Читать книгу Königin im Schatten Gesamtausgabe - Iris Hennemann - Страница 20

Kapitel 11

Оглавление

Frankfurt, Anfang Oktober 1069

Der Termin der Synode in Frankfurt rückte näher. Jeden Tag wurde Bertha unruhiger, und sie wurde von Appetitlosigkeit und Magenschmerzen geplagt.

In Lorsch hatte sie sich wie eine Gefangene gefühlt, hatte Stoffe gewebt, gestickt, golddurchwirkte Borten gefertigt und auch mit der Spinnwirtel Fäden gedrillt. Diese Arbeiten hatten sie nur mäßig abgelenkt, jedoch hatte sie oft mit einem Lächeln an den Ausflug mit Arend zurückgedacht und von den Erinnerungen zehren können. Und sie hatte auch erfahren, wie es sich anfühlte, begehrt zu werden. Es war ein geheimer, gefährlicher Moment gewesen, der ein inniges Band um sie geschlungen hatte. Obwohl es seitdem nie wieder zu einer vertraulichen Berührung gekommen war, wurden ihre Gefühle für ihn zunehmend stärker, und er … er litt wie ein Hund. Er bemühte sich wahrlich, dies zu verbergen, schaffte es auch anderen gegenüber, aber nicht in den kurzen Augenblicken, in denen sie allein waren. Dann funkelten seine Augen vor Liebe, und zugleich schimmerte darin sehnsüchtige Wehmut.

Sie erwischte sich bei dem Gedanken, Arend zu bitten, sie zu ehelichen, wenn sie von Heinrich geschieden werden würde. Mit ihm würde sie sicherlich froh werden, auch wenn er nicht zum herrschenden Adel gehörte. Wer in dieser Welt hatte schon das seltene Glück, Liebe zu finden? Die meisten Ehen wurden aus finanziellem oder politischem Kalkül geschlossen, gleichgültig, ob König oder Bauer. Es war schon beachtlich, wenn in einer Ehe so etwas wie Respekt und Zuneigung erwuchs. Die Männer waren oft untreu – einige Frauen auch, doch bei ihnen war dieses heikler, da harte Strafen drohten.

Die Liebe. Diese schien so verlockend. Und dennoch war Berthas Wunsch, Königin zu bleiben, stark. Mit diesem Bewusstsein war sie als Kind aufgewachsen. Sie war die Königin und keine andere. Bertha trug durchaus diese Seite in sich: eigenwillig, unnachgiebig und vom Machtwillen genährt. Keinesfalls wollte sie ihre hohe Stellung verlieren, sondern den künftigen Herrscher gebären, diesen zu einem anständigen Charakter formen: gottesfürchtig, redlich und gerecht. Ein König, der von allen Menschen geliebt wurde.

Als ihre Tür aufsprang und Ada hereinplatzte, zuckte sie zusammen: „Ich habe Kunde, meine Königin. Kardinal Petrus Damiani, der Legat des Papstes, ist aus Rom eingetroffen. Er soll die Position des Papstes vertreten.“

„Damiani?“

„Kennt Ihr ihn?“, wollte Ada wissen.

„Persönlich nicht, aber wie ich gehört habe, soll er schon alt sein, bestimmt Mitte sechzig. Er ist äußerst gelehrt und verabscheut Sittenlosigkeit. Vor zwölf Jahren wurde er von Papst Stephan IX. als Bischof von Ostia eingesetzt, obwohl er niemals dieses Amt angestrebt hat. Man erzählt, dass er am liebsten ein Eremit wäre. So ist er dann Jahre später, angewidert vom anrüchigen Verhalten der Gottesmänner, freiwillig ins Kloster Fonte Avellana gegangen. Dennoch soll sich der Papst seiner oft als Legat bedienen, da er auch die Simonie scharf anprangert und ein Verfechter des Zölibats ist.“

„Das hört sich gut an, meine Königin. Es macht mir Hoffnung, dass er für Euch Partei ergreift.“

Oh ja, das wäre schön … Bertha lächelte.

