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7. Resümee
ОглавлениеBei der mit diesem Aufsatz zur Diskussion gestellten Interpretation der Schriften von Ronald Coase geht es nur vordergründig um die Frage, ob sein Werk nun zwei – so das Nobelpreis-Komitee – oder drei – so Coase selbst – oder gar vier – so die hier vertretene Lesart – grundlegende Aufsätze enthält. Den Hintergrund der Überlegungen bildet vielmehr die Frage, was man noch heute von Coase lernen kann. Der hier entwickelten Antwort liegt die These zugrunde, dass man die Theorieleistung von Coase unterschätzt, wenn man in ihm primär den ‚Entdecker‘ der Transaktionskosten-Kategorie sieht. Das Werk hat auch mehr zu bieten als die Erkenntnis zweier unbestritten wichtiger Aufsätze, die Erkenntnis nämlich, dass Transaktionskosten wichtig sind: zum einen – positive Analyse – für das Verständnis wirtschaftlicher Organisationsstrukturen; zum anderen – normative Analyse – für die rechtliche Gestaltung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Der Gehalt des Coaseschen Gesamtwerks wird auch nicht durch einzelne Botschaften erschöpft wie etwa die, dass Regierungen bei der Regulierung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte mehr Schaden als Nutzen anrichten können – nicht: müssen – oder etwa die, dass z.B. bei der politischen Handhabung von Umweltproblemen nicht einfach dem Augenschein vertraut werden darf, sondern dass statt dessen von einer stets reziproken Verursachung des Problems ausgegangen werden muss, wodurch sich dann eine kurzschlüssige Bestrafung ‚offensichtlicher‘ Verursacher verbietet.
|165|Entgegen solchen eher oberflächlichen Bestimmungen wird hier versucht, die Theorieleistung von Ronald Coase auf einer anderen, fundamentaleren Ebene zu verorten und einen – von der einschlägigen Literatur bislang weitgehend unbemerkt gebliebenen – Ansatz zu identifizieren, der nicht nur den zwei oder drei unbestritten wichtigen Aufsätzen (sowie den Ergänzungsstudien), sondern mindestens noch einem vierten Aufsatz zugrunde liegt. Es handelt sich um einen konstruktivistischen – und als konstruktivistisch ausdrücklich ausgewiesenen – Ansatz, d.h. um einen Ansatz, der sich darum bemüht, das ökonomische Denken mit geeigneten Denkkategorien zu versorgen. Besonders anregend hierbei ist, dass Coase die für ihn offenkundigen Defizite ökonomischer Theorie nicht dadurch zu heilen versucht, dass er die nötigen Korrekturen durch einen Rekurs auf externe Instanzen – vulgo: ‚Interdisziplinarität‘ – in die Disziplin hinein trägt, sondern dadurch, dass er gerade umgekehrt die nötigen Korrekturen aus der Ökonomik heraus entwickelt.
Gerade das Nebeneinanderstellen der insgesamt vier als grundlegend rekonstruierten Coase-Aufsätze erlaubt es, den konstruktivistischen Ansatz vergleichend nachzuvollziehen: Es dürfte deutlich geworden sein, dass Coase seinen Einwand gegen die methodologischen Empfehlungen Friedmans als eine interne Kritik vorbringt und dass gerade hierin eine – für ein Verständnis seines konstruktivistischen Ansatzes aufschlussreiche – Analogie liegt zu seinen Einwänden gegen die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Wohlfahrtsökonomik: In beiden Fällen erfolgt eine völlige Dekonstruktion der Gegenposition, die durch eine interne Kritik eingeleitet wird und in der Vorstellung einer institutionenökonomischen Position ihren Abschluss findet, stets nach dem Motto: „Modern institutional economics is economics as it ought to be.“[265] Es ist diese Perspektive und die konstruktivistische Einführung dieser Perspektive, von der wir noch heute lernen können, isnbesondere dort, wo es auf eine den (Politik-)Problemen angemessene Wahrnehmung relevanter Alternativen ankommt.