Читать книгу Fünf Bücher gegen die Häresien - Irenäus von Lyon - Страница 63
Оглавление12. Kapitel: Die „Dreißig“ stimmt nicht
1.
Zunächst stimmt nicht ihre „Dreißig“, deretwegen der Herr mit dreißig Jahren zur Taufe gekommen sein soll; diese Zahl ist entweder zu klein oder zu groß, und damit ist ihre gesamte Lehre offenbar über den Haufen geworfen. Also: die Zahl ist zu groß — erstens weil sie den Urvater zu den übrigen Äonen zuzählen. Der Vater darf nicht mit den übrigen Emanationen zusammengezählt werden, der nicht Ausgesandte, Emanierte mit den Emanierten, der Ungeborene mit den Geborenen, der Unbegrenzte und folglich Unfaßbare mit den Begrenzten, der ohne Gestalt ist mit denen, die Gestalt haben. Weil er höher steht als die übrigen, darf er mit ihnen nicht zusammengezählt werden — der Äon ist von Leidenschaft und Irrtum umfangen, er aber kann nicht leiden und nicht irren. Nun erstreckt sich aber ihre Dreißig von dem Bythos bis zu der Sophia, die sie auch den verirrten Äon nennen, wie wir in dem ersten Buche gezeigt und ihre Namen genannt haben; zählt man aber den Vater nicht dazu, dann haben wir nicht mehr dreißig Emanationen der Äonen, sondern es gibt nur neunundzwanzig.
2.
Wenn sie ferner die erste Emanation Ennoia oder Sige nennen und von dieser den Nous und die Aletheia ausgehen lassen, so verlaufen sie sich nach beiden Seiten. Denn unmöglich kann man sich die Ennoia oder Sige155 von jemandem getrennt vorstellen, noch können diese nach ihrer Emanation eine eigene Gestalt haben. Wenn sie aber nun sagen sollten, dieselbe sei von ihm nicht fortgegangen, sondern mit dem Urvater vereint geblieben, dann frage ich: Wozu geben sie dieser eine besondere Zahl wie den übrigen Äonen, die nicht mit dem Vater vereint sind und deswegen seine Größe nicht kennen? Betrachten wir nun auch den Fall, daß sie mit ihm vereint ist! Ist die Verbindung so eng und untrennbar, daß wir nur ein Wesen haben, dann muß auch die von ihr ausgehende Emanation ganz notwendig vereint und untrennbar sein, auf daß sie dem Emanierenden nicht unähnlich sei. Alsdann aber werden der Bythos und die Sige, ebenso wie der Nous und die Aletheia, indem sie miteinander zusammenhängen, ein und dasselbe werden. Kann aber das eine ohne das andere nicht gedacht werden, wie das Wasser nicht ohne Feuchtigkeit, das Feuer nicht ohne Wärme, der Stein nicht ohne Härte, dann sind sie miteinander vereint, können voneinander gar nicht getrennt werden und müssen miteinander zusammen existieren. Ebenso müssen der Bythos und die Ennoia, in gleicher Weise der Nous und die Aletheia, miteinander vereint sein. Fernerhin müssen dann auch der Logos und die Zoe, die von den Vereinten ausgingen, vereint und eins sein. Demgemäß müssen auch der Mensch und die Kirche und die übrigen paarweisen Emanationen der Äonen insgesamt vereint sein und immer miteinander zusammen existieren, und ebenso jeder weibliche Äon mit einem männlichen, da er gleichsam seine Ergänzung156 ist.
3.
Trotz dieser Gründe und obwohl sie selbst es sagen, schämen sie sich nicht zu lehren, der jüngere Äon der Zwölfzahl, den sie auch Sophia nennen, habe ohne Zutun seines Gatten, den sie Theletos nennen, in Leidenschaft entbrannt, ohne ihn eine Frucht hervorgebracht, die sie Weib vom Weibe nennen. So weit also reicht ihre Verrücktheit, daß sie über denselben Gegenstand auf das offenkundigste zwei entgegengesetzte Lehren aufstellen. Wenn nämlich der Bythos mit der Sige und der Nous mit der Aletheia und der Logos mit der Zoe und die übrigen ebenso miteinander verbunden sind, wie konnte dann die Sophia ohne ihres Gatten Zutun etwas dulden oder hervorbringen? Wenn aber diese ohne ihn es konnte, dann müssen auch die übrigen Verbindungen der gegenseitigen Trennung und Absonderung fähig sein, was, wie wir oben gezeigt haben, unmöglich ist. Unmöglich hat also die Sophia etwas erlitten ohne ihren Theletos — und wiederum zerfällt in Stücke ihre ganze Behauptung. Die ganze Leidensgeschichte, die sie ohne Zutun ihres Gatten erlitten haben soll, ist also wieder nichts als ein großes erdichtetes Trauerspiel.
4.
