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Kapitel 2

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„Das kannst du nicht tun!“ Arend lehnte sich über den schmalen, wackeligen Holztisch zu Egeno vor, der ihm gegenübersaß.

Ihnen war ein winziges Gästehaus in Holzständerbauweise auf dem Pfalzgelände zugewiesen worden.

„Warum denn nicht? Stell dir vor: Heinrich hatte zuerst dich im Sinn, da er meinte, dass sie deinen blauen Augen unmöglich widerstehen könne. Ich habe ihm gleich gesagt, dass er dies vergessen kann, da du ja so verdammt fromm und ehrbar seist. Das hat er ja neulich selbst mitbekommen, als wir dich auf einen unserer Streifzüge in ein Dorf mitgenommen haben und du vor Schreck erstarrt bist. So werde nun also ich das schöne Sümmchen einstreichen, und es wird mir kolossale Freude bereiten, dem König zu dienen, indem ich sein Weib besteige“, sagte Egeno lachend, und in seinen Augen funkelte die Tücke.

Arend war entsetzt, konnte kaum glauben, was hier geplant wurde. Mit solch einer Bosheit hatte er nicht gerechnet, als Heinrich sie zur Jagd in den Wald eingeladen und am Fuße einer mächtigen Eiche Egeno unter vier Augen genaue Anweisungen erteilt hatte. Unter dem Tisch wippte er unruhig mit dem Fuß und ballte die Rechte zur Faust. Seine Seele war in Aufruhr. So derbe durfte der Königin nicht mitgespielt werden! Ständig sah er ihr Gesicht vor sich, ihre großen Augen, die im Sonnenlicht wie kostbare Saphire gefunkelt hatten, die dicken goldenen Flechten, die unter dem Seidentuch hervorgeschaut hatten. Unsicher wie ein kleines Mädchen hatte sie gewirkt und einen Moment später mit Pfeil und Bogen in der Hand so wehrhaft wie ein Mann – selbstsicher und anmutig.

„Ich werde es tun, ganz gewiss! Ich werde mir die Chance doch nicht entgehen lassen, dieses Weib zu verführen, wenn mein König dies von mir wünscht. Wer bin ich denn, dass ich es wage, meinen Herrn zu enttäuschen?“ Egeno griff nach dem Krug und goss sich dünnes Bier ein, die Lippen zu einem schmutzigen Grinsen verzogen.

„Dennoch – so kannst du nicht handeln. Es ist gegen das göttliche Gebot, gegen den Anstand, gegen die Ehre.“ In Arend erwachte Zorn bei der Vorstellung, dass dieser Wüstling ins Gemach der Königin eindrang und seine groben Hände sie berührten. Wie hatten sie nur jemals Freunde werden können, so unterschiedlich wie sie waren?

Egeno leerte seinen Becher in einem Zug und ließ ihn auf die Tischplatte donnern. „Ehre, Anstand … Selbst unter Bischöfen oder Erzbischöfen gibt es so etwas nicht. Es ist alles geheuchelt, diese gesamte verdammte Welt. Jeder ist nur auf seinen eigenen Vorteil und die Mehrung seiner eigenen Macht und Reichtümer bedacht. Die Wölfe reißen die Lämmer. So ist es schon immer gewesen, und so wird es immer sein, bis ans Ende aller Tage. Und wer diese Regeln nicht befolgt, den wird die Welt verschlingen. Gib also auf dich acht, mein allzu ehrenwerter Freund!“ Schwungvoll füllte er den Becher erneut, und ein wenig Bier landete daneben. „Heinrich will sich Bertha vom Hals schaffen, er erträgt es nicht länger, mit ihr verheiratet zu sein. Er sucht nach einem Ausweg, und diesen werde ich ihm bieten.“

„Somit hat er einen Grund, sich von ihr scheiden zu lassen, ohne dass jemand Einspruch erheben wird. Jeder wird in ihm den betrogenen König sehen. Aber hast du schon einmal einen Gedanken daran verschwendet, dass er dich vielleicht anschließend beseitigt, damit du niemandem die Wahrheit erzählen kannst?“

