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Kapitel 5

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Im Palas der Burg Hadenstein knisterten Feuer in Metallbecken. Züngelnd belauerten die Flammen die Menschen, die sich hier mit aufrührerischen Gedanken mitten in der Nacht zusammengefunden hatten.

Um die Tafel herum saßen Arend, sein Vater Eilbrecht und seine älteren Brüder Giselher und Suidger. Sie waren allesamt hochgewachsen und kräftig. Zudem hatten sich noch einige andere bedeutende Sachsen eingefunden, unter anderem Otto von Northeim, der zudem der Herzog von Bayern war. Er, Ende vierzig, mit grau meliertem Haar und Bart, mittelgroß und sehnig, ging vor der Feuerstelle auf und ab, und sein Schatten wanderte über die Holzwände. Gold schimmerte in der brettchengewebten Borte seiner blauen Tunika, und Armreifen klapperten an seinem Handgelenk. Ottos scharf geschnittenes Gesicht war angespannt.

Magnus Billung, der älteste Sohn des sächsischen Herzogs Ordulf, verfolgte ihn unablässig mit seinem Blick. Magnus war ein eindrucksvoller Mann, fast so groß wie Arend, mit dickem weißblondem Haar und ebensolchem Bart. Er war von edler Abstammung: Seine Mutter war Wulfhild, Tochter des norwegischen Königs Olav II. Haraldsson. Olav war bereits vor fast vierzig Jahren in einer ruhmreichen Schlacht gefallen und bald darauf als Märtyrer und noch ein wenig später als Heiliger verehrt worden. Dessen Sohn Magnus, König von Norwegen und Dänemark, hatte seine Halbschwester Wulfhild, deren Schönheit weithin gerühmt wurde, Ordulf zur Frau gegeben, um das Bündnis der Dänen mit den Sachsen gegen die Wenden zu bekräftigen.

Der junge Magnus hatte etwas Wildes und Unerbittliches im Blick. Wen er als Feind auserkoren hatte, lernte schnell dessen Unversöhnlichkeit kennen, nicht zuletzt war es Adalbert von Bremen und Hamburg so ergangen, dessen Stift Magnus schon mehrfach hatte plündern lassen.

„Otto, setz dich endlich! Du läufst herum wie ein Tier im Käfig. Mehr werden vorerst nicht kommen. Die Zeit ist noch nicht reif“, blaffte Magnus gereizt. Noch immer beobachtete er den Herzog, fast wie ein Luchs seine Beute.

Ruckartig nickte Otto und kam der Aufforderung nach. Unruhig fuhr er mit den Händen durch sein welliges, an der Stirn schütteres Haar und nahm von Graf Lothar Udo II. von Stade einen Becher Wein entgegen.

Udo, der weizenblonde Graf der Nordmark, war wie Magnus ein Feind des Erzbischofs Adalbert und an dessen Sturz vor drei Jahren beteiligt gewesen. Er war klein und gedrungen, besaß ein vorspringendes Kinn und lebendige, kluge Augen, die tief in den Höhlen steckten.

Der Letzte der verschwörerischen Runde war der dunkelblonde Gebhard von Süpplingenburg. Er war Ende dreißig und einen Kopf kleiner als Arend. Über seinem Gürtel wölbte sich ein Bauchansatz, da er gutes Essen und Wein überaus schätzte. Auf seiner Stirn zeigten sich tiefe Furchen, als hätte diese jemand mit einem scharfen Dolch hineingeritzt.

Eilbrecht von Hadensteins bedauernder Blick streifte die Tür, und schließlich erhob er die Stimme: „Ich vertraue Euch, dass Ihr vorsichtig gewesen seid und Euch niemand auf dem Weg zu meiner Burg gesehen hat, und ich hoffe, dass jeder den Mantel des Schweigens über den wirklichen Grund seines Aufenthalt hüllt.“

„Gewiss“, versicherte Magnus und schob sich eine Haarsträhne hinter das Ohr.

