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XIV

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Sarah war konservativ. Ja, schlimmer als das, sie war in einer festen Form erstarrt seit dem Augenblick, als ihre Verliebtheit vorbei war, das heißt, seit sie ihr erstes Kind haben sollte. Die Form waren die Vorurteile und die Vorstellungen, in denen sie von Kind auf erzogen war. Dermaßen war sie zum Gewohnheitstier geworden, dass die geringste Veränderung im täglichen Leben zu den Dimensionen einer ganzen Revolution anschwoll. Tom hatte verschiedene dieser Revolutionen erlebt, unter anderm, so oft sie umzogen. Nach dem dritten Umzug hatte er genug, und seitdem zog er nie mehr um.

So kam es, dass Saxon es aufgeschoben hatte, von ihrer Hochzeit zu reden, bis es durchaus notwendig wurde. Sie erwartete eine Szene, und die bekam sie.

»Ein Boxer, ein Herumtreiber, ein Taugenichts!« fauchte Sarah, nachdem sie alle Kalamitäten erschöpft hatte, mit denen der Verlust von Saxons viereinhalb Dollar die Woche ihre und ihres Mannes Zukunft bedrohte. »Ich möchte wissen, was deine Mutter sagen würde, wenn sie lebte und sähe, dass du einen Taugenichts wie Bill Roberts heiratest. Bill! Ach, deine Mutter war viel zu vornehm, als dass sie einen Mann geheiratet hätte, der Bill hieß. Und ich kann dir nur sagen, dass es jetzt keine seidenen Strümpfe und drei Paar Schuhe mehr geben wird. Es dauert nicht lange, und du wirst dich glücklich preisen, wenn du in Latschen und baumwollenen Strümpfen zu fünfundzwanzig Cent für zwei Paar herumlaufen kannst.«

»Ach, ich habe keine Angst. Billy ist schon der Mann, mir die Schuhe zu verschaffen, die ich brauche«, antwortete Saxon und warf stolz den Kopf zurück.

»Du weißt nicht, wovon du redest.« Sarah hielt inne und brach in Lachen aus – ein Lachen, das nicht den geringsten Humor enthielt. »Pass nur auf, wenn erst Kinder kommen. Die kommen heutzutage schneller als Geld.«

»Aber wir wollen keine Kinder haben – wenigstens nicht, bis wir unsere Aussteuer bezahlt haben.«

»So klug sind die jungen Leute heute – wie beliebt? In meiner Jugend waren die Mädchen zu ehrbar, um etwas von solchen unanständigen Dingen zu wissen.«

»Es ist das erste Mal, dass ich höre, dass kleine Kinder etwas Unanständiges sind. Gott, Sarah, du mit deinen fünf musst ja sehr unanständig gewesen sein! Billy und ich haben beschlossen, dass wir nicht annähernd so unanständig sein wollen. Wir wollen nicht mehr als zwei haben, einen Jungen und ein Mädchen.«

Tom hätte fast laut gelacht, um des Friedens willen aber erstickte er sein Lachen in der Kaffeetasse. Sarah ließ sich kaum Zeit, Atem zu schöpfen, als sie auch schon von einer anderen Seite angriff.

»Und so schnell zu heiraten! Welche Eile! Wenn das nicht unanständig ist, dann weiß ich nicht. Ich weiß nicht, wie junge Mädchen heute darüber denken. Aber das kommt davon, wenn man Sonntags ausrennt und tanzt und so etwas. Soviel Leichtfertigkeit und Unsittlichkeit habe ich noch nie gesehen.«

Saxon war blass vor Zorn geworden. Während aber Sarah in ihrem Redestrom fortfuhr, glückte es Tom, mit seiner Schwester zu einer Verständigung zu gelangen, indem er sie durch eifriges Blinzeln um Erhaltung des Friedens bat.

»Es stimmt ja alles, Schwesterchen«, tröstete er Saxon, als sie allein waren. »Es hat nur keinen Zweck, mit Sarah darüber zu reden. Bill Roberts ist ein netter Kerl, ich weiß allerlei von ihm. Du bekommst einen guten Mann, und du wirst sicher glücklich mit ihm werden.« Er senkte die Stimme, und sein Gesicht erhielt plötzlich einen alten, müden Ausdruck, als er ängstlich fortfuhr: »Nimm dir eine Lehre an Sarah. Zanke dich nicht. Was du auch tust, zanke dich nicht. Ein Mann muss mal etwas sagen dürfen. Männer haben auch ein bisschen Verstand, wenn Sarah es auch nicht glaubt. Sieh, Sarah hat mich im Grunde ungeheuer lieb, wenn sie es auch nicht merken lässt. Hab du deinen Mann lieb und, Gott strafe mich, lasse es ihn merken. Mit Küssen und Streicheln kannst du ihn zu allem bringen, was du wünschst. Laß ihm nur hin und wieder einmal seinen Willen, dann lässt er dir auch deinen. Du sollst ihn nur liebhaben und dich auf ihn stützen – er ist kein Dummkopf – dann wirst du auf Händen getragen werden.«