* * *

Arends Schädel dröhnte schrecklich, und es wurde immer schlimmer, je wacher er wurde. Stöhnend drehte er sich auf die Seite. Es war ein grässliches penetrantes Hämmern, das seine Welt beherrschte. Er lag auf den weichen Fellen seines Lagers in dem winzigen Quartier, das ihm ganz allein zugeteilt worden war. Dankbar hatte er es angenommen, da Folkmar erkältet war und wegen seiner verstopften Nase grässlich schnarchte. Arends Knecht Erkmar schlief hingegen in einem großen Saal zusammen mit anderen Dienern.

Wie war es nur dazu gekommen, dass er sich so elendig fühlte? Ach ja, Kuno. Er hatte Arend gestern bei Übungskämpfen beschimpft und dermaßen gereizt, dass es fast zu einem heftigen, wenn nicht gar tödlichen Kampf gekommen wäre, hätten Benno und andere Krieger nicht beherzt eingegriffen. Als kleine Wiedergutmachung hatte der König Arend einen großen Krug teuren Weines zukommen lassen. Verwundert hatte Arend dies zwar schon, doch Heinrich war in den vergangenen Tagen ohnehin sehr spendabel und strahlte Zuversicht aus. Er war sich wohl sicher, dass der Papst der Scheidung zustimmen würde, um das Verhältnis zum König nicht zu verschlechtern. Und er, Esel, der er war, hatte in dem Versuch, seinen Ärger fortzuspülen, den Krug vollständig geleert. Anscheinend war ihm dies gelungen, denn Zorn verspürte er wahrlich nicht mehr. Nur dieses widerliche Pochen.

Durch ein kleines Fenster, das mit Pergament bespannt war, fiel gelbliches Licht und erhellte den Raum. Auf einem Tisch lag der leere Krug.

Leichte Übelkeit stieg in Arend auf. Auch wenn er von klein auf berauschende Getränke gewohnt war, da man aufgrund mangelnden frischen Wassers selbst Kindern dünnes Bier gab, so war die Menge doch zu übermäßig gewesen. Aber das vielfältige Aroma des Weines war so verführerisch gewesen, süß wie die Liebe … Wie die Liebe? Eine Erinnerung dämmerte in ihm empor, sinnlich, und zugleich beschämend und schockierend. Mit geschlossenen Augen drehte er den Kopf. Ganz vorsichtig öffnete er das rechte Auge einen winzigen Spaltbreit. Langes rotes Haar schimmerte im Licht.

„Verdammt …“ Er öffnete nun beide Augen und zog die Luft durch die Zähne, als plagten ihn stechende Schmerzen.

Neben ihm schlief Ada, das Haar über sich gebreitet wie eine rote Flut. Ihr hübsches Gesicht wirkte zufrieden und entspannt.

Arend suchte nach detaillierten Erinnerungen, aber diese waren mit schweren Maulwurfshügeln zugedeckt.

Vorsichtig erhob er sich, kämpfte gegen den Schwindel und den aufkommenden Brechreiz an und suchte seine Kleidung zusammen, die achtlos auf dem Boden verteilt war. Er zog sich Bruche, Beinlinge, Hemd und Tunika an, hob Adas Unterkleid aus gebleichtem Leinen und das blassgelbe Wollkleid auf und legte beides vorsichtig neben sie. Sie seufzte und drehte sich auf die andere Seite, wodurch die Decke von ihrem Rücken rutschte. Sie hatte einen verlockend schönen Körper. Und dennoch … Er hätte sich nicht mit ihr einlassen dürfen. Hoffentlich erfuhr Bertha niemals davon!

Ein wenig ratlos stand er vor ihr, getraute sich kaum, sie zu berühren. Die Heftigkeit des Kopfschmerzes lähmte sein Denken. Schließlich setzte er sich aufs raschelnde Lager und berührte sanft mit den Fingerkuppen ihren Oberarm. Als sie nicht reagierte, legte er ihr die ganze Hand auf die Schulter.