Egeno wischte sich eine blonde Strähne aus der Stirn. „Er kann tückisch sein, das ist mir durchaus bewusst, aber er wird es nicht tun. Mich verbindet bereits zu viel mit ihm, und er genießt die heimlichen Beutezüge mit mir. Es gibt schon eine Menge Geheimnisse, die ich hüte, und er weiß, dass auf mich Verlass ist. Gerade deswegen hat es mich gekränkt, dass er zuerst an dich gedacht hat. Ausgerechnet an dich … Du bist mir – das gebe ich nur ungern zu – an Kampfkunst weit überlegen, aber ansonsten bist du doch zum Kotzen ehrlich und ein ziemlicher Langweiler.“ Egeno beugte sich lachend über den Tisch und ließ seine Hand auf die Schulter von Arend klatschen. „Eigentlich weiß ich gar nicht, warum ich meine Zeit mit dir verbringe.“ Er leerte seinen Becher und zwinkerte. „Vielleicht, weil mir in deiner Anwesenheit stets vor Augen geführt wird, welch spannendes Leben ich im Gegensatz zu dir führe. Eventuell möchte ich auch einfach nur sehen, ob es mir gelingt, dich zu einem verdammten Sünder zu machen.“ Er lachte herausfordernd. „Ja … Ob das Feuer oder das Eis stärker ist …“

Aus irgendeinem Grund fühlte sich Arend für seinen Freund verantwortlich. „Du hast ein Weib und vier Kinder. Denkst du nicht, dass du ein wenig – besonnener werden solltest?“

Egeno brach in schallendes Gelächter aus. Als er sich beruhigt hatte, wurden seine Augen schmal, fast drohend. „Wie du weißt, ist nur bei den Weibern Ehebruch schändlich, nicht aber bei uns Männern. So, mein Lieber, genug gepredigt für heute! Lass uns spielen.“ Er kramte weiße Würfel aus Bein aus seiner Gürteltasche hervor und ließ diese über die unebene Tischplatte purzeln.

Dem hünenhaften Sachsen war so gar nicht nach Spielen zumute. Er war aufgewühlt, auf eine Art, die er noch nie zuvor empfunden hatte. Zaghaft musste er sich eingestehen, dass er sich in die Königin verliebt hatte. Seine Vernunft schrie ihm entgegen, dass dies nicht sein durfte und ohnehin keine Zukunft hatte. Niemals würde er sie rechtmäßig in seinen Armen halten dürfen … Nun ja, wenn sie vom König geschieden wäre, könnte er sie vor dem Kloster bewahren und heiraten. Nein. Welch schändlicher Gedanke!

Er trank ebenfalls von dem dünnen, mit Minze gewürzten Bier. „Wir sind Sachsen. Wir sollten eigentlich nicht hier am Hofe des Königs sein. Er ist ein Franke und handelt entgegen unserer Interessen. Überall im Harz lässt er als Zeichen der Unterdrückung Burgen von unseren Bauern in harter Fronarbeit errichten. Burgen werden an gefährlichen Grenzen erbaut, so wie die zu den Ungarn. Es ist eine Kriegserklärung an uns Sachsen. Ein König hat von Pfalz zu Pfalz zu ziehen und vom Sattel aus zu regieren. Doch Heinrich wird von Erzbischof Adalbert bestärkt, im Harz eine Art Residenz zu errichten, anstatt im Gebiet der Franken, wo er eigentlich hingehört. Unterstützt wird er dabei vom Schwaben Benno, dem ehemaligen Goslarer Domprobst und königlichen Vicedominus, der hier erschreckend geniale Fähigkeiten für den Burgenbau entfaltet. Um seinem Dank Ausdruck zu verleihen, hat Heinrich ihn bereits als Bischof von Osnabrück eingesetzt. Der König will sich hier behaupten, setzt als Zeichen der Unterdrückung schwäbische Ministerialen mit einer ständigen Besatzung in die Burgen ein. Du weißt, wie niederträchtig sich diese Ministerialen verhalten. Wie Heuschrecken fallen sie in die Dörfer ein, plündern und vergewaltigen, doch für die Klagen der Bauern und auch der Adligen bleiben Heinrichs Ohren verschlossen. Egeno, dieser König kann nicht ernsthaft dein Freund sein. Er benutzt dich für seine Zwecke.“

„Wenn es Zwecke sind, die mir zusagen, dann lass ich mich gern benutzen.“ Schelmisch zwinkerte Egeno ihm zu.

In Arend herrschten vollkommenes Unverständnis und der starke Wunsch, seinen Freund so lange zu schütteln, bis dessen Verstand wieder geordnet war. „Ist es dir vollkommen entgangen, wie der Zorn in unserem Volk und vor allem in den Adligen brodelt?“

Egeno grinste breit und hob die rechte Augenbraue. „Ach komm, du siehst alles schwärzer, als es ist, und deine Worte, mein Guter, sind hier am Hofe des Königs doch sehr gefährlich. Ich erkenne dich ja kaum wieder, so – entfacht.“ Mit schmalen Augen musterte er sein Gegenüber, und dieser kam sich fast ertappt vor.

