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Kapitel 13
ОглавлениеSachsen, Mitte Juni 1070
Arend liebte den Harz. Er hatte andere wilde, herrliche Landschaften gesehen, doch hier war seine Heimat. Es gab sanfte Hügel, aber ebenso schroffe Erhebungen, tiefe Schluchten und reißende, tosende Wasser. Die Berge und Täler wirkten besonders geheimnisvoll, wenn sie von Nebelschleiern verborgen wurden. Etliche uralte Sagen rankten sich um den Harz. Die Menschen glaubten, dass hier Zwerge, Hexen und Berggeister wohnten und ihren Schindluder mit ihnen trieben. Und in der Tat forderte dieser Landstrich seinen Bewohnern viel ab. Das Leben war hart und das Wetter oft launisch. Jedoch waren die Berge voller Erz, und der Boden war an vielen Stellen äußerst fruchtbar und brachte satte Ernten ein. Auch der Wald hatte etliche Köhler angelockt. An manchen Tagen sah man überall die Holzmeiler rauchen.
Aufgrund des Dienstes bei der Königin war er jetzt immer öfter gezwungen, diese vertrauten Gefilde zu verlassen. So hatten sie Weihnachten in Freising, Ostern in Hildesheim, Himmelfahrt in Quedlinburg und Pfingsten in Merseburg verbracht. Es war ein reisender Hofstaat, der bei Wind und Wetter unterwegs war. Doch nun endlich waren sie wieder im Harz, und Arend genoss es, atmete geradezu befreit auf.
Der König war mit ungefähr sechzig Rittern, Dienern und einigen Beratern unterwegs zu den südöstlichen Ausläufern des Harzes, da Herzog Otto von Northeim Heinrich zu einem Fest eingeladen hatte. Heinrich hatte Arend befohlen, ihn zu begleiten. Er wollte ihn als seinen Bewacher, da es bisher noch niemandem gelungen war, den Sachsen bei Übungskämpfen zu besiegen. Seine Fähigkeiten waren gefürchtet, auch wenn er hinter seinem Rücken wegen seines niederen Weibes verspottet wurde. Arend verweigerte nicht den Befehl, den König zu begleiten, da ihm so vielleicht die Gelegenheit geboten wurde, mit Otto zu sprechen und ihm zu versichern, dass er bisher nichts verraten hatte und den Sachsen treu war.
Dennoch konnte Arend die Beweggründe Ottos nicht verstehen – warum hatte er den König zu sich gebeten? Wollte er ihn dazu bewegen, seine Sachsenpolitik zu überdenken? Man hatte bereits vielerorts vernommen, dass sich Heinrich gewandelt hatte, zumindest in mancher Hinsicht. So hatte er bereits seine Kebsweiber aus seinem Gemach verbannt und auch keinen seiner berüchtigten Streifzüge mehr unternommen. Seit Berthas Schwangerschaft war er stolz und wesentlich versöhnlicher. Bald würde er Vater werden. Und Arend ebenfalls … Für Arend besaß dies jedoch einen bitteren Beigeschmack, da er nicht genau wusste, ob es tatsächlich sein Kind sein würde.
Der König war der Einladung Ottos ohne Zögern gefolgt. Dies war eine besondere Ehre für den Herzog von Bayern und zeichnete ihn aus, denn normalerweise stattete der Herrscher seinen Untergebenen keine Besuche ab, sondern ließ sie zu sich kommen.
Vielleicht erhoffte sich Heinrich auch, endlich mal wieder ausgiebig zu jagen und Berthas schwankenden Launen zu entkommen.
Kurz bevor sie die Güter erreichten, schlossen sich ihnen Egeno II. und dessen knapp sechzigjähriger Großvater Egeno I. von Konradsburg an. Der Ältere war eine kraftvolle Erscheinung und wirkte noch überaus vital. Mit dem König wechselte er ein paar kurze Worte und reihte sich dann irgendwo hinten ein, während der Jüngere sogleich zu Arend ritt und Folkmar abdrängte.
„Sei gegrüßt, mein Freund!“ Egeno strahlte über das ganze Gesicht.
Arend nickte ihm zu, konnte aber seinen Argwohn nicht verbergen. „Was tust du hier?“
„Nun, der König möchte meinen Großvater und mich gern bei der Jagd dabeihaben.“
„Deinen Großvater? Nicht deinen Vater Burchard?“
„Nein, wie du weißt, unterscheidet sich mein Vater sehr von uns, ist ein ruhiger, wenn nicht gar langweiliger Geselle und hasst die Jagd.“
Arend gab Egeno einen Wink, und beide scherten aus dem Zug aus. So konnten sie sich ungestörter unterhalten.
„Welcher Art wird die Beute sein?“ In Arend erwachte erneut Unmut. Wollte Heinrich hier fernab der Goslarer Pfalz wieder seiner niederträchtigen Neigung frönen?