Otto von Northeim räusperte sich. „Ich will nicht um den heißen Brei herumreden. Wir sind heute nicht hier, weil es nicht hinzunehmen ist, wie sich Heinrichs Burgbesatzungen in den umliegenden Dörfern verhalten und wie der König sich unseren Weibern gegenüber benimmt. Sondern wir haben uns hier zusammengefunden, weil es Heinrich nach Sachsen gelüstet. Die gesamte Politik läuft seit dem Tod seines Vaters, des Kaisers, falsch. Schon dieser begann gegen Ende seiner Herrschaft damit, die Rechte der sächsischen Adligen zu beschneiden und sich in unserem Land festzusetzen. Der Kaiser hat unsere Proteste ignoriert und unseren Widerstand brutal bekämpft. Das Königsgeschlecht kommt aus Franken und hat hier in Sachsen nichts besessen. Agnes hat als Regentin die Politik ihres Gemahls fortgeführt und sich weitere unserer Ländereien einverleibt. Deshalb war ich auch an seiner Entführung in Kaiserswerth beteiligt, um der Enteignung endlich einen Riegel vorzuschieben.“ Er nahm einen kräftigen Schluck vom Wein, der verschwenderisch mit Zimt, Wacholder und Nelken gewürzt war.

Arends Haupt senkte sich Richtung Brust. Er fühlte sich nicht wohl in dieser Runde, mochte weder Verrat noch Intrigen, sondern stürzte sich lieber mit dem Schwert auf seine Gegner. Doch sein Vater hatte auf seine Anwesenheit bestanden. Er war der Meinung, dass sich der König zu oft auf unwerte Berater verließ, die Meinung der Fürsten kaum beachtete und deren Macht beschnitt. Nicht zuletzt waren auch Arends Vater schon einige Hufen fortgenommen worden – und vielleicht würde der König nach weiteren greifen.

Nachdenklich massierte Otto seine Schwerthand. „Ich will nicht verhehlen, dass mir durch Kaiserin Agnes große Ehre zuteilwurde, als sie mich zum Herzog von Bayern ernannte. Allerdings tat sie dies nicht ohne Grund, benötigte mich als Kämpfer gegen die Ungarn, und ich habe mich sehr wohl verdient gemacht. Und war ich nicht erst kürzlich im Auftrage des Königs mit den Erzbischöfen Anno von Köln und Heinrich von Trient beim Papst in Rom? Habe ich nicht, letztes Jahr beginnend bis in dieses Jahr hinein, an Heinrichs Seite gegen die Liutizen gekämpft? Doch Heinrich kennt keinen Dank, stattdessen nähert er sich meinen Besitzungen an. Ihm verlangt nach mehr. Ich konnte es in seinen Augen erkennen …“

Mit einem lauten Knall stellte Magnus seinen Becher auf den Tisch, sodass Wein herausschwappte. „Natürlich verlangt es ihm nach mehr! Das sehe ich klarer als mein Vater. Heinrich möchte uns Adlige schwächen und seine königliche Gewalt mehren. Und er treibt die Erweiterung seiner Macht ausgerechnet hier in Sachsen voran. Das dürfen wir nicht zulassen! Wir Billunger haben schon die widerwärtige Arglist der Franken zu spüren bekommen, als Heinrich III. Graf Thietmar, dem Bruder meines Großvaters, vor ungefähr zwanzig Jahren unterstellte, ein Attentat auf ihn verüben zu wollen. Thietmar sollte in einem Zweikampf gegen seinen eigenen Vasallen antreten, der ihn beschuldigt hatte. Aber dieser Vasall war von Heinrich III. gekauft worden, und natürlich weigerte sich Thietmar, gegen den Niederen zu kämpfen. Doch er wurde dazu gezwungen, und der Vasall rammte ihm sein Schwert in den Leib. Daraufhin nahm Thietmars Sohn bittere Rache und schlug dem Vasallen das Haupt von den Schultern. Das kam dem Kaiser mehr als gelegen. Unverzüglich jagte er Thietmars Sohn und dessen Familie von seinen Gütern und fügte diese sogleich seinem eigenen Besitz hinzu. Ein durchtriebenes Spiel war das! Und unser lieber Heinrich ist eine noch wesentlich schlimmere Schlange.“ Kaltes Feuer loderte in seinen Augen.

Markgraf Udo nickte zustimmend. „Nicht nur er. Es ist eine Schande, dass er dem Erzbischof Adalbert zeitweise fast hörig war und nun schon wieder seinem Rat vertraut. Der selbstherrliche Erzbischof hat dafür gesorgt, dass ein wichtiger Teil meiner Grafschaft an Adalberts Erzbistum ging. So wurde ich plötzlich dessen Lehnsmann.“

Magnus’ Augen funkelten gereizt. „Ja, aber anfangs hast du es doch gar nicht so übel gefunden, nicht wahr? Als Adalbert dich gefördert hat, um uns zu schwächen.“

Missfällig zuckte Udos Mundwinkel.