„Gut, lass uns spielen“, lenkte Arend ein, doch seine Gedanken waren bei der Königin.

Am Abend fand das Fest im Wintersaal der Pfalz statt, der im Gegensatz zum oberen Sommersaal nur kleine Doppelfenster mit Rundbogen und Teilungssäulen besaß und dank der Warmluftheizung unter dem Fußboden angenehm temperiert war. Die Fenster waren mit Holzläden verschlossen, damit man dem bunten Treiben von draußen nicht ungehindert zuschauen oder gar einen Pfeil auf den König abschießen konnte.

Da es sich nur um eine kleine Feier handelte, hatte Bertha nicht allzu viele Bänke und Stühle aufstellen lassen. Zusammen mit dem Truchsess und dem Mundschenk hatte sie die Feier organisiert. Dieses beherrschte sie gut, verstand es auch, die Kosten geringer als erwartet zu halten. Anerkennung hatte sie von Heinrich dafür aber noch nie erhalten.

An den weiß getünchten Wänden steckten in schmiedeeisernen Halterungen Fackeln, welche die in ihrer Nähe ohnehin schon verrußten Wände noch mehr schwärzten. Kerzen brannten in großen Leuchtern, und in kleinen Feuerbecken züngelten Flammen, tauchten den großen Saal in goldenes Licht. Zahlreiche bunte Teppiche und Vorhänge hingen an den Wänden und verliehen dem Raum einen repräsentativen Charakter.

Heinrich hatte recht gute Laune. Er hatte sich mit Gold behängt und trug über seinem hellen Leinenhemd eine knielange blaue Tunika aus feinstem Wolltuch, die mit breiten Bordüren aus Seide und Goldfäden verbrämt war. Darunter schauten dunkelblaue Beinlinge hervor. Um seine Taille lag ein prächtiger, mit Gold beschlagener Gürtel. Er stand in der Nähe der Spielleute, die wegen der Fastenzeit lediglich dezente Musik erklingen ließen. Einer von ihnen zeigte Kunststückchen, wirbelte mehrere faustgroße Lederbälle durch die Luft und ließ anschließend kleine Gegenstände verschwinden. Ganz in der Nähe des Königs befanden sich seine drei Kebsweiber: Hedi, die stille, unterwürfige Blondine, die verführerische, üppige, braunhaarige Trude und die dunkelblonde, beneidenswert schöne, berechnende Ortrun. Letztere ließ Bertha oftmals spüren, dass sie in der Gunst des Königs stand, und bedachte sie zumeist mit einem Naserümpfen.

Bertha hatte ihren Platz eingenommen und wartete darauf, dass das Essen auf Tafeln hereingetragen wurde. Hoffentlich gefielen Heinrich die Speisen.

„Es ist eine Unverschämtheit, wie herablassend die dich anschaut. Aus dem Saal prügeln müsste man diese Metze!“, erboste sich ihre Tante Imula, die neben ihr saß. Fünfzigjährig war sie bereits zweimalige Witwe. Erst war sie das Weib von Otto von Schweinfurt gewesen, und nach dessen Tod hatte sie den Brunonen Ekbert I. von Braunschweig, den Markgrafen von Meißen, geheiratet. Ekbert war an Heinrichs Entführung in Kaiserswerth beteiligt gewesen. Als der junge König panisch vom Schiff, auf das er gelockt worden war, in die kalten Frühjahrsfluten des Rheins gesprungen war, war ihm der Brunone hinterhergehechtet und hatte ihn vor dem Ertrinken gerettet.

Imulas Ehe mit ihm war alles andere als glücklich gewesen, und Ekbert hatte ihr schließlich Ehebruch vorgeworfen. Doch zur Scheidung war es nicht mehr gekommen, da er vorher gestorben war. Ekberts Verwandte hatten Imula die Schuld an seinem Tod gegeben, sogar von Gift gesprochen, sie traktiert und von ihrem zehnjährigen Sohn Ekbert II. getrennt. So war sie schließlich verzweifelt zu ihrer Nichte an den Königshof geflüchtet.