Zufrieden seufzend schlug Ada die Augen auf, sah ihn an und schenkte ihm ein sanftes Lächeln. Im Gegensatz zu ihm war sie keinesfalls überrascht und schien sehr wohl zu wissen, was vorgefallen war.

Sie räkelte sich ein wenig und streckte sich. Als sie sich gähnend aufsetzte, bedeckte sie ihren bloßen Oberkörper nicht. Heftig musste er schlucken und wandte sich ab.

Ada lachte. „So schüchtern? Gestern Abend sah das aber ganz anders aus. Ausgehungert wie ein Wolf bist du gewesen. Meine Güte, wer hätte das erwartet.“

Die Röte schoss ihm ins Gesicht. „Sprich nicht davon! Es hätte nicht geschehen dürfen.“

„Oh, hat das Gefäß deiner Tugend einen Sprung bekommen?“, stichelte sie.

Ihm wurde immer schwindliger. Sie rutschte an ihn heran, legte die Hände auf seine Schultern. Er konnte ihren warmen Atem in seinem Nacken spüren. „Es war herrlich. Wir können es noch einmal tun, so oft du willst. Du bist kein Mönch, und es gibt niemanden, den du betrügst. Lass es uns einfach genießen.“

Er hatte das Gefühl, Bertha hintergangen zu haben, aber das konnte er ihrer Dienerin nicht sagen.

Ruckartig erhob er sich. „Geh bitte. Und … Es wird sich nicht wiederholen.“

„Bin ich nicht gut genug für dich?“

„Du bist sehr schön …“

„So darf ich wiederkommen? Ja?“ Ein verzweifelter Hauch lag in ihrer Stimme.

„Zieh dich an!“, bat er leise.

Auf ihren Lippen zeigte sich ein provokantes Lächeln. Sie schlug die Decke vollends beiseite, präsentierte ihm ihren makellosen Körper und kleidete sich umständlich an, nur um möglichst lange unbedeckt zu bleiben.

Er stutzte, glaubte, an ihrem Hals seltsame Schatten zu erkennen. Mit ein paar Schritten war er bei ihr und strich ihre Haare fort, betrachtete die Stelle, die sie rasch zu verbergen suchte. Er drückte ihre Hand herunter und fuhr erschreckt zusammen. Ganz deutlich zeigten sich dort Würgemale. Er sprang zurück. „Bin ich das gewesen?“

Ada erstarrte.

Forschend sah er sie an, betrachtete ihr Gesicht, das Verunsicherung und auch ein wenig Angst offenbarte.

Sie wusste wohl nicht so recht, was sie sagen sollte. Niedergeschlagen sackte sie auf das Lager. „Nein. Ich bezweifle, dass du einer Frau so etwas jemals antun könntest.“

„Wer war es dann?“ Eine finstere Ahnung stieg in ihm auf, doch sie schüttelte den Kopf, und das rote Haar fiel ihr über die Schultern.

„Wer?“, drängte er mit bemüht sanfter Stimme, ergriff ihre weiche Hand und umschloss diese.

Sie kämpfte mit sich, wollte es ihm sagen, das sah er ganz deutlich, fürchtete aber die Konsequenzen. Alsdann blickte sie in seine Augen, suchte dort nach Sicherheit.

„Der König?“, brachte er heiser hervor.

„Nein.“ Sie neigte den Kopf, sodass ihr Gesicht hinter dem Schleier ihrer Haare verborgen war. Sie weinte nicht, sie war stark, dennoch konnte er ihren Schmerz spüren.

„Erzähle es mir“, forderte er sie leise auf und strich die Haare wieder über ihre Schulter zurück.

