Читать книгу Othersides: Zwei Welten - J. Kilior - Страница 24
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ОглавлениеFür den Samstagabend hatten sie ein Strandpicknick vorbereitet, wie man meinen könnte in einer Meeresnation wie Laguna Mar nichts Außergewöhnliches. Das war es aber sehr wohl.
Sand war etwas Natürliches, Dreckiges und er setzte sich überall fest. Nichts für Maranes, die höchstens mal von einer Betonplattform aus ins Meer sprangen. Trotzdem hielten sie sich tapfer und manche gingen sogar baden.
Erin schwamm ein Stück weit raus zu einem Felsen und entdeckte dahinter – Delano.
»Pssst ...«, flüsterte er, als ob irgendwer sie hier belauschen könnte, »ich habe eine spektakuläre Entdeckung gemacht und würde sie gerne exklusiv mit dir teilen.«
»Ah ja, okay, und das wäre?«
»Es ist nicht so einfach, dahin zu kommen. Wir werden tauchen müssen.«
Skeptisch warf Erin einen Blick zurück zu den anderen. Livina beobachtete sie – und sah nicht glücklich aus. Konnte es sein, dass sie da etwas missverstanden hatte?
»Komm!«, rief Delano. Er war schon auf dem Weg.
Erin folgte ihm. Sie schwammen ein ganzes Stück um die Felsenküste herum, bis sie außer Sichtweite der Bucht waren.
»Ich habe es entdeckt, als ich mit Ramón um die Klippen gefahren bin«, erklärte Delano. Er deutete auf eine Stelle in der Felswand. Erin konnte dort nichts Besonderes erkennen.
»Unter Wasser«, fügte er hinzu.
Sie tauchte ab. Tatsächlich, knapp unter der Wasseroberfläche befand sich der Eingang zu einer Höhle: ein Spalt im Felsen, etwa zwei Meter hoch und einen breit.
Delano tauchte bereits darauf zu. Erin hatte keine Ahnung, worauf sie sich einließ, aber wenn er schon einmal dort gewesen war, konnte es ja nicht so schlimm sein? Sie tauchte ihm nach. Als sie die Höhle erreichte, wurde es schlagartig dunkler. Kurze Zeit lang konnte sie noch Delanos Umriss vor sich sehen, dann war nichts mehr erkennbar.
Maranes waren hervorragend im Schwimmen und ebenso gut im Tauchen. Sie konnten ohne Probleme mehrere Minuten unter Wasser bleiben. Doch nach einer Weile beschlich auch Erin ein unangenehmes Gefühl. Nahm dieser Tunnel irgendwann noch mal ein Ende oder sollte sie besser umkehren? Delano war nirgendwo zu sehen und sie hatte den Eindruck, dass die Felswände immer näher kamen. Aber dann waren sie auf einmal gar nicht mehr zu ertasten.
Gerade als Erin die Luft auszugehen begann und sie nun definitiv umkehren wollte, erkannte sie vor sich einen Lichtfleck, erst schemenhaft, dann immer deutlicher. Sie schwamm so schnell sie konnte darauf zu. Dann brach sie endlich durch die Wasseroberfläche.
Sie befanden sich in einer Höhle, die natürlichen Ursprungs zu sein schien, jedoch ein paar Unregelmäßigkeiten aufwies. Da war dieses Licht von oben, ein diffuses, unwirkliches Schimmern. Es entsprang mehreren runden Scheiben an der Decke. An einer Seite der Höhle führte eine Treppe aus dem Wasser hinaus und in einen Tunnel hinein.
Sie stiegen hinauf und gingen den Gang entlang. Er war grob in den Felsen gehauen worden und hatte überall ungleichmäßige Vertiefungen, Vorsprünge und Risse.
An seinem Ende befand sich eine gewaltige Eisentür, die mit Reliefs verziert war. Sie zeigten Bäume, Schiffe, Pferde, Fische und Eulen. In der Mitte gab es ein, im Gegensatz zu all den anderen erhabenen Motiven, vertieftes, kleines Symbol. Erin hielt es spontan für eines der Wappen, die sie auf dem Brunnen in der Villa gesehen hatten. Es kam ihr jedenfalls bekannt vor.
»Ich habe mir alles ganz genau angeschaut, aber nach wie vor keine Ahnung, wie man diese Tür öffnen kann«, erklärte Delano, »keine Klinke, kein Sensor, kein BioCom-Empfang. Es muss irgendein verdammt altes System sein. Auch kein Loch für einen Schlüssel oder so.«
Die Tür war nicht das einzige Rätsel, das sie in dieser Höhle vorfanden. Daneben prangte etwas weitaus Seltsameres: eine Botschaft, an die Wand geschmiert mit etwas, das aussah wie – Blut! Und es schien frisch zu sein. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken. »Delano, das ist nicht witzig ...«
»Ich hab das nicht geschrieben. Es sah gestern genauso frisch aus wie heute. Ich habe versucht, es abzuwischen, aber es geht nicht. Abgefahren, oder?«
Erin kam das alles ziemlich unheimlich vor.
»Das Komische ist«, fuhr Delano fort, »riech mal!«
Erin ging näher an die Schrift heran. Sofort machte sie einen Satz zurück. Es roch nach echtem Blut! »Wer tut so etwas? Und warum?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Sie trat noch einen Schritt zurück, um zu lesen, was dort geschrieben stand:
Traut nicht dem falschen Regenten,
seine Pläne sind nicht, wie sie scheinen,
er will euch entzweien, verspricht euch zu einen.
Im Innern des feurigen Berges
tritt die Wahrheit am Ende ans Licht.
Zu finden ihn und zu zerstören,
zögert nicht!
»Was soll das heißen?«
»Kein Schimmer, aber gruselig, oder?« Delano lachte. Er schien das Ganze für eine Kuriosität zu halten, für irgendeinen gut gemachten Scherz, um jemanden zu erschrecken.
Erin ahnte, dass mehr dahinterstecken könnte. Sie schaute hinauf zu der Linie etwas unterhalb der Decke des Ganges, die die Stelle markierte, bis zu der die Flut hochstieg. Dann betrachtete sie die Schrift noch einmal genauer. Sie sah nass aus. Wenn Delano das hier gestern genauso vorgefunden hatte, musste es zwischendurch unter Wasser gestanden haben. Trotzdem war es nicht verschwunden. Das ergab keinen Sinn. Dass er die Schrift gerade frisch aufgetragen hatte, glaubte sie auch nicht. So gut war er nicht im Lügen. Was sollte das also?
Gedankenverloren schaute Erin die Buchstaben weiter an, bis sie sich auf einmal zu bewegen schienen. Sie erschrak heftig, stolperte. Dann blitzte ein Bild vor ihren Augen auf. Da saß eine Person, zusammengekauert und blutüberströmt, vor der Tür. Die Person sah aus – wie sie selbst!
So schnell die Erscheinung aufgetaucht war, verschwand sie auch wieder.
Im Nachhinein war sich Erin nicht mehr sicher, was sie da gesehen hatte. Sich selbst? Ihre Mutter? Das musste ein Streich gewesen sein, den ihr ihr Gehirn gespielt hatte!
Es war Anlass genug gewesen, sofort aus der Höhle zu verschwinden, ganz zum Leidwesen Delanos, der sich wohl einen lauschigen Abend an einem geheimen Ort ausgemalt hatte.