Eilbrecht hob schlichtend die Hand. „Es ist der Sache wahrlich nicht dienlich, wenn wir uns gegenseitig beschuldigen und uns alte Geschichten vorhalten. Wir sind schließlich hier, um zusammen zu beraten, wie wir Heinrichs Machtstreben im Harz und in ganz Sachsen begegnen können.“

Entschieden nickte Udo. „Ja, Magnus, vergiss nicht, dass wir Udonen zeitweise sogar gemeinsam mit euch Billungern gefochten haben. Und ich habe auch dabei geholfen, Adalbert zu stürzen.“

„Ja, das hast du. Und gewieft, wie du bist, hast du all deine Besitzungen zurückbekommen – und dazu noch die Mark Zeitz“, spie Magnus aus und legte den Kopf schräg. Sein Mund zuckte spöttisch.

Ungehalten sprang Udo auf. „Ja, und? Niemand von uns hier wäre doch abgeneigt, etwas hinzugewinnen zu können, oder? Aber ich habe auch Einsatz gezeigt und bin genau wie Otto gegen die Liutizen gezogen. Jedoch möchte ich betonen, dass ich nicht für Heinrich gekämpft habe, sondern für das Reich.

„So, für das Reich …“ Magnus’ ruhige Stimme triefte vor Provokation.

Udos Hand rutschte zum Schwertgriff.

Augenblicklich erhob sich Arend und zog seine Waffe ein wenig aus der Scheide. „Gleichgültig, wie edel Ihr seid, meine Herren, Ihr werdet in der Burg meines Vaters Frieden halten.“

Giselher, sein ältester Bruder, war ebenfalls aufgestanden und hob besänftigend die Hände. „Wie mein Vater schon sagte: Es bringt nichts, sich wegen alter Geschichten die Köpfe einzuschlagen.“

Udo nickte und ließ sich missmutig auf die Bank sinken. Magnus’ Augen funkelten noch immer, während er seinen Becher auffüllte und in großen Schlucken trank. Mit dem Handrücken wischte er sich über den Mund und presste die Lippen zusammen, musste angestrengt zurückhalten, was sich dahinter aufstaute.

„Gut so.“ Erleichtert atmete Eilbrecht auf. „Wir wollen verhindern, was offenkundig ist. Jeder mit ein wenig politischem Verstand kann erkennen, was Heinrich hier mit seinem Burgenbau bewirken will. Nun ist die Frage, wie wir vorgehen wollen, um seine Bestrebungen einzudämmen.“

„Einzudämmen?“ Suidger, Arends zweitältester Bruder, hüstelte und rieb sich sein kräftiges Kinn. „Das ist zu wenig. Wir müssen ihm zeigen, und zwar unmissverständlich, dass er hier aus Sachsen verschwinden soll! Er kann sich irgendwo anders im Reich eine Pfalz als Lieblingsort erwählen, aber nicht Goslar.“ Er ballte seine starke, narbige Hand zur Faust und schlug mit dieser auf die Tischplatte.

„Ja, treten wir diesem Flegel ordentlich in seinen königlichen Arsch“, höhnte Magnus.

Otto nickte, doch seine Augenbrauen zogen sich dabei nachdenklich zusammen. „Leider wird es nicht so einfach sein. Wir benötigen Zeit, um möglichst viele Fürsten – sowohl kirchliche als auch weltliche – für unsere Sache zu gewinnen. Bei diesen Gesprächen müssen wir allerdings äußerst behutsam vorgehen, um kein …“

Es klopfte energisch an die Tür.

Die Männer wechselten fragende Blicke, denn sie wussten, dass Eilbrecht seinen Dienern befohlen hatte, nur im Notfall zu stören.

Arends ältester Bruder Giselher erhob sich, durchschritt mit hastigen Schritten den Raum und öffnete die Tür einen winzigen Spalt. Er sprach mit jemandem und schloss die Tür wieder. Als er sich zu ihnen umwandte, erschien er irritiert. Sich den Nacken reibend ging er zu seinem Vater und blieb neben ihm stehen. „In der Vorburg ist ein Königsbote eingetroffen.“

Der Spott wich von Magnus’ Gesicht und wich Kampfbereitschaft. Sein Blick flog durch den Raum, als ob er sich umzingelt sähe. „Ein Königsbote, mitten in der Nacht? Was will er?“

Giselhers Blick richtete sich beunruhigt auf seinen Bruder Arend. „Der König befiehlt dich unverzüglich an seinen Hof als Türwächter der Königin“, teilte er seinem jüngeren Bruder mit.