„Ich kann nicht.“

„Doch, du kannst. Niemand wird davon erfahren. Ich schwöre es!“

Sie atmete schwer, doch dann nahm sie allen Mut zusammen und blickte ihn an. „Es tut mir leid, Arend. Ich mag dich sehr. Du weißt, ich habe von Anfang an deine Nähe gesucht, aber ich bin die Dienerin der Königin und werfe mich daher Männern nicht gleich an den Hals. Du bist ihr treuer Bewacher, und sie hat dich sogar liebgewonnen, deshalb habe ich mich eigentlich gescheut, diese Grenze zu überschreiten. Aber Heinrich …“ Sie seufzte. „Du bist ein Sachse, er vertraut dir nicht. Schon oft hat er mich befragt, ob du mit Bertha intim geworden bist oder ob du heimlich Boten mit Berichten über den Hof zu den Sachsen schickst. Beides habe ich stets verneint, da ich von deiner Ehre überzeugt bin. Aber das war nicht die Antwort, die er hören wollte.“

Überrascht zog Arend die Augenbrauen empor. „Das wollte der König wissen?“

„In letzter Zeit hat er Bertha stets entlegene Gemächer zuteilen lassen und euch somit viel Spielraum gegeben, außerdem hat er dich mit nach Lorsch geschickt. Doch er war erzürnt, dass ich von keinem Ehebruch, ja, noch nicht einmal von vertraulichen Gesten berichten konnte. Er kann überhaupt nicht verstehen, welche Sorte Mann du bist, und hat dich einen Mönch und Schlappschwanz genannt.“ Sie lächelte ihm aufmunternd zu. „Nun, Letzteres kann ich widerlegen.“ Dann wurde sie schlagartig wieder ernst und legte behutsam ihre Hand auf die Würgemale. „Heinrich wurde ungeduldig. Jetzt sind wir bereits in Frankfurt, und er wird bald das Urteil des Papstes vernehmen. Der König hat so sehr auf den Ehebruch gehofft und konnte nicht glauben, dass du deine Chance nicht genutzt hast, der einsamen Königin an die Wäsche zu gehen. Deshalb hat er Kuno zu mir geschickt, der mich bedroht und gewürgt hat. Ich sollte ihm die Wahrheit sagen – aber es gab nichts zu berichten. Daher waren sie der Meinung, dass ich vielleicht selbst noch nichts davon erfahren hätte. Der gestrige Tag war geplant, alles: dass Kuno dich provoziert und der Wein zur Entschädigung. Der Wein war angereichert mit Essenzen, die dich redselig und auch willensschwach gemacht haben. Mit diesem hat mich Kuno zu dir geschickt, und es war mir ein Leichtes, dich zu verführen. Leere nie wieder einen Krug, der nur für dich allein bestimmt ist, hörst du? Du solltest mir den Ehebruch gestehen, aber ich wusste schon vorher, dass es diesen nicht gegeben hat. So habe ich die Nacht mit dir einfach genossen. Es tut mir leid …“ Ihr versagte die Stimme. Eine Träne rann über ihre Wange und tropfte in ihren Schoß. Doch dann richtete sie sich gerade auf. „Du musst misstrauischer werden! Unbedingt! Hier am Hofe gibt es ständig Intrigen und Machtkämpfe. Vertraue niemandem – auch mir nicht.“

„Und … was habe ich erzählt?“ Er fürchtete, dass er den heimlichen Ausflug mit Bertha in Lorsch erwähnt hatte. Was für ein verdammter Narr war er doch gewesen, so leicht zu überrumpeln.

„Dass du die Königin liebst …“

Am liebsten hätte sich Arend augenblicklich übergeben.

Als sie sein verzweifeltes Gesicht sah, lächelte sie mild. „Aber auch, dass sie eine getreue Gemahlin ist. Und das ist es, was ich Heinrich heute berichten werde. Sei getrost, deine Liebe zu ihr werde ich verschweigen. Kuno kann mir drohen, trotzdem werde ich nichts anderes sagen. Das, mein Guter, schwöre ich dir.“ Sie erhob sich und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Sie verbarg ihr Haar unter dem Kopftuch, drapierte es so, dass es die Male am Hals verbarg, und lächelte ihm aufmunternd zu. Anschließend verließ sie den kleinen Raum und schloss die Tür hinter sich.