Egeno lehnte sich ein wenig vor und ordnete die Mähne seines Pferdes. Sein Gesicht verriet spitzbübische Vorfreude. „Eine kapitale Beute, hoffe ich.“
„Nur Hirsche?“ Arend konnte dies kaum glauben.
Egenos Blick huschte zu ihm herüber. „Wer weiß, wer weiß.“
„Egeno! Lass es bleiben, der König wird Vater. Er und Bertha verstehen sich gerade recht gut. Zerstöre dies nicht“, mahnte er.
„Oh, wie ich hörte, wirst du ja auch Vater … Oder besser gesagt: Dein Weib bekommt ein Kind. Was hat dich Narr nur dazu veranlasst, dieses Mädchen zu heiraten? Warum hast du dich nicht davon abhalten lassen? Heinrich hat sie besessen und wollte sie mit einem seiner Kriegsknechte verheiraten, um sie nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Mit einem seiner Kriegsknechte, aber doch nicht mit einem Adligen! Ich kann das bis heute nicht begreifen. Soweit kann man es mit seinem verdammten Edelmut doch nicht treiben! Meine Güte, du willst wohl nach deinem Tod gleich als Heiliger verehrt werden, was? So etwas Dämliches! Was sagt deine Familie dazu?“
„Sie hat mich verstoßen.“
Leise pfiff Egeno durch die Zähne. „Verdenken kann ich es ihnen nicht. Ihr rühmt euch ja schließlich, dass eure Vorfahren schon mit Widukind gegen den Franken Karl den Großen gekämpft und zu den Letzten gehört haben, die den Widerstand aufgegeben haben. Nicht umsonst habt ihr eure Schilde wie einst Widukind mit einem Hengst bemalt, und ihm zu Ehren hast du ja sogar dein Pferd Widu genannt. Tja, und nun das … Gut, du bist nicht der Erstgeborene, aber dennoch hat dein Vater immer ziemlich mit deinen Kampfkünsten geprahlt. Ich möchte wirklich mal wissen, welcher Hirnfurz dich da am Denken gehindert hat!“ Er schüttelte amüsiert und zugleich bedauernd den Kopf. „Ich weiß schon, deine bescheuerte christliche Nächstenliebe. Du siehst, mein Guter, dass das zu nichts führt. Es bringt einen in dieser Welt nicht voran, und man erntet statt Anerkennung nur Hohn und Spott. Ist sie wenigstens willig und gefügig, diese Bauernhure?“
Arends Miene verfinsterte sich. „Sie ist mein Weib, und ich erwarte, dass du respektvoll von ihr redest.“
Egeno grinste breit, und ihm lag offensichtlich ein spöttischer Spruch auf den Lippen, doch er verkniff ihn sich. „Ich werde es versuchen.“
Sie schlossen sich dem Trupp wieder an. Egeno schaute sich um und winkte seinem Großvater zu, der weiter hinten ritt. Die Familienähnlichkeit war unverkennbar, und auch sein Charakter war ebenso übel wie der seines Enkels.
Egeno wandte sich Arend zu und weihte ihn in die neuesten Gerüchte und das Getratsche über die Adeligen ein. Er war stets gut unterrichtet, und so gut wie nichts schien ihm zu entgehen.
Jedoch hörte Arend nur mit einem Ohr zu, denn er dachte über sein Weib und Bertha nach. Sieghild war sehr fleißig, unendlich dankbar, überhaupt nicht zänkisch, und sie verehrte Arend, ließ ihn spüren, dass er im Rang über ihr stand. Arend hatte echte Zuneigung zu ihr entwickelt, aber von Liebe war er noch weit entfernt. Sein Herz hing nach wie vor an Bertha – und diese ließ ihn bei jeder Gelegenheit ihre Eifersucht spüren.
Am frühen Abend erreichten sie Ottos Burg in Northeim, die von sanften Hügeln umsäumt war. Er war einer der einflussreichsten und mächtigsten Männer im Reich. So war er nicht nur Herzog von Bayern, sondern besaß auch zahlreiche Ländereien und Burgen in Sachsen. Und sein Weib Richenza hatte weitere bedeutende Güter mit in die Ehe gebracht.
Als Heinrich in die weit gestreckte Burg einritt, sah er sich aufmerksam um. Die Anlage war mit Gräben, Wällen und Palisaden stark befestigt und besaß eine Vor- und eine Hauptburg, die durchaus eines Königs würdig waren. Es gab Wachtürme, große Wirtschaftsgebäude, Werkstätten, zahlreiche Ställe, Häuser für die Mägde und Knechte und Gästeunterkünfte. Über einen breiten Abschnittsgraben gelangte man zur mit Palisaden umgebenen Hauptburg, in der sich ein großer steinerner Palas mit Rundbogenfenster, weitere Wirtschaftsgebäude sowie Wohn- und Gästehäuser befanden. Daneben erhob sich ein gewaltiger Wohnturm.
Otto war das Kommen des Königs längst gemeldet worden, und mit wehenden Fahnen hatten sich dessen Kämpfer in der Vorburg versammelt und eine breite Gasse für die Gäste bis zur Hauptburg hinauf gebildet.
