Читать книгу Einmal morden ist nicht genug - Irene Scharenberg - Страница 11

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Kapitel 8

Während Max den Hof der Firma zum zweiten Mal fegte, drückte er seine Hand so fest um den Besenstiel, dass die Innenseiten schmerzten. Der geplante Diebstahl war nichts für seine Nerven, auch wenn im Augenblick alles nach Plan lief. Solange er hier den Straßenbesen schwingen konnte, hatte er das Firmengelände gut im Blick. Am Vormittag hatte er eine neue Ladung Teppiche eingeräumt und dabei den Hof nicht einsehen können. Gut, dass er damit rechtzeitig fertiggeworden war und der Chef ihn danach nicht für die Auslieferung eines Teppichs an einen Kunden eingeplant hatte. Er musste unbedingt hierbleiben, um beobachten zu können, wenn der Geldbote eintraf. Er hoffte, nein, er ging davon aus, dass der Chef das Gebäude danach bis zum späten Abend noch einmal verlassen würde.

Plötzlich hörte Max auf zu fegen. Sein Atem beschleunigte sich. Ein teurer Sportwagen, dessen Marke er nicht kannte, hielt auf dem Gelände und erregte seine Aufmerksamkeit. Ein Mann mittleren Alters stieg aus. Der Typ mit Lederjacke wirkte nicht gerade wie ein normaler Kunde. Das halblange dunkelbraune Haar hatte er nach hinten gegelt und seine ganze Haltung drückte irgendwie Wachsamkeit aus. Für einen Vertreter erschien er Max nicht seriös genug und für einen Kunden war er zu angespannt. Max schielte auf die schwarze Aktentasche in seiner rechten Hand. Da war das Geld drin, garantiert. Er zwang sich, weiterzufegen und den Eindruck zu erwecken, er ginge voll in dieser Aufgabe auf. Dabei ließ er den Ankömmling nicht aus den Augen. Erst als der Mann das Bürogebäude betreten hatte und aus seinem Blickfeld verschwunden war, atmete Max etwas auf. Seufzend sah er auf seine Armbanduhr. Ihm blieb noch etwa eine halbe Stunde bis zum Feierabend. Er hoffte inständig, dass der Mann bis dahin wieder verschwunden war und am besten auch Hachlinger. Ansonsten musste er einen anderen Beobachtungsposten wählen. Wer machte schon freiwillig Überstunden beim Fegen?

Nach etwa zehn Minuten trat der Mann mit dem Aktenkoffer wieder aus dem Gebäude heraus. »Jetzt noch der Chef«, murmelte Max leise vor sich hin, während sein Blick den Mann verfolgte, bis er mit seinem Flitzer vom Firmengelände verschwunden war. Max fegte noch eine Weile in einer anderen Ecke des Hofes.

Erneut erregte etwas seine Aufmerksamkeit. Die Madame trat aus dem Hauptgebäude. Wenn Hachlinger seine Sekretärin nicht mehr brauchte, würde er mit etwas Glück auch gleich die Segel streichen.

Tatsächlich folgte ihr Hachlinger nach wenigen Minuten. Zunächst beachtete der Chef ihn nicht, aber dann warf er ihm einen erstaunten Blick zu. »Noch keinen Feierabend?«, fragte er misstrauisch, wobei er eine Augenbraue leicht nach oben zog, sofern Max das aus der Entfernung richtig erkannte.

Max wollte etwas erwidern, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Deshalb schüttelte er nur den Kopf. Hachlinger gab sich damit zufrieden und verließ die Firma. Veflixter Mist, jetzt war Hachlinger auf ihn aufmerksam geworden. Wenn die Scheinchen aus dem Tresor plötzlich fehlten und er eins und eins zusammenzählte, wäre das denkbar schlecht. Max wischte sich mehrmals über die feuchte Stirn. Zuerst musste er an das Geld kommen, was schon schwer genug war, dann würde er weitersehen.