Arend stürzte aus dem Haus und erbrach sich. Neben dem Eingang saß der junge honigblonde Erkmar auf einer Bank und entfernte Rost von Arends Kettenhemd. Er eilte sofort davon, um seinem Herrn Wasser zu bringen.

Arend sackte in den Staub. Diese Welt war eine Schlangengrube. Er musste achtsamer werden, sonst würde er verschlungen werden.

* * *

„Oh, Tilda, du hättest Heinrichs Miene bei der Synode sehen müssen! Es war so herrlich!“ Die junge Königin hüpfte in ihrem Gemach mit tanzenden Schritten auf und ab. „Ich glaube, er hat sogar einen Augenblick lang mit dem Gedanken gespielt, den Legaten Damiani mit dem Zepter zu erschlagen.“

„Kommt, Kind, setzt Euch zu mir und berichtet in Ruhe.“ Tilda saß aufrecht an einem Tisch und kontrollierte mit geübtem Auge Berthas Brettchenweberei, die auf dem Tisch lag.

Die Angesprochene kam der Aufforderung nach und strahlte dabei über das ganze Gesicht. „Damiani hat gesagt, dass Heinrichs Benehmen verwerflich sei, dass er mit seinem Wunsch das Christentum beflecke und als König ein schlechtes Beispiel für das Volk wäre. Er, Heinrich, sollte derjenige sein, der solche Taten verdammt oder bestraft, anstatt der Anstifter und Verursacher solch schändlicher Frevel zu sein. Und stell dir vor – jetzt kommt das Beste: Damiani hat verkündet, dass der Papst gesagt hätte, dass er gegen Heinrich vorgehen werde, wenn dieser das kanonische Gesetz missachte. Papst Alexander II. würde solch einen frevelhaften König niemals zum Kaiser krönen, niemals!“

Tildas Augen weiteten sich. „Donnerwetter, das waren klare Worte! Die Kirchenfürsten? Was haben sie gesagt?“

„Nun, sie meinten, dass der Papst recht hätte. Sie baten und empfahlen Heinrich, von seinem Vorhaben, der Scheidung, abzulassen.“

„Und wie hat Heinrich reagiert?“

„Er hat sich gefügt. Was hat er denn für eine andere Wahl? Er kann die Kirchenfürsten nicht durch Verachtung dessen Rates verprellen und auch noch gleichzeitig den Zorn des Papstes auf sich ziehen.“ Bertha sprang auf, rauschte auf Tilda zu und ergriff freudig ihre Hände. „Tilda, ich bin und bleibe die Königin! Ist das nicht wundervoll? Auch wenn er unsere Ehe vor aller Ohren als schwere Bürde bezeichnete, die er jetzt tragen muss, so wird es nichts daran ändern, dass – wenn er rechtmäßige Erben haben will – ich die Mutter sein werde. Ich werde seine Söhne gebären und an Macht gewinnen, ganz gewiss. Zu guten, redlichen Menschen werde ich diese Kinder erziehen … Was ist?“ Bertha stutzte über Tildas besorgtes Gesicht.