Der König passierte die Ehrengasse und blieb vor Otto stehen, der sich tief vor ihm verneigte. Heinrich sprang nicht sofort vom Pferd, wechselte erst einmal von seiner erhöhten Position aus einige Worte mit dem Gastgeber, und erst dann stieg er von seinem weißen Hengst. Sie tauschten Geschenke aus, und anschließend bat der Herzog den König in die mit Blumen, Teppichen und Kerzen geschmückte Festhalle.
Scharen von Dienern strömten Wespen gleich aus den Häusern. Sie kümmerten sich um die Pferde, führten die Kriegsknechte zu ihren Unterkünften und die edleren Gäste in die Festhalle des Palas. Arend erhielt ebenfalls Zugang zur Halle, wurde als Bewacher des Königs nicht in seine direkte Nähe, aber immerhin einige Tische weiter platziert.
Es dauerte gar nicht lange, da erschienen nach einem Tischgebet Spielleute, die dezente, wunderschöne, fast schwermütige Musik spielten. Mägde und Diener gingen umher, boten Wasserschüsseln fürs Händewaschen dar, reichten Getränke, und schon wurden auf großen Tafeln köstliche Speisen hereingetragen. Das Essen war bereits von einem Vorkoster probiert worden. Es war alles wahrhaft königlich. Heinrich betrachtete dies missmutig und geehrt zugleich.
Otto war eindeutig um Verständigung bemüht. Also hatte auch er von Heinrichs Wandlung gehört und hoffte wohl, dass man die Diskrepanzen friedlich klären konnte. Er war überaus höflich und redselig, ehrte den König durch seine Gastlichkeit.
Einmal während des Speisens glitt sein Blick jedoch direkt zu Arend herüber, und darin lag tiefe Enttäuschung. Der junge Sachse hoffte, dass sich für ihn eine Möglichkeit ergab, mit dem Herzog allein sprechen zu können. Hätte Heinrich ihn doch nur niemals an den Hof berufen! Sein Leben wäre wahrlich anders verlaufen.
Die Musik wurde lauter. Es wurde erzählt, gelacht und gewürfelt. Dieser Anblick ließ Arend Hoffnung schöpfen, dass es für Sachsen ein gutes Ende nehmen würde.
Bald nachdem Otto verkündet hatte, dass er in der Morgendämmerung zusammen mit dem König auf die Jagd gehen wollte, wurde die Feier beendet, und Heinrich wurde in sein Quartier in einem großen Haus gleich neben der Halle geleitet. Der König ließ Arend ausrichten, dass er in dieser Nacht keine Wache halten, sondern ihn morgen früh begleiten sollte. Dies freute Arend. Er liebte die Jagd und hatte schon so lange darauf verzichten müssen. So schlief er zusammen mit Folkmar in einem Haus, in dem auch die anderen Kriegsknechte untergebracht waren. Jedoch hatten die beiden einen kleinen, mit durchgehenden Flechtwänden abgetrennten Nebenraum. Es war die Zeit der langen Nächte, und die anderen Männer waren längst noch nicht müde, sondern lachten, tranken und spielten. Da Arend keine Decke hatte, behielt er seine Kleidung an, wickelte sich in seinen Umhang und schlief erst nach langer Zeit des Grübelns ein.
Plötzlicher Tumult ließ Arend hochschrecken. Reflexartig ergriff er sein Schwert und stürmte ins Freie. Der Morgen dämmerte im schmutzigen Grau, und die Vögel trällerten unbeeindruckt vom Treiben der Menschen. Auf dem Hof brannten einige Fackeln, in deren Schein Egeno I. vor den Füßen des Königs kniete und Tränen der Verzweiflung vergoss.
Niemals hatte Arend den älteren Egeno weinen sehen. Was war hier los?
Otto stand fassungslos neben ihnen, umrundet von zahlreichen Kriegsknechten des Königs, die die blanken Klingen drohend auf den Herzog gerichtet hatten.
Arend zögerte, wusste nicht, zu wem er sich stellen sollte. Sein Herz trieb ihn zu Otto, aber dann wurde ihm bewusst, dass er in den Diensten des Königs stand. Ein wenig abseits entdeckte er den jungen Egeno, der mit seltsam erwartungsvoller Miene das Geschehen verfolgte, und ging zu ihm. „Was ist mit deinem Großvater?“, wollte Arend wissen.
Doch Egeno winkte nur ab und legte einen Finger auf die Lippen. Er war überhaupt nicht entrüstet oder aufgewühlt, nur lauernd.
