätzen eine zentrale Rolle spielt, und es wird nicht verschwiegen, dass zumindest der zweite Aufsatz eine kuriose Rezeptionsgeschichte |139|aufweist: „Somewhat paradoxically, circumstances have ordained that it is the … conclusion about the consequences of overlooking transaction costs which has come to be called the ‚Coase theorem‘.“[213] Das berühmte Coase-Theorem, das nicht nur in die Forschungsliteratur, sondern auch in die Lehrbuchliteratur auf breiter Front Eingang gefunden hat, gibt also nicht eine Auffassung wieder, die Coase selbst vertreten hat, sondern vielmehr eine Auffassung, die er formuliert – um sie zu kritisieren! Insofern ist das sog. Coase-Theorem und die mittlerweile bibliothekenfüllende Literatur zur Diskussion um das Coase-Theorem Ausdruck der Schwierigkeit, die eigentliche Botschaft des Autors zu verstehen. Es handelt sich um eine Botschaft mit weitreichenden organisationstheoretischen, markttheoretischen und rechtstheoretischen Implikationen. Sie lautet in einem ersten Zugriff und in einer formelhaften, d.h. interpretationsbedürftigen, Zuspitzung: Transaktionskosten sind wichtig!

Da das sog. Coase-Theorem die Abwesenheit von Transaktionskosten postuliert, verwundert es nicht, dass sich Coase mit der lange Zeit gängigen Coase-Rezeption eher unzufrieden zeigt: Der 1937er Aufsatz über die Theorie der Firma ist bis in die 1970er Jahre praktisch folgenlos geblieben. Coase selbst kennzeichnet ihn als „much cited and little used“[214]. Und der 1960er Aufsatz wird – bis heute – vor allem als Beleg-Referenz für das Coase-Theorem benutzt. Diese offenkundigen Rezeptionsprobleme: die Schwierigkeiten, der Botschaft des Autors habhaft zu werden, sind an sich nicht minder interessant als die Botschaft selbst. Vor diesem Hintergrund soll im folgenden zwei Fragen nachgegangen werden, die nicht unabhängig voneinander sind: Was kann man noch heute von Coase lernen, und warum ist es lange Zeit so schwer gefallen, ihn richtig zu rezipieren? Beide Fragen hängen deshalb zusammen, weil man auch von den Rezeptionsschwierigkeiten lernen kann und weil diese Schwierigkeiten darauf zurückzuführen sind, dass es offensichtlich nicht ganz einfach ist, Einigkeit darüber herzustellen, was genau von Coase eigentlich zu lernen ist.

Zur Beantwortung dieser Fragen wird versucht, eine Lesart für das Gesamtwerk zu entwickeln. Beabsichtigt ist eine Interpretation der Coaseschen Theorieleistung und ihrer noch heute zukunftsweisenden Errungenschaften. Diese Interpretation bezieht sich nicht allein auf die beiden vom Nobelpreiskomitee eigens hervorgehobenen Aufsätze, die vor nunmehr 40 bzw. über 60 Jahren geschrieben worden sind. Sie bezieht sich vielmehr auf den Denkansatz, der hinter den beiden Aufsätzen steckt. Es geht also nicht – jedenfalls nicht primär – darum, den in der Literatur bereits vorfindlichen Interpretationen der beiden als preiswürdig ausgezeichneten Aufsätze eine weitere Interpretation an die Seite zu stellen, sondern statt dessen darum, nach dem Ansatz: nach dem approach, der Methode, der Theorie-Perspektive zu fragen, die diesen – und anderen! – Coase-Aufsätzen zugrunde liegt.

Ein wichtiger Anhaltspunkt für die hier gewählte Vorgehensweise liegt darin, dass Coase, Jahrgang 1910, im Jahr 1988 ein Buch veröffentlicht hat, in dem er – auf sein Gesamtwerk zurückblickend – darauf verweist, dass er selbst nicht zwei, sondern drei seiner Aufsätze für zentral hält. Neben dem 1937er und dem |140|1960er Aufsatz hebt Coase seinen 1946 erschienenen Aufsatz mit dem Titel „The Marginal Cost Controversy“ hervor. Dass er in der Tat nicht nur zwei, sondern drei seiner Aufsätze für grundlegend hält, geht implizit – aber besonders nachdrücklich – auch daraus hervor, dass die, abgesehen von der Einleitung, insgesamt sechs Aufsätze seines Buches folgende Zuordnung nahelegen (Abb. 1).

Abbildung 1:

Ein schematischer Überblick über die Aufsätze des Buches „The Firm, the Market, and the Law“ von 1988

Dieser Zuordnung zufolge ist jedem der von Coase selbst als grundlegend empfundenen Aufsätze eine Ergänzungsstudie an die Seite gestellt, in der dann einzelne Aspekte weiter ausgearbeitet werden. Insofern liegt es nahe, die Beantwortung der ausgewiesenen Fragen mit einer Untersuchung dieser drei Coase-Aufsätze zu beginnen.[215]

Moderne Klassiker der Gesellschaftstheorie

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