Diese legte ihr Kopftuch ab und fuhr sich mit den Händen durch ihr dunkles, mit einigen wenigen silbernen Strähnchen durchzogenes Haar. „Ja, du wirst mehr Einfluss gewinnen, aber dir muss klar sein, dass du viele Entscheidungen Heinrichs befürworten musst, die dir widerstreben. Der Papst hat ihm einen herben Schlag versetzt. Alexander hat seine Macht demonstriert und des Königs Position geschwächt. Heinrich sieht sich aber selbst über dem Papst stehend, da er eigentlich dessen Beschützer ist … oder sein sollte. Sein Vater, der Kaiser, hat noch die Macht besessen, Päpste einzusetzen. Heinrichs Einfluss auf den Stuhl Petri darf nicht weiter schwinden. Du bist nun unumstritten seine Königin und musst im Interesse des Reiches handeln. In der Öffentlichkeit musst du mit Heinrich eine Einheit bilden und darfst nicht sein Handeln kritisieren. Hinter geschlossenen Türen kannst du dieses tun, aber niemals in Gegenwart des Volkes, der Fürsten oder der Geistlichkeit. Und du wirst ihn auch nach außen hin bei seiner fragwürdigen Politik des Burgenbaus im Harz unterstützen müssen. Es wird lange dauern, ehe deine Worte zu seinem verstockten Herzen durchdringen und du ihn vielleicht von diesem Vorhaben abbringen kannst. Es wird keine leichte Zeit für dich, mein Kindchen, ganz gewiss nicht.“

Bertha ließ sich auf die mit einem weichen Lammfell bedeckte Bank sinken. „Du hast recht. Bisher habe ich es kaum gewagt, darüber nachzudenken, welche Rolle ich zukünftig spielen werde.“

Jemand klopfte an die Tür, und als die Königin den Einlass erlaubte, stürmte Ada herein. Auch Arend reckte seinen Kopf vor und schielte kurz herein.

Die Dienerin schloss die Tür und verneigte sich vor Bertha. „Ich habe Kunde von Eurem Gemahl.“

„Sprich!“, forderte Bertha sie mit flauem Gefühl im Magen auf. Er hatte Kunde für sie. Gewiss keine erfreuliche.

„Er reist gleich morgen früh nach Goslar zurück, da er meinte, er müsse in Sachsen noch einige Angelegenheiten wegen der Streitigkeiten und Kämpfe mit Markgraf Dedi I. und Adalbert II. von Ballenstedt klären. Der König wird nur einige seiner Ministerialen und ungefähr vierzig Bewaffnete mit sich nehmen. Ihr sollt alsbald mit dem restlichen Hofstaat folgen. Heinrich überlässt die Reichsinsignien Eurer Obhut und der des Erzbischofs Adalberts. Er will sie nicht bei sich führen, da er nicht riskieren will, dass sie vielleicht in Sachsen in fremde Hände geraten könnten, da er nur wenige Begleiter bei sich hat. Heinrich erwartet von Euch, dass Ihr diese äußerst wichtigen Kostbarkeiten sicher nach Goslar bringt.“ Ada schien nicht recht zu wissen, ob dies eine gute oder schlechte Nachricht war, und ihre Mimik glich einem bewegten Kornfeld, durch das ein wechselnder Wind streifte.

Bertha wusste es auch nicht. Dass er gleich morgen aufbrach, sprach jedenfalls dafür, dass er zutiefst erzürnt war. Er war schwer gedemütigt worden, und es war fraglich, ob sich seine Wut gelegt haben würde, wenn sie in Goslar eintraf. Das würde lange in ihm schwelen … Ein mulmiges Gefühl breitete sich vom Nacken bis zu ihren Füßen aus, eine plötzliche Furcht vor der Nacht, wenn er das erste Mal bei ihr liegen würde. Wünschte er sich einen Erben, so würde er es tun müssen. Sie hatte ihm bereits angedroht, dass es keinen Sinn hatte, sie zu ermorden, da er ihr bald darauf ins dunkle Grab folgen würde – und dies war keine leere Drohung gewesen. Tilda las in ihrem Gesicht. „Ja, liebe Bertha, es ist gut, dass Euch bewusst wird, was Euch erwartet. Nutzt die Rückkehr nach Goslar, um Euch darauf vorzubereiten.“

Die Königin nickte. Das Gefühl des Triumphes war hinweggefegt und wich der Ernüchterung.

Königin im Schatten Gesamtausgabe

Подняться наверх