Читать книгу Fünf Bücher gegen die Häresien - Irenäus von Lyon - Страница 58
Оглавление7. Kapitel: Die Welt, kein Abbild der Äonen
1.
Keine blasse Ahnung also hat der Demiurg gehabt, als der Erlöser das Pleroma ehrte, indem er bei der Schöpfung durch seine Mutter die Abbilder und Gleichnisse der oberen Dinge hervorbrachte. Die Unmöglichkeit aber, daß außerhalb des Pleroma etwas existierte, in dem die Abbilder von den Dingen hätten erschaffen werden können, die innerhalb des Pleroma sind, haben wir schon bewiesen. Doch vielleicht macht es Freude, sie von allen Seiten zu widerlegen und als Lügner darzutun. Wenn also zur Ehre der Oberen der Erlöser diese Dinge nach ihrem Ebenbilde erschaffen hat, dann müßten sie doch immer fortdauern, damit das Geehrte in Ehre bleibe. Wenn diese aber vergehen, was nützt dann eine so kurzdauernde Ehre, die vordem nicht war und nachdem nicht mehr sein wird? Also wird der Erlöser von uns überführt, daß er mehr nach eitlem Ruhme strebte, als das Obere ehrte. Denn was für eine Ehre können zeitliche Dinge den ewigen, vergängliche den beständigen, verwesliche den unverweslichen einbringen! Legen doch sogar die vergänglichen Menschen kein Gewicht auf die Ehre, die schnell vergeht, sondern auf die, welche möglichst lange andauert. Mit Recht wird man sagen, daß solche schnell vergänglichen Dinge mehr zur Schande denen gereichen, die man ehren wollte, und daß dem Ewigen durch sein verwestes und zerstörtes Abbild Schande zugefügt wird. Was aber, wenn ihre Mutter nicht geweint und gelacht hatte und nicht in Not geraten wäre? Dann wäre der Erlöser nicht in der Lage gewesen, das Pleroma zu ehren, da ja die äußerste Verwirrung keine eigene Substanz hatte, durch die er den Urvater hätte ehren können.
2.
O eitlen Ruhmes Ehre, die sogleich vergeht und fürder nicht mehr sein wird! Denn kommen wird die Zeit, in der für gar nichts solche Ehre wird geachtet werden und ehrlos dann das Obere sein wird! Oder es wird abermals zur Ehre des Pleroma eine andere Mutter ausgesaugt werden müssen, die da weint und in Not gerät. Welch unähnliches, ja zugleich gotteslästerliches Ebenbild! Ein Ebenbild des Eingeborenen, welcher der Logos und der Vater des Weltalls sein soll, sei vom Demiurgen hervorgebracht und dieses Ebenbild kenne sich selbst nicht, kenne auch die Mutter nicht, kenne nichts von dem, was da ist, noch was von ihm erschaffen worden! Und ihr ertötet nicht vor euch selber, indem ihr die Unwissenheit direkt bis zu dem Eingeborenen hinaufführt! Sind diese Dinge nämlich nach dem Gleichnis der Oberen von dem Erlöser gemacht worden, ohne daß der etwas davon wußte, der nach dem Ebenbilde gemacht war, dann muß auch um den und bei dem, nach dessen Ebenbild der Ahnungslose gemacht ist, solche Unwissenheit geistigerweise existieren. Da nämlich beide geistig von ihm entsendet wurden, keineswegs aber gebildet oder zusammengesetzt, so ist es nicht möglich, daß sie in einigen Stücken das Ebenbild bewahrt, in anderen dasselbe verschandelt hätten, denn dazu wurde es doch ausgesandt, daß die obere Aussendung ihr Ebenbild habe. Ist es nun diesem unähnlich, dann trifft der Vorwurf den Erlöser, der wie ein stümperhafter Künstler ein unähnliches Bild hervorbrachte. Auch können sie nicht sagen, daß der Erlöser nicht die Kraft gehabt habe, es hervorzubringen, da sie ihn doch allmächtig nennen. Ist also das Bild unähnlich, dann taugt ihr Künstler nichts, und die Schuld fällt nach ihnen auf den Erlöser. Ist es aber ähnlich, dann findet sich auch bei dem Nous ihres Urvaters, d. h. bei dem Eingeborenen, dieselbe Unwissenheit, und der Nous des Vaters kannte weder sich selbst, noch den Vater, noch seine Geschöpfe. Hat er sie aber erkannt, dann muß auch der, welcher von dem Erlöser nach dem Ebenbild gemacht ist, das Ähnliche erkennen — und nach ihrer eigenen Lehre zerfällt ihre schreckliche Blasphemie.
3.