Bertha beschloss, Ortrun, diesem Weib niederen Standes, keine Beachtung zu schenken, denn dies würde sie vermutlich am meisten ärgern. Sie war nicht mehr als all die anderen Huren, die sich hier im Saal eingefunden hatten, um am späten Abend einige der edlen Herren und Ministerialen zu ihren Schlafstätten zu begleiten. Bertha war davon angewidert. Ihrer Vorstellung eines königlichen Festes entsprach das überhaupt nicht, doch ihr junger Gemahl bestand darauf, und ohne Zweifel gefiel es auch den anderen lauten, ungehobelten Männern.

Stets in der Nähe des Königs hielten sich der kraftstrotzende Kuno und der starke, früh ergraute Benno auf. Die erfahrenen Krieger achteten auf seine Sicherheit und standen in der Nacht abwechselnd vor seiner Tür – also auch in der Nähe von Berthas Gemach. Doch sie war sich sicher, dass die beiden jeden, wirklich jeden Eindringling zu ihr vorlassen würden. Sie dienten dem König und waren diesem bedingungslos ergeben, nicht jedoch ihrer Königin. Insbesondere Kuno hatte für Bertha oft nur einen abwertenden Blick über.

Zu dieser Feier waren auch einige Gewächse geladen, die sich mit Vorliebe am Hof aufhielten und sich wie Maden durch den Speck fraßen, so wie seine Berater Regengar, die Grafen Adalbert von Schauenburg, Eberhard VI. von Nellenburg, der unermüdliche Baumeister Bischof Benno von Osnabrück und weitere Adlige und Ministerialen.

Die Erzbischöfe Adalbert und Anno waren heute nicht anwesend. Anno verweilte gerade nicht am Hof, und Adalbert wurde von einer fiebrigen Erkältung geplagt. Bertha war für seine Krankheit sogar ganz dankbar, denn er hätte Heinrich für diese Kebsweiber ohnehin nicht gescholten, vielleicht sogar noch ermutigt, sich ein weiteres zuzulegen.

Von einer seltsam kribbelnden Nervosität beherrscht, fuhr Bertha unruhig mit kalten Fingerspitzen über das glatte Holz der Armlehne. Dort hinten hatte sich Egeno II. von Konradsburg aufgebaut, lachte und erzählte unablässig. Er war voller Lebenslust, und die Huren und Weiber der Spielleute nahmen ihn wohlwollend, fast schmachtend in Augenschein. Neben ihm stand dieser schweigsame Kerl, groß, finster und ernst. Bertha erinnerte sich an seine schönen hellblauen Augen, aber nicht an seinen Namen.

Endlich wurde das Essen auf großen Tafeln hereingetragen und auf die massiven Böcke vor die Bänke und Stühle gestellt. Die kräftigen Männer schwitzten unter der Last der Speisen, aber auch vor Furcht, dass ihnen etwas herunterfiele und der König sie zwänge, dies vor aller Augen vom Boden zu essen.

Der Hirsch, der am frühen Morgen noch erhaben durch den Wald geschritten war, wurde nun, in Stücke gehackt und teils am Spieß gebraten, teils im Sud gekocht, den Gästen serviert. Als besondere Dekoration prangte sein mächtiges Geweih zwischen den Schüsseln. Zudem gab es den Bieber, aber auch Fische als Fastenspeise für diejenigen, die nach dem Mahl keine Buße tun wollten. Des Weiteren waren Suppen, Brot als Unterlage für das Fleisch und verschiedene, vor dem Winter eingelagerte Gemüse angerichtet. Wie es bei Festen üblich war, teilten sich mehrere Gäste einen Becher, um die Gefahr eines Giftanschlags zu verringern, und jeder aß mit seinem eigenen mitgebrachten Besteck.

Heinrich setzte sich neben seine Königin und strafte sie wie gewohnt mit Missachtung. Von der Aufmerksamkeit und der Höflichkeit, die er ihr am Morgen entgegengebracht hatte, war nichts verblieben. Alles hatte sich aufgelöst wie der Rauch der Fackeln. Zurück blieben nur Ruß und Schwärze.

Die zahlreichen Gäste saßen an verschiedenen Tafeln, und jeder musste sich von dem bedienen, was vor ihm aufgetragen worden war. Sich zu erheben und etwas von einer anderen Tafel zu nehmen war verpönt. Die Huren saßen weit hinten an einem gesonderten Tisch.