Die Worte trafen Arend wie ein Schlag. Wie bitte? Er am Hofe des Königs? Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.

Die Verwirrung der Männer war groß. Sie hofften, dass der Bote nicht mitbekommen hatte, welch illustre Gesellschaft sich hier zusammengefunden hatte.

Wie kaltes Eis brannten Magnus’ Augen auf Arend. „Wie kommt es, dass er ausgerechnet dich haben will? Und anscheinend kann er es kaum erwarten, wenn der arme Bote bei Nacht hier eintrifft.“

Nun lagen alle Blicke auf Arend, und sie alle fragten dasselbe: Wie kann es sein, dass er dich will?

Arend hatte keine Antworten für sie, denn er verstand es selbst nicht. Nachdem er mit den Schultern gezuckt hatte, versuchte er, seine Gedanken zu ordnen. „Ich habe Egeno zum Königshof begleitet …“

„Egeno, diesen unehrlichen Wurm? Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du dich von ihm fernhalten sollst! Es wird erzählt, dass er zusammen mit dem König sein Unwesen treibt. Dein Umgang mit ihm schadet nicht nur unserer Familie, sondern auch unserer Sache!“, schimpfte Eilbrecht, und seine Wangen verfärbten sich vor Zorn.

„Berichte weiter!“, forderte Otto von Northeim mit heiserer Stimme.

Arend schluckte. Er hatte seinen Besuch in der Pfalz eigentlich verschweigen wollen. „Während des Festes musste ich gegen Kuno, Heinrichs Leibwächter, kämpfen. Ich besiegte ihn, vielleicht will mich Heinrich nun deshalb.“

„Aber jedermann weiß doch, dass er sein Weib verachtet. Warum sollte er ihr einen besseren Kämpfer als Bewacher zugestehen als sich selbst?“ Udo von Stade kraulte sich grübelnd seinen kurzen Bart.

„Hast wohl der Königin den Kopf verdreht“, spottete Magnus und zog neckend seine Augenbrauen empor.

„Nein“, stieß Arend überhastet hervor. Dann fügte er ruhig hinzu: „Ich hatte das Gefühl, ihrer Beachtung nicht würdig zu sein. Sie kann mich nicht leiden, um es genauer zu sagen.“

Sein Bruder Suidger lachte auf. „Ach, deswegen will Heinrich dich. Er möchte die Königin mit deiner Anwesenheit bestrafen. Ja, das passt hervorragend ins Bild.“

Unwirsch schüttelte Eilbrecht den Kopf. „Mein Sohn ist von altem sächsischem Adel! Er wird sich gewiss nicht wie ein Niederer vor der Tür des Weibes des Franken die Beine in den Bauch stehen! Kennen Heinrichs Herabwürdigungen denn gar keine Grenzen?“

„Sag dem Boten, er soll sich verpissen!“, rief Magnus schnodderig aus.

Doch Otto von Northeim schüttelte sein Haupt. „Nein, das wäre unklug und würde Heinrichs Argwohn auf diese Burg lenken. Es wäre noch zu früh, viel zu früh …“

Für einen Augenblick war es so still, dass das Knistern des Feuers den Saal beherrschte.

Arends ältester Bruder Giselher räusperte sich. „Das ist wahr. Wenn er ihm diesen Dienst verweigert, wird der König rasch einen Vorwand finden, um hier sengend und brennend zu erscheinen. Sollte unser geplanter Aufstand gelingen, werden wir den König vertreiben, und dann kann Arend wieder nach Hause kommen.“

Udo lächelte dreckig und entblößte dabei einen fehlenden Zahn im Unterkiefer. „Zuvor kann er als Entschädigung für seine Dienste die Königin besteigen … mit oder ohne deren Erlaubnis.“

Zorn erwachte in Arend, und am liebsten hätte er Udo das widerwärtige Lächeln aus dem Gesicht geschlagen. In ihm entbrannte der dringende Wunsch, die Königin zu beschützen. Es lauerten so viele Gefahren und Intrigen um sie herum. Und nun wurde ihm die Möglichkeit geboten, sie davor zu bewahren.

Magnus’ Augen wurden zu schmalen Schlitzen. „Eigentlich ist dies doch eine glückliche Fügung. So erhalten wir stets die neusten Informationen – brühwarm und direkt von Heinrichs Hof.“

„Vortrefflich!“, frohlockte Udo und klatschte sich begeistert auf seinen Oberschenkel.