Sein Großvater erhob die Stimme: „Mein edler, hoher Herr, ich versichere Euch nochmals, dass ich es niemals getan hätte! Otto hat mich mit Belohnungen zu locken versucht. Als ich ablehnte, hat er mich erpresst. Er hat gedroht, mich und meine Familie zu ermorden, ja, selbst meine Kinder und Kindeskinder wollte er in Stücke hauen, wenn ich diese Tat nicht vollführe. Er wusste, dass ich Euer Vertrauen genieße. Deshalb hat er mich ausgewählt, das Verbrechen zu begehen. Da ich auch Eurem Leibwächter Kuno bestens bekannt bin, sollte ich ihn vor Eurem Schlafraum in ein Gespräch verwickeln und dann hinterhältig erschlagen. Vom Lärm aufgeschreckt, wäret Ihr herausgetreten, und dann hätte ich Euch töten und anschließend behaupten sollen, dass ich Euch in der Finsternis nicht erkannt hätte.“
„Ich glaube dir nicht.“ Heinrich verschränkte die Arme vor der Brust. „Dieser Anschlag wäre zu plump gewesen. Otto ist ein edler Mann und würde solch einen Verrat nicht begehen.“
Der Herzog war noch immer fassungslos. „So ist es! Die Zunge herausschneiden sollte man ihm für diese Anschuldigung! Er gibt keine Beweise, sondern nur die Worte dieses dreckigen Lügners.“
„Lügner? Du bezichtigst mich der Lüge?“ Erzürnt sprang der ältere Egeno auf, wirbelte zu ihm herum und zog unter seinem Mantel ein blankes Schwert hervor. „Ich bin ohne Waffe hierhergekommen. Um den König töten zu können, hast du mir dieses Schwert gegeben. Es ist so markant und prächtig verziert, dass die meisten deiner Diener und Gefolgsleute schwören können, dass dies deine Waffe ist.“ Er wandte sich zum König um. „Dies ist der Beweis für die Wahrheit meiner Worte. Dieses Schwert gab mir Otto, um Euch zu töten.“
Heinrich ließ sich die Klinge geben und musterte sie. „In der Tat sehr einzigartig.“ Fast strafend richtete sich sein Blick auf Otto. „Sprich, Herzog, gehört es dir?“
„Ja. Aber dies besagt gar nichts. Ich weiß nicht, wie er in dessen Besitz gelangt ist, aber ich habe es ihm ganz bestimmt nicht gegeben. Ihr haltet mich doch nicht ernsthaft für so töricht und hinterhältig, dass ich Euch auf meine Güter einlade, um Euch umbringen zu lassen … und dann auch noch mit einem meiner eigenen Schwerter! Ich habe Einvernehmen mit Euch gesucht, nichts anderes. Das ist eine Intrige gegen mich! Ich denke, das ist für jedermann, der mehr Verstand als ein Wurm besitzt, klar zu erkennen.“ Otto stand dort, den Mantel über sein Untergewand gehüllt, die grau melierten Haare noch wirr vom Schlaf. Er hatte noch nicht einmal Zeit gefunden, sich anzukleiden.
Der König hingegen war vollständig angezogen.
Arend fand Otto sehr überzeugend. Es war offensichtlich, dass er niemals solch einen absurden Plan gefasst hatte.
„Ich weiß nicht, wer lügt und wer die Wahrheit spricht. Ich weiß nur, dass mein Leben hier offensichtlich in Gefahr war – oder vielleicht noch ist. Daher kehre ich unverzüglich nach Goslar zurück. Dieser Fall wird auf dem Hoftag in Mainz bei einer Verhandlung entschieden werden.“
„Eine Verhandlung? Das bedeutet, dass Ihr diesem Halunken Glauben schenkt? Das kann nicht Euer Ernst sein!“, erhob Otto scharfen Protest und ging einige energische Schritte auf den König zu. Sofort reckten sich ihm scharfe Klingen entgegen.
Ottos Blick durchbohrte den des jungen Königs. Der Herzog würde noch tausendmal seine Unschuld beteuern können, es würde nichts ändern. Heinrich wollte, dass er schuldig war.
„Ergreift Egeno und setzt ihn in der Harzburg fest. Das Schwert nehmt als Beweis mit!“, befahl der König seinen Wachen. Bereitwillig ließ sich Egeno I. fortführen.
Dann wandte sich Heinrich seinen Männern zu und rief aus: „Wir verlassen umgehend diesen verräterischen Ort!“
Die Kriegsknechte führten die Pferde aus den Ställen und machten sich zum Aufbruch bereit.
Fassungslos wandte sich Arend an den jungen Egeno. „Was geschieht hier?“
Sein Freund wirkte nun auch aufgeregt und empört, doch Arend kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er dies nur vortäuschte. „Jetzt nicht!“, raunte er ihm zu und lief seinem Großvater hinterher, beschwor vor allen Anwesenden dessen Redlichkeit.
Arend konnte nicht anders: Er ging zu Otto, der das Treiben mit verkniffenen Lippen und schmalen Augen beobachtete.
„Ich schätze, dass Heinrich die heimlichen Zusammenkünfte nicht entgangen sind“, raunte Arend ihm zu.