Kurz vor Ladenschluss betrat Max das Gebäude. Die Tür quietschte leise und ihm brach der Schweiß aus. Rechts lag der große Verkaufsraum hinter dem Eingang mit großen Glasscheiben in der oberen Hälfte. In gebückter Haltung, um nicht von den Kollegen gesehen zu werden, schlich er weiter zum Bürotrakt.

Er zog einen Dietrich aus seiner Hosentasche. Mit einem Mal hörte er Stimmen. Offensichtlich schickten sich die Verkäufer an, die große Halle zu verlassen. Mit zitternden Fingern hantierte Max am Schloss herum. Die Stimmen wurden lauter. Gleich würden sie ihn sehen. Im letzten Moment gab das Schloss nach. Max schlich ins Vorzimmer und versperrte die Tür hinter sich. Anschließend sank er zu Boden und lehnte sich vor Schweiß triefend gegen das Holz. Das war knapp. Hoffentlich hatten ihn die Verkäufer nicht doch entdeckt. Aber es kam niemand hinter ihm her.

Durch das Fenster fiel genug Licht herein, so dass er sich gut in dem Raum zurechtfinden konnte. Obwohl das jetzt nicht gerade passte, erinnerte er sich plötzlich an sein Vorstellungsgespräch vor gut einem Jahr. Wie abschätzend die Madame ihn gemustert hatte. Hachlingers Sekretärin hatte sich benommen, als gehöre ihr die Firma. Max war sicher, dass er die Stelle nicht bekommen hätte, wenn sie wirklich hätte auswählen dürfen. Seufzend wuschelte er durch seine stattliche Mähne. Er durfte jetzt keinen Erinnerungen nachhängen, musste den Kopf freibekommen.

Die Tür, die vom Vorzimmer zu Hachlingers Büro führte, war abgesperrt, aber auch dieses gewöhnliche Schloss stellte für Max keine besondere Herausforderung dar. Manchmal fragte er sich, warum der Chef nicht mehr Wert auf Sicherheit legte. Selbst der Tresor, den er beim Bewerbungsgespräch hinter Hachlingers Schreibtisch gesehen hatte, entsprach nicht heutigen Standards. Er gehörte zu den uralten Dingern, mit denen er sich noch bestens auskannte. Vorsichtig öffnete Max die Verbindungstür zwischen Vorzimmerdrachen und Chefbüro.

Seine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, aber in diesem Raum drang das Licht von draußen noch spärlicher herein. Er zog seine Taschenlampe aus der Hose und knipste sie an. Der Lichtkegel wanderte in Richtung Geldschrank und Max erstarrte. »Scheiße, Scheiße«, spie er leise aus. Was für ein elender Mist. Das war nicht der Tresor, den er noch vor einigen Monaten hier gesehen hatte. Das Ding sah ganz neu aus. Mit den moderneren Modellen kannte er sich nicht aus. Sein letzter Einbruch lag schließlich einige Jahre zurück. Seitdem hatte er zunächst im Gefängnis gesessen und sich später nichts mehr zuschulden kommen lassen. Er hatte wirklich vorgehabt, die Bewährungszeit heil zu überstehen und endlich ein unbescholtener Bürger zu werden, bis ... Anfangs war es ihm wie eine gute Fügung erschienen, das Telefonat zwischen Hachlinger und dem Erpresser unfreiwillig belauscht zu haben, doch nun kamen ihm Zweifel.

Max zog ein Stofftaschentuch mit einem aufgedrucktem M aus der Hosentasche und schniefte hinein. Denk nach, ermahnte er sich. Ehe er jedoch einen Plan fassen konnte, erstarrte er. Etwas knarrte. Es kam vom Flur. Sofort knipste Max die Taschenlampe aus. Wahrscheinlich die Kollegen. Leise schlich Max ins Vorzimmer zurück, um die Lage zu sondieren, und darauf hoffend, dass seine Aufregung umsonst wäre. Nein, da machte sich jemand am Schloss zu schaffen.

Einmal morden ist nicht genug

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