Wollen sie nun aber auch die andern Verbindungen lösen und trennen wegen der jüngsten Verbindung, damit ihr törichtes Gerede nicht aufgelöst wird, dann verwenden sie ihren Fleiß auf eine verlorene Sache. Wie wollen sie denn den Urvater von seiner Ennoia, den Nous von der Aletheia, den Logos von der Zoe und die andern voneinander trennen? Wie wollen sie selbst zu der Einheit zurückkehren und alle eins sein, wenn nicht einmal die Verbindungen innerhalb des Pleroma die Einheit bewahren und so weit voneinander sich trennen, daß sie ohne einander entbrennen und zeugen, wie die Hennen ohne Kapaune?
5.
Doch auch ihre erste und ursprüngliche Achtzahl geht in Stücke. In diesem Pleroma sollen nämlich gesondert sein der Bythos und die Sige, der Nous und die Aletheia, der Logos und die Zoe, der Mensch und die Kirche. Doch wo der Logos157 ist, kann unmöglich die Sige158 sein, und wo die Stille, nicht das Wort. Denn diese beiden schließen sich gegenseitig aus wie Licht und Finsternis. Wo Licht ist, ist nicht Finsternis, und wo Finsternis, nicht Licht, denn wenn das Licht kommt, hört die Finsternis auf. Ebenso wird, wo das Wort ist, nicht die Stille sein und umgekehrt. Wenn sie aber das Wort nur als innerlich gedacht auffassen, dann muß es auch die Stille sein, die dann nichtsdestoweniger von dem innerlichen Wort aufgehoben wird. Daß es aber kein bloß innerliches ist, beweist eben ihre Auffassung von der Entsendung, Emanation.
6.
Also kann schon ihre erste und hauptsächliche Achtzahl nicht aus dem Wort und der Stille bestehen, Entweder die Sige oder den Logos müssen sie verleugnen, und zertrümmert ist ihre erste und ursprüngliche Achtzahl, Wenn sie nämlich die Paare vereint sein lassen, dann zerfällt ihr ganzes Lehrgebäude. Denn wie kann, wenn sie vereint sind, die Sophia ohne den Gatten einen Fehltritt erzeugen? Behaupten sie aber, daß ein jeder von den Äonen eine besondere Wesenheit habe, wie kann dann in derselben Achtheit bestehen Logos und Sige. Nach dem Gesagten also greift ihre Zählung zu hoch.
7.
Andererseits aber zerfällt ihre „Dreißig“, weil Ihre Zählung zu niedrig ist. Von dem Eingeborenen soll wie die übrigen Äonen auch der Horos ausgegangen sein, dessen verschiedene Namen wir im ersten Buche aufgezählt haben. Diesen Horos nun lassen einige nur von dem Eingeborenen ausgegangen sein, andere hingegen vom Urvater selbst nach seinem Ebenbilde. Weitere Emanationen des Eingeborenen sollen Christus und der Heilige Geist sein und diese werden zur Zahl des Pleroma hinzugezählt, nicht aber der Heiland, den sie auch Horos nennen. Demnach ist es auch für den Blinden augenscheinlich, daß es nach ihnen nicht nur dreißig, sondern vierundddreißig Emanationen gibt. Wenn sie sogar den Urvater selbst mitzählen, wie seine voneinander abhängigen Emanationen, dann soll man diese nicht mitzählen, die zu demselben Pleroma gehören und auf dieselbe Weise aus ihm entsprungen sind? Welchen gerechten Grund können sie haben, weder Christus, der mit Willen des Vaters von dem Eingeborenen ausgegangen sein soll, noch den Heiligen Geist, noch den Horos, den sie auch Grenzpfahl159 nennen, noch den Erlöser selbst, der zur Hilfeleistung für seine Mutter ausgesandt wurde, zu den übrigen Äonen hinzuzuzählen? Entweder müssen diese dann schwächer sein als jene und deswegen unwürdig des Namens und Ranges der Äonen, oder sie sind besser und hervorragender. Doch wie können die niedrig sein, die zur Befestigung und Besserung der anderen ausgesandt sind! Andererseits können sie aber auch nicht besser sein als die erste und oberste Vierzahl, von der sie emanierten, denn diese ist ja in die genannte Zahl mit einbegriffen. So hätte man sie entweder auch im Pleroma der Äonen mitzählen müssen, oder ihnen die Ehrenbezeichnung als Äonen entziehen müssen.
8.
So ist also ihre „Dreißig“ aufgelöst, da wir diese Zahl als zu klein oder zu groß erwiesen haben und schon eine Differenz von eins nach oben oder unten zur Ablehnung führen muß, und erst recht eine so große. Unhaltbar ist also auch ihr Gerede von der Acht- und von der Zwölfzahl. Unhaltbar ist also auch ihr gesamtes Lehrgebäude, nachdem sogar ihr Fundament zersprengt und in den Bythos oder das Nichts versenkt ist. Mögen sie also fortan andere Gründe aufweisen, warum der Herr mit dreißig Jahren zur Taufe kam, warum es zwölf Apostel gibt und jenes Weib am Blutfluß litt, und was ihre Faseleien und Nichtigkeiten mehr sind!