Abfällig und irgendwie befremdet musterte Otto ihn, und dies traf Arend arg. Der Herzog wusste wohl nicht mehr, was er von ihm halten sollte, denn Arends Freund war der Enkel dieses Verräters, und zudem bewachte er die königlichen Gemächer. Und Otto war im Nachtgewand, während Arend wie die Königstreuen vollständig bekleidet war. Betrübt nickte Arend. „Verstehe … Aber glaube mir, ich würde niemals die Sache der Sachsen verraten. Auch wenn ich deiner nicht mehr würdig bin und meine Familie mich verstoßen hat, so bin und bleibe ich Sachse.“
Ottos Augen wurden hart wie Stahl. „Beweise es! Der Eid solch einem Menschen gegenüber ist nichts wert! Tue, was getan werden muss, und verkrieche dich nicht hinter deiner Ehre, die nur dazu taugt, dass du alle, die dich einst achteten, brüskierst.“
Arend musste heftig schlucken. Diese Worte waren wie Dolchstöße in sein Herz. Otto hatte so unendlich recht und dennoch … Betrübt schüttelte er sein Haupt. „Es tut mir leid, aber ich kann den geleisteten Eid nicht brechen.“
Der Herzog hob sein Kinn ein wenig an. In seinen Augen zeigten sich Bedauern und schwere Enttäuschung. „Dann werden wir uns wohl früher oder später auf einem Schlachtfeld treffen. Ich setze meine Hoffnung auf den Hoftag. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Fürsten solch fadenscheinigen Anschuldigungen glauben werden. Sollte Heinrich die Fürsten allerdings kaufen, so sage ich dir: Ich werde mich niemals dem Urteil beugen und mich als so billiges Opfer einer Intrige erweisen! Nun geh zu deinem Herrn, Hündchen!“ Er wandte sich ab und stapfte mit energischen Schritten zu seinem Wohnturm, wo seine Familie von den Holzstufen aus das Schauspiel mit Entsetzen beobachtet hatte.
Arend war danach, ihm hinterherzulaufen und ihn versöhnlich zu stimmen, doch er würde es nicht schaffen – nicht nach dem, was vorgefallen war. Am Hofe Heinrichs war er nur der Sachse, der gehasst, gefürchtet und verlacht wurde. Und bei den Sachsen? Hier war er auf dem besten Wege, als Verräter zu gelten. Ein Verachteter. Schwer wie ein Mühlstein war sein Herz.
* * *
„Du hast mich nicht in deine Pläne eingeweiht!“ Bertha schritt vor Heinrich auf und ab, während dieser an seinem Spieltisch Mühlesteine den Farben nach abwechselnd stapelte: ein weißer, ein schwarzer, ein weißer, ein schwarzer …
Heinrich zeigte ein zufriedenes Lächeln und warf seiner Frau, deren Leib sich unter dem indigoblauen Kleid mächtig wölbte, einen verschlagenen Blick zu. Bertha drückte mit beiden Händen gegen ihr schmerzendes Kreuz und setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber.
Nachdem er den letzten Stein gestapelt hatte, betrachtete er die beiden Türme und schnipste sie an, sodass sie durcheinanderfielen. „Selbstverständlich habe ich dir nichts erzählt. Womöglich hättest du dich noch verplappert, vielleicht sogar bei deinem Bewacher. Oder er hätte gelauscht …“ Selbstzufrieden lehnte er sich im Stuhl zurück.
„Also, was sollte das? Müssten wir nicht Versöhnung mit den Sachsen anstreben? Ich hatte Ottos Einladung als solch einen Versuch verstanden.“
„Versöhnung?“, schnappte Heinrich. „Ich bitte dich! So naiv kannst du nicht sein! Es kann keine Versöhnung mit den Sachsen geben! Hast du nicht selbst gesagt, ich solle wieder ein mächtiger Herrscher werden? Das, meine Liebe, habe ich vor, ganz entschieden sogar. Die Sachsen sind so anmaßend zu behaupten, dass das Königsland, das einst die Ottonen besessen haben, ihnen zusteht. Die Ottonen waren Sachsen, ja. Doch Königsland ist Königsland! Es geht nicht einfach an sie zurück, sondern steht dem nachfolgenden Herrscher zu. Sie haben unter der Regentschaft meiner Mutter so viel davon gestohlen. Die Bauern meinen, dass sie nach wie vor ihr Vieh in meine Wälder treiben können, und die Adligen jagen dort mein Wild. Stück für Stück haben sie mir mein Land genommen. Und diese immens teuren Burgen baue ich nur, um im Harz meine Macht zu festigen und eine gute Ausgangsstellung zu haben, wenn ich diesen Dieben ihre Beute wieder entreiße. Es ist eine Unverschämtheit, was sich dieses verfluchte Volk herausnimmt! Und Otto von Northeim – er ist doch der größte aller Diebe! Er ist ein gefährlicher Wolf, dessen Machthunger niemals gestillt ist, bis er selbst die Krone auf dem Haupte trägt. Meinst du ernsthaft, ich hätte ihm jemals, wirklich