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3. Die Startphase

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In seinem Aufsatz von 1971 stellt Williamson das generische Problem vor, aus dessen Analyse heraus er seinen organisationsökonomischen Ansatz entwickelt. Es handelt sich um das Problem vertikaler Integration: Auf dem Markt für Zwischenprodukte steht jede Firma vor einer ‚Make-or-buy‘-Entscheidung. Soll sie ein Zwischenprodukt von einer anderen Firma fremdbeziehen, oder soll sie dieses Zwischenprodukt selbst herstellen? Vertikale Integration bedeutet, sich gegen einen Kauf und statt dessen zugunsten der firmeninternen Eigenproduktion zu entscheiden.

Williamsons Analyse des Problems vertikaler Integration weist mehrere Eigenschaften auf, die auch für seine späteren Arbeiten typisch sind. Auf drei sei hier hingewiesen. Erstens greift er ein Thema mit interessanten Politikimplikationen auf. Ob z.B. wettbewerbsrechtlich gegen vertikale Integration vorgegangen werden soll, hängt ganz wesentlich davon ab, welche Erklärung diesem Phänomen zugrunde gelegt wird und welche Folgen diese Erklärung in Aussicht stellt. Zweitens handelt es sich um ein Thema, in Bezug auf das unterschiedliche Theorien konkurrierende Erklärungsansätze vorlegen. Auf der einen Seite wird vertikale Integration auf technologische Faktoren zurückgeführt. Auf der anderen Seite sieht man in vertikaler Integration den Versuch, Marktmacht zu erringen. Diesen beiden Ansätzen stellt Williamson den alternativen Erklärungsansatz gegenüber, vertikale Integration auf den Versuch zurückzuführen, Transaktionskosten einzusparen. Dieses Argument wird, drittens, im Rahmen einer komparativen Black-Box-Analyse entwickelt. Williamson stellt drei Governance-Strukturen gegenüber: einen langfristigen Vertrag, eine Sequenz kurzfristiger Verträge und die Firmenhierarchie. In diesem Rahmen muss man nicht viel über die Firma wissen, um aus etwaigen Schwächen marktlicher Verträge ceteris paribus auf einen relativen Vorteil firmeninterner Transaktionsabwicklung schließen zu können.

Die zeitgenössische Literatur über Marktversagen rezipierend, trägt Williamson mehrere Überlegungen zusammen, die letztlich dahingehend zusammengefasst werden können, dass Marktverträge stets unvollständige Verträge sind, |174|weil es entweder unmöglich ist oder aber prohibitiv teuer wäre, alle Eventualitäten vorauszusehen und ex ante so zu regeln, dass die Vereinbarung justitiabel ist, d.h. im Ernstfall vor Gericht Bestand hat. Dieser mangelnde Vertragsschutz aufgrund vertraglicher Unvollständigkeiten mache sich vor allem dort bemerkbar, wo die Interessen der Vertragspartner im Zeitablauf stark divergieren (können). In solchen Situationen erweise sich dann eine firmeninterne Abwicklung als überlegen. Abstrakt zusammengefasst: Der marktliche Vertrag und die firmeninterne Hierarchie werden als funktionale Äquivalente zur Herstellung von Anreizkompatibilität aufgefasst, die in unterschiedlichen Situationen zu unterschiedlichen Kosten führen, so dass Effizienzüberlegungen mal für die eine und mal für die andere Alternative sprechen. Je größer der Bedarf für Verhaltensanpassungen im Zeitablauf, desto größer, so Williamson, der Vorteil der Firmenhierarchie als Governance-Struktur: „Perhaps the most distinctive advantage of the firm … is the wider variety and greater sensitivity of control instruments that are available for enforcing intrafirm in comparison with interfirm activities“[274].

Moderne Klassiker der Gesellschaftstheorie

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