Читать книгу Einmal morden ist nicht genug - Irene Scharenberg - Страница 8
ОглавлениеKapitel 5
Der Beginn dieses Tages war ganz nach Kommissar Bernhard Barnowskis Geschmack. Endlich kam er in den Genuss, die vielen Überstunden abzufeiern. Das Einarbeiten der neuen Kollegin konnte ruhig einige Stunden warten und er den Morgen zusammen mit seiner Freundin genießen, deren Friseursalon auch erst um zehn Uhr öffnete.
»Gabymaus, das war einfach super«, japste Barnowski. »Und damit widerlegst du alle meine Vorurteile.«
»Die da wären?«
»Na ja, dass Sex mit einem langjährigen Partner irgendwann langweilig wird. Also, alles wäre eingefahren und man hätte nicht mehr richtig Bock aufeinander.«
Gaby lachte. »Ich habe da auf jeden Fall eine ganz andere Theorie. Und deshalb sollten wir endlich heiraten.«
»Heiraten?« Barnowski hatte das ausgesprochen, als hätte sie vorgeschlagen, auf Dauer in ein Zelt am Nordpol zu ziehen.
»Was um alles in der Welt ist so ungewöhnlich daran? Wir sind seit zwölf Jahren zusammen. Die Probezeit haben wir doch längst hinter uns. Oder findest du nicht?«
Unwillkürlich zog Barnowski die Bettdecke etwas höher. »Irgendwie hast du Recht«, erwiderte er mit einer Stimme, die ihm seltsam fremd vorkam. »Vielleicht sollten wir in nächster Zeit wirklich einmal intensiver darüber nachdenken.«
»Ich brauche darüber aber nicht mehr nachzudenken«, entgegnete Gaby und wuschelte Barnowski durch das volle schwarze Haar. »Ich will dich heiraten. Punkt. Aus. Ende.«
»Aber warum hast du denn vorher nie etwas gesagt?«
»Vorher nie was gesagt? Also, hör mal! Was war denn mit Norderney? Mit dieser Hochzeitszeremonie am Strand, über die wir uns erkundigt haben? Gut, die Wartezeit war uns zu lang. Und jetzt verzichte ich auf eine Inseltrauung und wir heiraten einfach in Duisburg oder in Moers, da gibt es sogar Termine im Schloss.«
Mist, sein Plan war nicht aufgegangen. Er hatte von den langen Wartezeiten auf der Insel gewusst und gehofft, dadurch eine weitere Galgenfrist zu bekommen. Und er hatte sich eingebildet, dass sie nicht mehr so schnell davon anfangen würde, nachdem er zumindest guten Willen gezeigt hatte. »Aber ...«
»Aber?« Die beißende Ironie in ihrer Stimme zerstörte die gute Atmosphäre, die er vor wenigen Minuten noch so genossen hatte. »Es gibt kein Aber, nachdem ich dir seit so vielen Jahren deine Unterhosen wasche, obwohl ich genauso arbeiten gehe wie du.« Gaby schickte gerade ein paar Blicke Marke »Fall tot um« in seine Richtung.
Scheiße, dachte er, erst dieser Wahnsinnssex und dann wird man auf brutale Weise wieder aus dem Garten Eden herausgekickt. Plötzlich klingelte sein Diensthandy. Barnowski konnte sich an keine einzige Situation erinnern, in der er darüber jemals so dankbar gewesen war. Er sprang nackt aus dem Bett und hechtete in die Diele, wo er das Handy auf der alten Kommode, einem Erbstück von Gabys Oma, deponiert hatte.
»Was gibt’s?«, meldete er sich, während er auf seine Füße starrte.
»Bernhard, es tut mir total leid, dich zu stören«, erklärte Nadine mit zerknirschter Stimme. »Aber Plötsche braucht unbedingt einige Informationen, die ich ihm nicht geben kann.«
»Ich komme sofort!«
»Aber vielleicht können wir das auch am Telefon klären, dann brauchst du nicht extra ...« Weiter kam Nadine nicht.
»Ich mach mich gleich fertig und bin in einer knappen halben Stunde da«, fuhr Barnowski ihr ins Wort. Diesen tollen Abgang durfte er sich nicht entgehen lassen. Er wollte das Telefonat gerade beenden, da tauchte Gaby in der Diele auf, mit einem Blick, als würde es in den nächsten Sekunden für die Mordkommission ein potentielles Opfer geben. Barnowski versuchte zu lächeln, was gründlich misslang. Nachdem er das Handy wieder auf die Kommode gelegt hatte, war Gaby verschwunden. Er lief ins Schlafzimmer zurück. Dort saß sie aufrecht im Bett. Zu seinem Erstaunen hatte sie inzwischen ein hässliches Nachthemd angezogen, ein Geschenk ihrer Mutter. Das hatte Mariella Böttke bei ihrem Besuch mitgebracht, vor dem er und Gaby heftig über seinen unfreiwilligen Umzug auf die Couch gestritten hatten.
»Ich mach mich sofort fertig und bin in einer knappen halben Stunde da«, äffte sie seine Stimme nach. »Super, einfach super, wie du dich jetzt wieder aus der Affäre ziehen kannst. Da will ich einmal mit dir über etwas sehr Wichtiges sprechen und schon ...«
»Für den Anruf kann ich nun wirklich nichts«, unterbrach er sie ärgerlich. »Dem nörgeligen Plötsche unter die Augen zu treten, ist wohl nichts, was man als willkommene Abwechslung betrachten kann.«
»Das Thema wird aber nicht auf ewig zu den Akten gelegt«, rief sie hinter ihm her, während er sich schon halb im Bad befand.
Als er wenig später das Haus verließ, spukte Gabys Wunsch immer noch in seinem Kopf herum. Natürlich war Gaby voll okay, nein, eigentlich mehr als das. Sie war in gewisser Weise schon die Frau, die er sich als Partnerin immer vorgestellt hatte, also, zum Älterwerden, für alles eben. Aber musste man deshalb gleich heiraten? Paare, die einfach ohne Trauschein zusammenlebten, gab es doch wahrlich genug. Auf jeden Fall war ihm die Vorstellung unangenehm, alles offiziell zu machen. Während er zu seinem Auto lief, fuhr er sich mit beiden Händen durchs Haar, als könne er die unangenehmen Gedanken dadurch verscheuchen. Er brauchte jetzt wirklich einen klaren Kopf. Er wusste ja nicht einmal genau, was Kriminaloberrat Plötsche von ihm wollte und ob er die gewünschten Informationen griffbereit hatte. Barnowski fühlte einerseits Ärger wegen des verpatzten Endes der Kuschelstunde mit Gaby, andererseits plagte ihn ein schlechtes Gewissen. Während er geplant hatte, seine Überstunden im Bett abzufeiern, anstatt an seinem Platz zu sitzen, hatte Nadine Rede und Antwort stehen müssen. Sein Fuß drückte stärker auf das Gaspedal. Auch wenn er gerade mit seinem Privatwagen fuhr und das Martinshorn nicht einschalten konnte, lag hier für seine Begriffe im weitgehenden Sinne ein Notfall vor.