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Sodom
ОглавлениеGenesis 19
Es war bereits Abend,
als die beiden Engel Sodom erreichten.
Lot sah sie kommen
und lief den Männern entgegen.
Er verneigte sich vor ihnen
bis auf die Erde
und begrüßte sie freundlich:
„Kommt in mein Haus!
Seid meine Gäste
und ruht euch über Nacht aus.
Morgen früh könnt ihr weiterziehen.“19,1f
Sie aber erwiderten:
„Nein, wir kehren nicht ein.
Wir übernachten hier draußen.“
Aber Lot drängte sie so lange,
bis sie ihm in sein Haus folgten.
Dort bereitete er ihnen ein Mahl zu
und setzte ihnen gebackenes Brot vor.
Doch kaum hatten sie gegessen,
hörten sie draußen wildes Geschrei.
Vor dem Haus
tobten die Männer von Sodom.
Sie umringten das Haus,
schlugen an die Tür und schrien:
„Lot, mach uns auf!
Gib sofort die Fremden heraus!
Wir wollen uns an ihnen vergnügen.“19,2f
Aber Lot ging zu ihnen hinaus
und bat sie inständig:
„Ach, liebe Freunde, bitte, hört auf!
Lasst meine Gäste in Frieden!
Tut ihnen nichts Böses an!
Eher gebe ich meine Töchter heraus.
Aber meine Gäste liefere ich nicht aus.“
Aber die Männer schrien noch mehr:
„Weg mit dir! Was willst du hier?
Spielst du dich als Richter über uns auf?
Du bist ja selbst ein Fremder
in unserer Stadt. Warte nur!
Dir ergeht es noch schlimmer!“
Und schon machten sie sich über Lot her.
Aber die Engel zogen ihn
schnell ins Haus
und schlossen die Tür wieder zu.
Doch als die Männer von Sodom
die Tür stürmen wollten,
sahen sie auf einmal nichts mehr.
Hilflos tappten sie im Dunkeln umher.19,6ff
Endlich wurde es draußen still.
Da erzählten die Engel,
warum sie gekommen waren.
„Auf“, drängten sie Lot,
„flieh mit deiner Frau
und deinen zwei Töchtern,
bevor es zu spät ist!
Denn Gott wird Sodom zerstören.“
Da lief Lot zu den Männern,
die mit seinen Töchtern verlobt waren
und rief ihnen zu:
„Flieht schnell aus der Stadt!
Denn Gott wird Sodom vernichten!“
Sie aber lachten ihn aus.19,12ff
Schon wurde es draußen hell.
Der Morgen brach an.
„Auf, eil dich!“, drängten die Engel.
„Sonst kommst du auch um.“
Sie nahmen Lot an die Hand
und mit seiner Frau und den Töchtern
flohen sie aus der Stadt.
Und sie hielten nicht an,
bis sie Sodom hinter sich hatten.
„Nun lauft allein weiter!“,
befahlen die Engel.
„Flieht in die Berge!
Bleibt ja nicht stehen!
Dreht euch nicht um!“19,15ff
Und schon brach das Unheil
über Sodom herein.
Die Erde bebte und dröhnte.
Feuer fiel vom Himmel
und ließ alles in Flammen aufgehen,
die Häuser, die Mauern, die Menschen.
Nichts blieb von der Stadt übrig,
nur Schutt und Asche.19,24f
Da packte Lot seine Töchter
und lief um sein Leben.
Aber Lots Frau blieb stehen.
Da war es um sie geschehen.
Sie drehte sich um – und erstarrte.19,26
Am selben Morgen
stand Abraham früh auf.
Er stieg auf einen Hügel,
um nach Sodom zu schauen.
Aber von der Stadt
war nichts mehr zu sehen.
Nur eine Rauchwolke
stieg aus dem Tal auf.
Da wusste Abraham:
Nicht einmal zehn Menschen
hatten in Sodom auf Gott gehört.19,27ff
Aber noch ahnte Abraham nicht:
Lot und seine Töchter waren gerettet.
Gott hatte ihr Leben verschont.
Mit der Geschichte vom Untergang Sodoms gewinnen wir einen Eindruck vom Leben in den Städten Kanaans, von hemmungslosen Exzessen und von brutaler Gewalt. Es stellt das Gegenbild zum Leben Abrahams als Halbnomade dar (Abraham hat zwar einen festen Wohnsitz, aber wohnt noch immer in Zelten). Lot repräsentiert in seiner Person beide Welten: zum einen lässt er sich vom Glanz und Reichtum Sodoms faszinieren und hat seine Rolle als Viehhirte mit der eines Städters eingetauscht (Gen 13). Zum andern aber erfährt er nun die grausame Kehrseite dieser brillierenden Welt: eine Welt, die das alte Gastrecht missachtet und die die Fremden als Freiwild betrachtet, die selbst Lot, ihren langjährigen Mitbürger, als Fremden ausgrenzt (obwohl dieser sie als „Brüder“ anspricht, 19,7), eine Welt, in der nur das Recht des Stärkeren gilt und offenbar alles erlaubt ist, die keine Tabus kennt und auch vor sexuellen Übergriffen nicht zurückschreckt.
Diese Welt, so zeigt die Geschichte, ist nicht erst durch die drohende Naturkatastrophe, sondern durch menschliche Schuld dem Untergang geweiht. Sodom gilt daher als Inbegriff moralischer Dekadenz und sexueller Verirrung (vgl. 2. Petr 2,7). Sogar Lot ist in seinem Handeln nicht davon frei. Er ist in seiner Not sogar bereit, seine eigenen Töchter dem Mob von Sodom auszuliefern, um die Fremden zu retten (19,8).
Aber mitten durch diese bedrückende Geschichte, die in einem apokalyptischen Inferno endet, zieht sich Gottes Rettungsaktion. Lot kann als einziger „Gerechter“ (18,32) zwar nicht seine Stadt retten, aber Gott rettet ihn und seine Töchter aus dieser Hölle und macht ihn zum Stammvater der Moabiter und Ammoniter (19,36ff). Am Ende wird offenbar: Gottes Rettungshandeln reicht über Israel hinaus und schließt auch die Nachbarvölker mit ein.