jemals, vergeben, dass er zu meinen Entführern in Kaiserswerth gehört hat? Niemals war er der noble Mann, als der er sich so gern ausgibt. Er hatte sofort wie all die anderen Entführer begonnen, mir noch mehr des Reichsgebietes wegzunehmen, und stets nur die Mehrung der eigenen Macht im Sinn. Er kannte keine Dankbarkeit, obwohl meine Mutter ihn zuvor zum Herzog von Bayern ernannt hatte, da sie einen starken Heerführer benötigte, der den Ungarn zu trotzen vermochte. Als ich in Kaiserswerth aus dem Wasser gefischt wurde, nachdem ich in die Fluten des Rheins gesprungen war, habe ich mir insgeheim geschworen, Rache zu nehmen, wenn die Zeit gekommen ist. Und nun, Bertha, ist sie da. Meine Spione haben erfahren, dass die Sachsen geheime Treffen abhalten und überlegen, wie sie mich stürzen können. Ja, da staunst du! Du hast mich aufgefordert, meine Herrschaft zu sichern, und das tue ich. Ich bekämpfe meine Feinde, und Otto gehört ganz gewiss dazu. Und was den Vorfall anbelangt: Mir kann niemand vorwerfen, daran beteiligt gewesen zu sein. Zu keiner Zeit habe ich mit Egeno I. von Konradsburg über eine Verschwörung gesprochen. Dies haben die Grafen Giso II. von Lahngau und Adalbert von Schauenburg für mich erledigt. Otto ist mächtig, zu mächtig, und er ist der Erste auf meiner Liste derjenigen, die ich aus dem Wege räumen werde, um mir und – so Gott will – meinen Söhnen die Krone zu sichern.“
Plötzlich verstand Bertha sein Handeln. Ja, sie hatte ihn aufgefordert, seine Königsmacht zu stärken, und es gab viele gefährliche Fürsten im Reich, die undurchsichtige Spielchen trieben. Rudolf von Rheinfelden gehörte sicherlich auch dazu. „Wenn es bei den Sachsen wirklich diese Zusammenkünfte gibt, hast du richtig gehandelt. Man muss die faulen Äpfel aus einem Korb sortieren, ehe die anderen befallen werden.“
„Du billigst es?“ Heinrich zeigte ehrliche Verwunderung.
„Die Art und Weise vielleicht nicht, aber es ist wahr, die Sachsen meinen in der Tat, dass das Land der Ottonen ihnen gehört. Doch es ist unser.“ Ein Tritt in ihrem Leib durchfuhr sie. Fast war es so, als ob das Kind ihr zustimmte.
Heinrich erhob sich und kniete vor ihr nieder, legte beide Hände auf ihren gewölbten Bauch, lachte, als er eine heftige Bewegung verspürte. „Mein Vater ist so früh verstorben, und das Reich wurde geschwächt, weil ich eine Schachfigur der Mächtigen war. Dies wird mir immer bewusster. Gleichgültig, ob Anno, Adalbert, Otto – alle dachten zuerst an sich selbst, haben mich abgelenkt, fast entmündigt. Ich will, dass unsere Kinder ein gefestigtes Königtum kennenlernen, nicht darum kämpfen müssen. Und ich hoffe, dass in deinem Leib ein Sohn ist. Ich will so stark sein, dass es keinen Zweifel daran geben kann, dass die Fürsten ihn zum nächsten König wählen.“
Bertha fuhr mit den Händen durch sein dunkelblondes, fast schulterlanges Haar, und er ließ es sich gefallen, schien es sogar zu genießen. Er war ihr gegenüber erheblich redseliger geworden, vertraute ihr ein wenig. Und sie wollte ihn nicht enttäuschen. Sie würde ihm beistehen, denn sie wünschte sich eine Familie mit unumstrittener Macht – insbesondere für ihre Erben.
„Ich denke, du hast durch dein Vorgehen die Sachsen gewarnt. Sie werden die Botschaft verstehen, schließlich haben sie damals ein ähnlich gewebtes Attentat auf deinen Vater verübt, als er beim Grafen Thietmar in Lesum zu Besuch war. Thietmar war der Bruder des Sachsenherzogs Bernhards II., also der Oheim des jetzigen Herzogs Ordulf. Sie werden sich daran erinnern und begreifen, dass der Widerstand gegen dich keinen Sinn hat. Sie wollten bereits deinen Vater bekämpfen, aber sie sind gescheitert. Denn du, der Sohn von Kaiser Heinrich III., bist König und immer noch im Sachsenland.“
Er sah auf. Sein Blick wanderte forschend über ihr Gesicht. Daraufhin erhob er sich und küsste ihre Stirn. „Wie habe ich dich damals nur derart falsch einschätzen können? Adalbert hat mich verblendet, mir Gift ins Hirn geträufelt. Jeden Tag. Er hat keine Macht mehr über mich.“ War da sogar der Hauch eines begehrlichen Funkelns in seinen Augen? Er presste kurz die Lippen zusammen, zögerte, die Worte auszusprechen, doch dann tat er es: „Sobald du das Kind entbunden hast und das Wochenbett verlässt, werde ich Ortrun und Hedi erneut zur Harzburg schicken.“
Bertha fiel vor Verblüffung die Kinnlade herunter.