»Glaub mir, ich werde ihn schon liebhaben, Tom«, nickte Saxon. »Und mehr als das, ich werde dafür sorgen, dass Billy mich liebt, und dass es dabei bleibt. Und dann brauche ich ihn weder zu küssen noch zu streicheln, damit er tut, was ich wünsche. Er wird es tun, weil er mich liebt. Verstehst du?«

»Du hast das richtige Ende erwischt, Saxon. Halt es fest, dann wird es schon gehen.«

Später, als sie sich den Hut aufgesetzt hatte, um zur Plätterei zu gehen, traf sie Tom an der Ecke wartend.

»Weißt du, Saxon«, sagte er schnell, »was ich dir vorhin von Sarah sagte – du verstehst mich doch – das faßt du doch nicht etwa so auf, als wollte ich etwas Herabsetzendes von ihr sagen. Sie ist eine gute Frau und treu, und ihr Leben ist nicht leicht gewesen. Jeder hat wohl seine Plage im Leben. Es ist ein Fluch, arm zu sein, das sage ich dir.«

»Du bist immer schrecklich gut zu mir gewesen, Tom. Ich werde das nie vergessen. Und ich weiß ja, dass Sarah es gut meint. Sie tut ihr Bestes.«

»Ich kann dir leider nichts zur Hochzeit schenken«, entschuldigte ihr Bruder sich. »Sarah will nichts davon hören. Sie sagt, dass wir bei unserer Heirat nichts von der Familie bekommen haben. Aber ich habe doch etwas für dich. Ich glaube nicht, dass du es raten kannst.«

Saxon sah ihn erwartungsvoll an.

»Sieh, als du mir erzähltest, dass du heiraten wolltest, fiel es mir ein, und da schrieb ich an Bruder George und bat ihn darum. Und Gott strafe mich, wenn er es nicht umgehend schickte. Ich sagte nichts davon, denn ich wusste ja nicht, ob er es vielleicht verkauft hätte. Er verkaufte ja die silbernen Sporen. Er brauchte wohl Geld. Aber das – ich ließ es in die Werkstatt schicken – Sarahs wegen – verstehst du – und dann brachte ich es heimlich gestern abend her und versteckte es im Holzschuppen.«

»Ach, etwas, das Vater gehört hat! Ach, was ist es?«

»Sein Säbel.«

»Den er trug, wenn er sein rotes Streitross ritt! Ach, Tom, ein schöneres Geschenk hättest du mir nicht machen können. Laß uns zurückgehen. Ich will ihn sehen. Wir können durch die Hintertür hineinkommen. Sarah wäscht in der Küche – in der ersten Stunde hängt sie das Zeug nicht auf.«

»Ich sprach mit Sarah davon, dass du die alte Kommode, die Mutter gehört hat, haben solltest«, flüsterte Tom, während sie sich durch den engen Gang zwischen den Häusern hindurchschlichen. »Aber sie setzte sich auf die Hinterbeine. Sie sagte, dass Daisy ebenso gut meine Mutter wie deine gewesen sei, wenn wir auch jedes seinen Vater gehabt hätten, und dass die Kommode immer Daisys Familie und nicht der Kapitän Kits gehört hätte, und dass sie mein sei, und was mein sei, darüber hätte auch sie zu verfügen.«

»Es ist schon alles in Ordnung«, beruhigte Saxon ihn. »Sie hat sie mir gestern abend verkauft. Sie wartete mit blitzenden Augen auf mich, als ich heimkam.«

»Ja, sie war den ganzen Tag, nachdem ich darüber geredet hatte, auf dem Kriegspfad. Wieviel hast du ihr dafür gegeben?«

»Sechs Dollar.«

»Nepp. Sie ist nicht die Hälfte wert«, brummte Tom. »Und die eine Seite ist ja ganz entzwei, und sie ist uralt.«

»Ich hätte gern zehn Dollar dafür gegeben. Ich hätte jeden Preis dafür bezahlt. Sie gehörte Mutter, weißt du. Sie stand immer in ihrer Stube.«

Im Brennholzschuppen zog Tom den verborgenen Schatz hervor und packte ihn aus. Zum Vorschein kam ein rostiger Säbel mit einer Stahlscheide von dem schweren Typ, der in den Tagen des Bürgerkrieges von den Kavallerieoffizieren gebraucht wurde. Daran hing eine mitgenommene Schärpe aus dicker roter Seide mit schweren Seidenquasten. Saxon hätte sie ihrem Bruder vor lauter Eifer fast aus den Händen gerissen. Sie zog die Klinge heraus und drückte den Stahl an ihre Lippen.

Das Mondtal

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