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|171|1. Die Ausgangslage

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Konfrontiert mit einer Theorie, die die Firma primär als Produktionsfunktion – d.h. unter dem Aspekt einer preistheoretischen Fragestellung – thematisiert, hatte Ronald Coase bereits 1937 darauf aufmerksam gemacht, dass sich die organisationstheoretische Frage nach der Existenz und der Größe einer Firma nicht in Bezug auf die Produktionstechnologie beantworten lasse. Vielmehr seien es Transaktionskosten, die entscheiden, ob es individuell vorteilhaft ist, eine bestimmte Transaktion firmenintern oder über den Markt abzuwickeln. Coase formulierte also einen Wahlhandlungskalkül in bezug auf zwei organisatorische Alternativen, wobei er in der Firma eine Hierarchie mit Anweisungsbefugnis sah und im Markt eine Sphäre prinzipiell gleichrangiger Vertragspartner.[272]

Dieser Ansatz lässt sich kennzeichnen als ökonomisch, komparativ und – tautologisch. Der Coase-Ansatz ist komparativ, weil er auf den Vergleich relevanter institutioneller Alternativen abstellt. Er ist ökonomisch, weil er diesem Vergleich einen Rationalkalkül unterlegt. Und er ist tautologisch, weil er die Frage nach den Gründen für ein bestimmtes organisatorisches Design – etwa die Frage, warum manche Firmen den Verkauf ihrer Produkte über selbständige Handelsvertreter abwickeln und manche über eine eigene Verkaufsabteilung – stets mit dem Hinweis beantwortet, dass hierfür individuell rationale Kostenüberlegungen verantwortlich sind. Solange dieser Hinweis am Ende der Argumentation steht, handelt es sich um eine Schwäche. Die Tautologie wird erst dann zu einer Stärke, wenn sie am Anfang der Argumentation steht: als Einstieg in ein empirisches Forschungsprogramm, das es erlaubt, die Vor- und Nachteile institutioneller Alternativen zu identifizieren, zu vergleichen und hieraus Hypothesen abzuleiten, die überprüft werden können.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum der Coase-Aufsatz von 1937 über Jahrzehnte hinweg wie ein erratischer Block aus der Literatur herausragte: Viele sahen hier eine intuitiv eingängliche Idee formuliert. Doch nur wenige konnten damit etwas anfangen. Die Schwierigkeit bestand darin, die Tautologie produktiv zu verorten, sie gleichsam vom Ende an den Anfang der Untersuchung zu stellen, kurz: sie nicht als vollständiges Explanans misszuverstehen, sondern als heuristisch wertvollen Bestandteil eines vollständig allererst zu entwickelnden Explanans aufzufassen – und ferner darin, sich dieser methodologischen Notwendigkeit bewusst zu werden.

Dass Oliver Williamson genau dies wie keinem anderen gelungen ist, führt er selbst auf die intellektuelle Umgebung zurück, in der er seine akademische Ausbildung genossen hat.

Moderne Klassiker der Gesellschaftstheorie

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