„Ja, ich werde es tun. Allerdings nicht für immer. Wenn du erneut schwanger bist und dein Leib sich wieder rundet, werde ich sie zurückholen, aber nur für diese Zeiten … Ansonsten sollst du meine alleinige Gefährtin sein.“
Das war mehr, als Bertha erwartet hatte, doch eine innere Stimme riet ihr, sein Reden nicht für bare Münze zu nehmen. Er sprach jetzt aus einer Laune heraus. Wenn ihn das Feuer überkäme, würde er die Kebsweiber ganz sicher wieder an seinen Hof bringen lassen – oder zur Harzburg reiten. Aber dennoch … Seit ihrer Schwangerschaft hatte er sich ihr gegenüber gewandelt, dachte auch viel über sein eigenes Leben nach.
Trotzdem hauchte ein Schatten Bitterkeit in ihre Seele. Sie wusste, dass Ortrun sich nicht ohne Weiteres verdrängen lassen würde. Die Sächsin lästerte gehässig darüber, dass Bertha an Gewicht zugelegt hatte, weil der Appetit sie oft ungezügelt überkam. Zudem tat sie es stets so, dass Bertha es auch ja hörte.
Und dann war da noch Arend. Dass er ein von Heinrich bestiegenes Ding geheiratet hatte, um dieses vor weiterer Schmach zu bewahren, empfand sie als höchste Beleidigung. Er wurde von ihr, der Königin, begehrt und heiratete dann so eine verdammte Bauernschlampe. Wer wusste schon, wie viele Männer sie bereits gehabt hatte? Hieß es nicht, dass die Bauern es mit der Treue nicht so genau nahmen? Wie hatte Arend ihr das nur antun können? Noch schlimmer, und dies gestand sie sich nur ungern ein, war, dass sie des Nachts von ihm träumte. Von ihm, nicht vom König, dessen Liebe und Zuneigung sie sich doch immer so sehr ersehnt hatte. Verwirrtes Frauenherz.
* * *
Nervös ging Arend vor dem kleinen Haus auf und ab, das ihm der König nach der Hochzeit zugeteilt hatte. Es besaß sogar einen eigenen Raum für ihn und sein Weib. Im Hauptraum waren Schlafplätze für Erkmar und eine Magd. Fast war es so, als gereute dem König seine Tat, und als versuchte er, es wiedergutzumachen.
Heinrich war nur mit einem Teil des Hofstaates nach Mainz geritten. Er konnte nicht einschätzen, wie die Sachsen die Verhandlung gegen Otto aufnehmen würden, und hatte daher befohlen, dass Arend bei der Königin in der Pfalz blieb, damit sie sich sicherer fühlte.
Die Arglist des Königs hatte Arends schlechte Meinung über ihn untermauert. Heinrich war nicht zu trauen und weiterhin an dessen Hof zu sein ließ die Galle in ihm aufsteigen.
Arends Glaube an das Gute war zerbrochen. Er hatte nur noch seinen Eid, der zwischen ihm und seiner völligen Verbitterung stand. Und gerade deshalb war ihm dieser so wichtig. Sein geleisteter Eid, Bertha zu beschützen, war für ihn wie der letzte Baum in einem gerodeten Wald, an dem der Sturm vergeblich zerrte.
Von Schmerzen geplagt stöhnte sein Weib. Arend setzte sich auf die Bank unter dem Vordach des Hauses, sprang aber wieder auf und schritt ungeduldig umher. Die Menschen, die an ihm vorbeikamen, lächelten ihm ermutigend zu.
Sieghild war tapfer, kein Schrei, kein Fluch kam über ihre Lippen. Andere Frauen der Pfalz waren bei ihr, auch Tilda, und redeten ihr gut zu, lobten sie für ihre Stärke.
Arend fürchtete sich davor, dass er, wenn er das Kind erblickte, Heinrich darin erkennen könnte. Würde er es trotzdem lieben können? Würde er den Spott der anderen ertragen? Oder würde er das Kind aus seinem Herzen verbannen und ihm ein schlechter Vater sein? Schon oft hatte er sich darüber Gedanken gemacht und keine Antwort gefunden.
Im Haus herrschte nun große Aufregung. Das Kind wurde geboren, und die helfenden Frauen forderten Sieghild auf, noch einmal zu pressen.
Daraufhin erschallte Tildas freudiger Aufschrei: „Es ist geschafft!“
Stille. Lebte das Kind? War es verunstaltet? Es folgten ein Klaps und ein kräftiger Schrei, so penetrant, als wollte das Neugeborene das Unrecht dieser Welt beklagen. Arend brannte vor Neugier, und gleichzeitig wollte er das Kind doch nicht sehen. Es dauerte noch eine Weile, bis die Frauen sich um Mutter und Säugling gekümmert und in der Hütte aufgeräumt hatten. Sie brachten zahlreiche Bündel von Stroh und Laken heraus, besudelt von Blut und Fruchtwasser, und schütteten die Schüsseln mit rot verfärbtem Wasser vor dem Haus aus. Arend beobachtete, wie es in eine kleine Kuhle lief und dort versickerte. Was die Frauen mit der Nachgeburt taten, ob sie diese vergruben oder an die Hunde verfütterten, wollte er gar nicht wissen.