Aber auch sonst, wie könnten die vielen verschiedenen zahllosen Dinge dieser Schöpfung Abbilder der dreißig Äonen innerhalb des Pleroma sein, deren Namen wir nach ihrer Angabe im ersten Buche mitgeteilt haben! Nicht nur die so große Mannigfaltigkeit der gesamten Schöpfung, sondern nicht einmal den kleinsten Teil der Dinge im Himmel, über der Erde oder im Wasser können sie in Übereinstimmung bringen mit der kleinen Zahl ihres Pleroma. Daß in ihrem Pleroma nur dreißig Äonen sind, bezeugen sie selbst; daß man aber in jedem Teil der Schöpfung nicht bloß dreißig, sondern viele tausend Arten aufzählen kann, wird jedermann zugestehen. Wenn nun der erschaffenen Dinge so viele sind und diese aus den verschiedensten Bestandteilen bestehen, sich gegenseitig bekämpfen und töten, wie können denn diese Abbilder und Gleichnisse der dreißig Äonen des Pleroma sein, da doch diese nach ihnen einer Natur sind, aus Gleichem und Ähnlichem bestehen und sich nicht unterscheiden? Wenn ferner die irdischen Dinge die Abbilder jener sind und man einige Menschen von Natur „böse und andere von Natur gut nennt, dann müssen sich auch bei ihren Äonen diese Differenzen finden und einige von ihnen bei ihrer Aussendung von Natur gut und andere böse gewesen sein, damit doch die Erfindung ihres Ebenbildes den Äonen entspricht. Da weiterhin in der Welt einige Wesen zahm, andere wild, einige unschädlich, andere schädlich und das Verderben der übrigen sind, die einen über der Erde, die andern im Wasser oder in der Luft oder am Himmel sind, so müssen sich auch diese Beziehungen bei den Äonen vorfinden, wenn diese die Abbilder jener sein sollen. Schließlich noch müssen sie erklären, von welchem der Äonen denn ein Abbild jenes ewige Feuer ist, das der Vater dem Teufel und seinen Engeln bereitet hat150 , und das doch auch zu der Schöpfung gehört.
4.
Sagen sie aber, die erschaffenen Dinge seien von dem in Leidenschaft geratenen Äonen erdacht worden, dann handeln sie zunächst gegen ihre Mutter gottlos, indem diese dann die Urheberin der schlechten und vergänglichen Abbilder wäre. Zweitens aber, wie könnten die vielen unähnlichen und von Natur entgegengesetzten Dinge von einem und demselben Urbilde abstammen? Aber auch wenn sie behaupten wollten, daß die vielen bestehenden Dinge Abbilder der vielen Engel des Pleroma seien, stimmt ihre Rechnung noch immer nicht. Einmal nämlich müßten sie nachweisen, daß bei des Engeln des Pleroma die einander entgegengesetzten Unterschiede beständen, wie ja auch ihre Abbilder einander von Natur entgegengesetzt sind. Zweitens aber umgeben allerdings den Schöpfer viele und unzählige Engel, wie alle Propheten bezeugen: „Zehntausend mal zehntausend stehen vor ihm und viele tausend mal tausend dienen ihm“151 . Wenn aber nach ihnen die Engel des Pleroma Abbilder der Engel des Demiurgen sind, dann bleibt ja doch die gesamte Schöpfung im Ebenbilde des Pleroma, indem nicht einmal die dreißig Äonen der vielgestaltigen Mannigfaltigkeit der Schöpfung nachfolgen.
5.
Wenn ferner diese Dinge nach dem Ebenbild jener geschaffen worden sind, so müssen jene wiederum nach dem Ebenbild anderer geschaffen sein. Denn wenn der Weltenschöpfer sie nicht aus sich selbst gemacht hat, sondern wie ein unbedeutender Künstler oder anfangender Lehrbursche nach fremden Vorbildern sie nachgebildet hat, woher hatte dann ihr Bythos die Gestalt seiner ersten Anordnung? Folgerichtig hat dieser das Vorbild von einem andern, der über ihm ist und dieser wiederum von einem andern. So muß denn Ihr Gerede von den Abbildern ins Unendliche gehen und ebenso von den Göttern, wenn wir mit unserm Verstande nicht halt machen bei einem Künstler und einem Gott, der aus sich selbst die Schöpfung gemacht hat. Bei den Menschen räumt man ein, daß jemand etwas aus sich erfunden habe, was für das Leben von Wert ist, — Gott aber, der die Welt doch hergestellt hat, sollte die Form seiner Geschöpfe und die Erfindung der schönen Weltordnung nicht von sich selbst haben?
6.
Wie können aber diese Dinge Abbilder von jenen sein, da sie ihnen entgegengesetzt sind und in keiner Beziehung zu ihnen stehen? Entgegengesetzte Dinge können ihren Gegensätzen zwar Verderben bringen, aber auf keine Weise ihre Abbilder sein, wie doch Feuer und Wasser, Licht und Finsternis und anderes derart keine gegenseitige Abbilder sind. So können auch die vergänglichen, irdischen, zusammengesetzten und vorübergehenden Dinge keineswegs die Abbilder der entsprechenden geistigen Wesen sein, wenn sie nicht zugeben, daß auch diese schon zusammengesetzt, umschrieben und geformt sind, also nicht mehr geistig, ausgebreitet, unbegrenzt und unfaßbar. Sind jene nämlich wahre Vorbilder, dann müssen sie auch geformt und umschrieben sein, und es ist unbestreitbar, daß sie dann nicht mehr geistig sind. Sind aber jene geistig, ausgedehnt und unfaßbar, wie kann dann das Geformte, Umschriebene ein Abbild dessen sein, was ohne Form und Grenzen ist?
7.
Wenn sie aber weder nach Gestalt noch Form, sondern bloß nach Zahl und Ordnung die Vorbilder ihrer Abbilder sein sollen, dann wären sie erstens nicht mehr Ab- und Ebenbilder der oberen Äonen — denn sie gleichen ihnen ja weder in Habitus noch in Gestalt — und zweitens mögen sie die Zahl und die Ausgänge der oberen Äonen in völligen Einklang bringen mit den Dingen dieser Schöpfung! Da sie aber nur dreißig Äonen aufweisen und eine so große Menge der erschaffenen Dinge die Abbilder dieser dreißig sein lassen, so werden sie von uns mit Recht als unvernünftig gescholten.