Bald darauf gingen Diener mit Waschschüsseln herum, damit sich die Gäste vor dem Mahl die Hände säubern konnten, und dann wurde geschmaust, erzählt und gelacht. Schon während des Speisens schaute Egeno immer wieder mit seinem gewinnenden Lächeln zu Bertha herüber. Trotz der Scham, mit der sie dies erfüllte, fühlte sie sich ohne jede Frage geschmeichelt. Wann war ihr schon jemals solch ein erwärmender Blick geschenkt worden?

„Wer ist dieser Mensch, der dich so unverhohlen in Augenschein nimmt?“, erkundigte sich ihre Tante, die sich weit zu ihr herübergelehnt hatte. Imulas graue Augen hatten sich verschmälert, und zahlreiche kleine Falten zeigten sich. Trotz ihres Alters war sie noch immer eine attraktive Frau.

„Irgendein Adliger, den Heinrich nach der Jagd angeschleppt hat.“

„Ach, was würde ich dafür geben, wenn mich mal wieder ein Mann so begehrlich anschaute …“ Gedankenverloren seufzte Imula. Dann besann sie sich räuspernd und raunte ihr zu: „Er sollte achtgeben, dass Heinrich dies nicht sieht.“

Verdrossen verzog Bertha die Mundwinkel. Wie sollte Heinrich dies denn bemerken? Er hatte mehr Interesse an dem kleinen Weberknecht, der sich von einem Krug abseilte und den Tod in seinen Fingern fand, als an ihr. Dabei war er ihr so nah … und gleichzeitig so weit entfernt, am anderen Ende seiner eigenen Welt.

Es wurde reichlich gegessen, und Met, Wein und Bier flossen in Strömen. Nach einiger Zeit wurden die Tafeln mit den Resten fortgetragen, die später an Arme verteilt werden würden.

Die Gäste fanden sich in kleinen Gruppen zusammen, vergnügten sich mit Würfelspiel oder führten rege, vom Trunk genährte Unterhaltungen. Die Musik wurde auf Heinrichs Wunsch hin temperamentvoller und lauter, hallte fröhlich durch den Saal und erfüllte jeden Winkel.

Der König stolzierte zu seinen Kebsweibern, tanzte mit ihnen, wirbelte sie ausgelassen wie ein derber Bauer umher. Seine frommen, manchmal fast asketischen Eltern würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie das sehen könnten. Diese hatten sogar bei ihrer eigenen Hochzeit keinerlei Musik zugelassen und die angereisten Spielleute des Hofes verwiesen.

Egeno, der sich auch bei den Musikern aufhielt, schaute fortwährend zu Bertha herüber, und dann – ihr stockte der Atem – kam er direkt zu ihr.

„Darf ich mich zu Euch setzen?“, fragte er, nachdem er sich tief verbeugt hatte.

Bertha hüstelte sich die belegte Stimme frei. „Ja, gern.“

Er schenkte ihr ein breites Lächeln, zog schwungvoll einen dreibeinigen Hocker heran und ließ sich darauf nieder. „Ich muss Euch ein Lob aussprechen, Ihr versteht es, ein Fest auszurichten. Doch warum, meine Herrin, zeigt Ihr nicht ein wenig mehr Freude? Es betrübt mich, Euch so überaus ernst und einsam zu sehen.“

„Ich bin die Königin und kein Spielweib“, entgegnete Bertha schnippischer, als sie es gewollt hatte.

„Ja, eine Königin, wahrlich, aber keine Nonne. Ihr seid eine edle Dame und dürft an den Vergnügungen teilhaben. Was heißt, dürft? Ist es nicht sogar Eure königliche Pflicht, Euer Volk mit Eurem Liebreiz zu beglücken?“, sprudelte er heraus.

„Meine Güte, dir trieft ja goldener Honig von den Lippen!“, sagte Imula lachend, aber mit stichelndem Unterton. „Du machst die Königin ganz verlegen. Und einsam ist sie ganz gewiss nicht, so befindet sie sich doch in meiner Gesellschaft.“

Egeno schenkte ihr ein Augenzwinkern. „Verzeih, einsam ist sie in deiner holden Gegenwart selbstverständlich nicht. Aber meinst du nicht, dass es deiner Nichte vergönnt sein sollte, ein wenig Spaß zu haben? Sie ist jung und sollte nicht dazu verdammt sein, ihr Leben in Tristesse zu verbringen, oder?“

Schmunzelnd nickte Imula, offenbar blieb auch sie von seinem Charme nicht unberührt. Dieser Mann kannte die Seelen der Frauen.

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