Schließlich kam Tilda heraus und krempelte ihre Ärmel herunter. „Du hast einen Prachtburschen! Dein Weib war sehr tapfer, und ich wünschte mir, dass alle Geburten so unkompliziert wären.“
„Ein Sohn?“
„Ja. Du kannst nun hinein und ihn dir beschauen.“ Sie lächelte ihm zu und verschwand dann in Richtung Königshaus, sicherlich um Bertha davon zu berichten, die in der nächsten Zeit selbst entbinden würde.
Arend zögerte. Ein Sohn. Er sammelte seinen Mut, holte tief Luft und trat ein. Über dem Feuer der großen Herdstelle hingen Kessel mit brodelndem Wasser. Andere Kessel hatte man bereits an die Seite gestellt, damit sie ein wenig abkühlen konnten. Es herrschte eine bedrückende Hitze. Er betrat den Schlafraum und fand dort sein Weib auf dem Lager, das Kind auf der nackten Haut. Beide waren mit einem dünnen Laken zugedeckt. Sieghild hatte dunkle Ringe unter den Augen, wirkte ermattet, aber unendlich glücklich. „Er sieht aus wie du.“
Neben ihr standen Mägde, bereit, sich gleich weiter um beide zu kümmern.
Vorsichtig ging er um das Bett herum. Sieghild setzte sich ein wenig auf und überreichte ihm das Kind, das am Bauch noch ein Stück abgebundene Nabelschnur besaß, das mit einer Binde umwickelt war. Der Junge war bereits notdürftig gewaschen, doch noch befanden sich Reste von Blut und Käseschmiere in seinem Haar und auf der Haut. Der Säugling war so erschreckend klein in Arends kräftigen Händen, wirkte verletzlich und hilflos. Gefühle brachen in Arend hervor, die er niemals in sich vermutet hatte. Sein Herz schmolz dahin, und Tränen der Rührung traten ihm in die Augen. Das Neugeborene war runzelig, das Gesicht war rot, und dennoch war es das Schönste, was Arend jemals gesehen hatte. Sein Kind … Nichtsdestotrotz flüsterten ihm böse Stimmen zu, dass es Heinrichs Bastard sein könnte. Für einen Moment betrachtete er den Säugling kritisch, suchte nach einer Ähnlichkeit mit dem König, aber dieses zerknautschte Etwas, dessen Gesicht sich immer unmutiger verzog und zum Schrei ansetzte, war noch zu klein, um Vergleiche anstellen zu können. Kinder veränderten sich ständig.
Nein, er war sein Sohn, er wollte, dass es so war! Ein gellender kräftiger Schrei ertönte aus diesem kleinen Körper, und Arend reichte das Kind vorsichtig seinem Weib, das den Jungen wieder auf seine Brust legte. Sofort war der Säugling zufrieden.
Arend fingerte an seiner Gürteltasche herum und fischte eine Kette heraus: ein kleines goldenes Kreuz, in dem ein Almandin gefasst war und das an einer Lederschnur hing. Er küsste Sieghild und drückte ihr den Anhänger in die Hand. „Für mein tapferes Weib.“
Sie strahlte ihn an. „Danke, dass du so gut zu mir bist.“ Doch dann huschte ein trauriger Schatten über ihr Gesicht. „Ich hätte dieses süße Kind so gern meiner Familie gezeigt … meinem Vater, meiner lieben Mutter … meinen Geschwistern … Mein Herz hängt immer noch sehr an ihnen. Aber der König hat ja verboten, dass sie zur Pfalz kommen oder dass ich sie treffe.“ Sie seufzte sehnsüchtig, schluckte schwer und schenkte ihm dann ein liebevolles Lächeln. „Ich will nicht klagen. Der Herr war gütig und hat dich, einen Engel, an meine Seite gestellt.“
Er setzte ein Lächeln auf, doch der Zweifel überfiel ihn ganz heftig, als er das Kind nochmals betrachtete. Hatte es nicht Heinrichs Mund?
Hier konnte Arend nicht bleiben, er musste erst seine Skepsis niederringen. Er ergriff seine Übungswaffen und eilte zum Kampfplatz. Und da war ein Gedanke, der in ihm heranwuchs: Sobald sein Weib für eine erneute Empfängnis bereit war, wollte er ein weiteres Kind mit ihr zeugen. Eines, bei dem er sich wirklich sicher sein konnte, dass er der leibliche Vater war.
Er warf sich auf dem Platz den Kriegsknechten und Rittern entgegen, kämpfte hart, bis seine Ermattung stärker war als die argwöhnenden Stimmen in seinem Kopf.