„Nein!“ Wie ein dröhnender Hammer zerschlug Arend diese tückische Vorfreude.

„Nein?“ Irritiert zogen sich Udos dichte Augenbrauen zusammen.

„Heinrich wird von mir einen Eid vor Gott verlangen. Und ich werde diesen nicht brechen“, eröffnete Arend.

Verdrossen stöhnte Udo auf. „Verflucht, Arend! Sei doch nicht so schrecklich ehrbar! Hier geht es um die sächsische Sache, da wirst du doch einmal auf deine verdammte Ehre verzichten können!“

Magnus musterte Arend mit einem sarkastischen Lächeln. „In der Tat war mein Vorschlag abwegig. Arend würde lieber sterben, als seine Ehre zu beschmutzen, nicht wahr?“ Etwas Lauerndes lag in seiner Stimme. „Und deswegen wirst du am Hof auch kein Wort über dieses Treffen hier verlieren, ist es so?“ Eine Drohung, ein leises unheilvolles Versprechen, blitzte in seinen hellgrauen Augen.

Die anderen Männer im Raum erstarrten. Dieser Gedanke war ihnen noch gar nicht gekommen. Und nun sahen ihn alle – bis auf seinen Vater und seinen Bruder Suidger – zweifelnd an.

„Bei meiner Ehre: Ich werde unsere Sache nicht verraten!“, stieß Arend hervor und legte sich die Hand auf die Brust.

„Aber ist es denn am Hofe noch deine Sache, wenn du dort auch schwörst?“ In Udos Blick lag eine herausfordernde Schärfe.

Arend lehnte sich vor. Er verstand das plötzliche Misstrauen der Männer, wenngleich es ihn ärgerte. „Wir sind hier in der Burg meines Vaters. Ich bin ihm und meinen Brüdern in Liebe verbunden, und sie werden auch am Aufstand beteiligt sein. Wenn ihr auch nicht glauben mögt, dass ich der Sache treu bleibe, so vertraut darauf, dass ich meine Familie schützen werde.“

Udo schniefte trocken. „Aber ist es nicht so, dass innerhalb der Familie die schlimmsten Intrigen herrschen?“

„Genug!“, mischte sich Eilbrecht ein. „Ich verbürge mich für meinen Sohn. Jeder, der seine Ehre infrage stellt, zieht auch die meinige in Zweifel.“

Einlenkend nickte Otto. „Jedermann ist Arends Redlichkeit und ausgeprägtes Ehrgefühl bekannt. Er soll zum König gehen und dort seinen Dienst tun, um dessen Argwohn nicht zu wecken.“ Dann spitzte er die Lippen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Arend, du wirst jedoch verstehen, dass wir in deiner Gegenwart kein weiteres Wort mehr über unsere Pläne verlieren.“

Dies traf Arend wie ein Schwerthieb. Er fühlte sich gedemütigt und ausgeschlossen – und dennoch war es die logische Folgerung.

Er schluckte seinen Stolz herunter und auch seine Widerworte. Die Männer irrten über sein Ehrgefühl. Befand er sich hier nicht gerade in einer verschwörerischen Runde? Was war überhaupt Ehre? Dieser Begriff war so dehnbar, und manch einer hatte sie schon billig verkauft. Arend strich sich seine Haare aus der Stirn. „Ich gehe zum Boten“, teilte er ihnen tonlos mit und eilte aus dem Saal.

Für seine Familie hatte er gegen Heinrich kämpfen und ihn aus Sachsen vertreiben wollen, doch nun war alles ganz anders. Während er die Hauptburg, in der sich die Pferde und bewaffneten Begleiter der adligen Besucher befanden, schnellen Schrittes verließ und über die Zugbrücke zur Vorburg ging, hatte er nicht das Gefühl, wirklich in seinem Körper zu stecken. Alles schien durcheinandergewirbelt, und doch wurde ein Gedanke klarer als alle anderen: Er würde die junge Königin wiedersehen, die Frau, in die er sich verliebt hatte. Trotzdem würde er ihr niemals wirklich nahe sein können. Arend würde leiden, aber wenigstens konnte er sie beschützen und dafür sorgen, dass so etwas wie mit Egeno nicht noch einmal geschah.

Kalt fuhr ihm der Wind in den Nacken. Er fühlte sich erniedrigt, verstoßen und dennoch seltsam beschwingt. Und sein Herz sang: Bertha …

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